Cuxhaven: Wie Jugendliche für den Rechtsextremismus eingefangen werden sollen
Nur ziemlich wenige Erwachsene bewegen sich in denselben sozialen Netzwerken wie Schülerinnen und Schüler. Aber dort geht es ab. Wer genauer hinschaut, erkennt die Taktiken, mit denen Jugendliche für rechtsextreme Inhalte fasziniert werden sollen.
Nur ziemlich wenige Erwachsene bewegen sich in denselben sozialen Netzwerken wie Schülerinnen und Schüler. Aber um die bei Tiktok & Co. kursierenden Manipulationstechniken zu verstehen, legt Stefan Störmer, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, seinen Kolleginnen und Kollegen nahe, sich die Welt, die gezielt die Macht der Bilder und die Kraft der Emotionen einsetzt, mal näher anzuschauen.
Er hat das getan, weil er erfahren wollte, wodurch Kinder und Jugendliche angetrieben sind, die sich in der Schule auf einmal offen rechtsextremistisch äußern. Viele der von ganz rechts gesteuerten Inhalte bei Tiktok erschienen auf den ersten Blick nicht mal politisch, berichtete Stefan Störmer bei der Eröffnung der 80. Pädagogischen Woche in Duhnen. Vielmehr werde zunächst Aufmerksamkeit erzeugt.
Die Kraft der Bilder - wie im Fantasy-Film - hole die Kinder absolut ab. "Über Ästhetik werden sie gefangen genommen. Und dann werden die Kanäle ganz weit für Indoktrination aufgemacht." Achtklässler, auf die plötzlich eine "völlige Dekonstruktion von Fakten" einprassele, hätten große Probleme, damit umzugehen. "Sie nehmen es als bare Münze", so seine Erfahrung.
Es hat auch Einfluss auf die künstliche Intelligenz
Sein Appell: "Wir müssen uns kritisch mit der Informationstechnologie beschäftigen." Denn mit den am stärksten ziehenden medialen Inhalten werde auch die Künstliche Intelligenz gefüttert, die mehr und mehr die Meinungsbildung beeinflusse. Ziel der strategischen Flutung der Kanäle mit rechtsextremen Inhalten sei es, langfristig den Souverän, also die Wählerinnen und Wähler, suggestiv zu beeinflussen und zu steuern.

Die Schule brauche daher umso stärkere Instrumente, um Jugendliche kompetent und stark zu machen. Sie müssten lernen, den Wahrheitsgehalt von Nachrichten überprüfen und müssten auch eine kontroverse Diskussion im wirklichen Leben aushalten können. Das richtige Instrument gegen das Gefühl, nicht mehr gehört zu werden, so Störmer, sei Selbstwirksamkeit. Deshalb sei es auch so wichtig, Jugendliche an der Gestaltung von Schule mitwirken zu lassen.
Am zweiten Tag dieser intensiven Woche in Duhnen mit dem Thema "Demokratie" knüpfte Dr. Anke Hoffstadt, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Düsseldorf, direkt mit Forschungsergebnissen zum Thema Rechtsextremismus/Neonazis an Störmers Ausführungen an. Sie zeigte auf, warum die in einigen Bundesländern durch den Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich und eindeutig rechtsextremistisch eingestufte AfD und andere rechte Gruppierungen in letzter Zeit erhebliche Zustimmung in der Gesellschaft erhalten, auch durch Jugendliche.
Demokratie soll ins Mark getroffen werden
Rechtsextremistischen Gruppierungen gehe es darum, die Demokratie in ihrem Mark anzugreifen. Werte wie Menschenrechte, die Rechte Schwächerer und Behinderter und die Gleichberechtigung würden bekämpft, die solidarische und demokratische Lebensweise solle zerstört werden. Die Referentin warnte die Teilnehmenden der Pädagogischen Woche davor, die Einflussnahme der Rechten auf die junge Generation und auf Schule zu unterschätzen.
Wahre Absichten werden verschleiert
Wie tags zuvor Stefan Störmer machte sie auf die Taktiken rechter Portale und ihrer Kampagnen aufmerksam, mit denen sie ihre wahren Absichten zu verschleiern wüssten. Die AfD versuche, Beschäftigte in Schulen unter Druck zu seten und richte zum Beispiel Meldeportale ein, um diejenigen zu verunglimpfen, die demokratische Werte vermittelten. Sie verwendeten die Behauptung, Lehrkräfte seien zur "Neutralität" verpflichtet, zur Einschüchterung.
Diese Position widerspreche fundamentalen demokratischen Prinzipien, denn gerade auch Lehrkräfte hätten die Pflicht, die Demokratie zu verteidigen, so Hoffstadt. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe Lehrkräften in seiner jüngsten Rede den Rücken gestärkt, indem er die Bedeutung von Demokratiebildung hervorgehoben habe.
Von der Politik brauche es dafür klare Leitlinien. Schule als demokratischer Ort einer Gesellschaft der Vielen sei zu schützen, zu stärken und auszubauen, so die Referentin.