

Cuxhavener Jugendliche rühren ihr Publikum zu Tränen
Bewegende Momente waren in der Geschwister-Scholl-Schule in Altenwalde zu erleben, als Neuntklässler dem Leben der Nazi-Widerständler nachspürten und Beziehungen zwischen damals und heute knüpften.
Melina Stüven, Luisa Donner und Lea- Marie Hinsch ist die Anspannung unübersehbar anzumerken - gleich sollen die drei Neuntklässlerinnen der Geschwister-Scholl-Schule Altenwalde die Gedenkfeier für die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst moderieren. Am 22. Februar 1943 gegen 17 Uhr wurde die Hinrichtung der drei Freiheitskämpfer durch das Fallbeil vollstreckt. Nun, 80 Jahre später, gedachten 65 Schülerinnen und Schüler der Geschwister- Scholl Schule Altenwalde zusammen mit 200 Gästen in der aus allen Nähten platzenden Pausenhalle. Das Lehrerkollegium, Eltern, Großeltern und namhafte Unterstützer der Schule waren der Einladung zur Vorstellung des Schreib- und Buchprojektes gefolgt, welches am 80. Todestag der Namensgeber nach insgesamt vier Projekt- und Schreibtagen im Haus der Jugend zum Abschluss kommen sollte.
Nach kurzem Grußwort durch die Schulleitung übernahmen die drei Moderatorinnen die Einführung in die Vorstellung des unter Begleitung von Alfred Büngen vom Geest-Verlag entstandenen Buchs "Unfassbarer Mut in einer Zeit voller Angst". Umringt von den stehenden Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 9 hörten die Gäste gebannt zu. Jeder Schüler war in die Biographie eines Menschen aus der Zeit des Nationalsozialismus geschlüpft und durfte aus dessen Sicht eigene Gedanken formulieren und nun vortragen.
Als hauchten sie ihnen wieder Leben ein
Für einen Moment war es, als hauchten die Schülerinnen und Schüler den Charakteren wieder Leben ein, indem sie für sie sprachen. "Liebe Mutter! Ich muss in den Krieg ziehen. Es kam unerwartet, ich hätte nie gedacht, dass es passieren würde. Ich habe Angst zu sterben, und wenn ich mich weigere, werde ich hingerichtet. Deswegen kämpfe ich lieber als Soldat im Krieg." - Vielleicht überlebe ich den Krieg und komme Dich dann besuchen - Dein Harald". Abwechselnd führten die Moderatorinnen durch die Vor-, Kriegs- und Nachkriegszeit, während ihre Mitschülerinnen ihre heutige Sicht über die Hinrichtung der Geschwister-Scholl diskutierten: "Findest du die Hinrichtung richtig?" - "Auf jeden Fall nicht, Sophie Scholl und alle anderen haben sich für das Gute eingesetzt, und für das Richtige sollte man nicht bestraft werden."
Die Lehrkräfte Merle Andres, Susanne Stache, Oliver Kausch und Alja Sommer beobachteten gespannt ihre Schützlinge. Die wie auf einer Perlenkette aufgereiht stehenden Schülerinnen und Schüler bemühten sich sehr, möglichst fehlerfrei, laut und deutlich ihre Manuskripte zu verlesen. Illustrationen des Nationalsozialismus sowie gezielte musikalische Einspielungen gaben den Zuhörenden Zeit, das Gehörte zu verarbeiten. Zahlreiche Auszüge aus verschiedenen Kapiteln des entstandenen Buches etwa über den Tod eines Klassenkameraden, die jüdische Vernichtung oder auch die Zwangssterilisation von Hildegard v. G. fesselten die Zuhörer und nahmen diese mit in eine Zeit voller Angst.
Stolz auf die intensive Arbeit der Enkelkinder
Und so trägt auch das entstandene Buch den passenden Titel "Unfassbarer Mut in einer Zeit voller Angst - Jugendliche im Nationalsozialismus, ein Rollenspiel zum Verstehen der Geschwister Scholl". Sichtlich stolz hielten die Jugendlichen das ihnen von ihren Lehrerkräften und dem Verlagsleiter Alfred Büngen überreichte Buch in den Händen. Wäre der Anlass dieses Projekttages nicht so tragisch und ernüchternd, so Konrektorin Alja Sommer, wäre die Begeisterung des nachdenklich wirkenden Publikums wohl noch größer gewesen. Dennoch sah man insbesondere den älteren Zuhörerinnen und Zuhörern ihre Freude und ihren Stolz darüber an, dass sich ihre Enkelkinder so bewegend mit den Folgen des Terrors des Nationalsozialismus auseinandersetzten.
Ein eigens für den Abend gestaltetes Flugblatt mit dem Zitat von Sophie Scholl "Steh zu den Dingen, an die du glaubst. Auch wenn du alleine dort stehst" wurd abschließend an das Publikum verteilt - eine Botschaft, die an das Abschlusskapitel anknüpft, in dem die Projektteilnehmer Aussagen zum eigenen Handeln in der heutigen Zeit zum Ausdruck bringen durften.
Die Finanzierung des Schreib- und Buchprojektes durch den Ortsrat Altenwalde, die Stiftung der evangelischen Kirchengemeinde Altenwalde sowie durch den Förderverein der Geschwister-Scholl- Schule verstanden sich nach Aussage der Unterstützer als politisches und christliches Zeichen in einer Zeit von Ungewissheit und die Bedrohungslage etwa durch den Krieg in der Ukraine.
Projektthema "Die Würde des Menschen ist unantastbar"
Schulleiter Arne Ohland-Schumacher würdigte zusammenfassend den Mut der Schülerinnen und Schüler, vor so vielen Zuschauern zu einem so tief gehenden Thema zu sprechen. Alja Sommer bedankte sich bei den beteiligten Kolleginnen und Kollegen und Oliver Kausch dankte Verlagsleiter Alfred Büngen für seinen selbstlosen Einsatz im Sinne der Schülerschaft getreu Büngens Motto: "Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken" (Rosa Luxemburg). Das Buch ist im Handel für 12,50 Euro (ISBN 978-3-86685-940-1) erhältlich.
Alle 500 Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule (Klassen 5-10) widmeten sich außerdem vom 20. bis zum 22. Februar dem Thema "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Es standen hierbei die Menschenrechte, Menschenwürde, Sklavenhandel, der Umgang mit Behinderungen, Geschlechtervielfalt und künstlerische Darstellung von Freiheitskämpfern sowie die Arbeit im Kinderhospiz Cuxhaven im Vordergrund. Voller Stolz präsentierten Kinder aller Jahrgänge ihre Ergebnisse im Schulgebäude. Die Dokumentation der die Projekttage begleitenden Schreib- und Fotogruppe findet sich auf der Schulhomepage unter www.realschule-altenwalde.de.