
Vom Fischverkauf zum YouTube-Star: "PinayCux" begeistert weltweit mit ihren Videos
In der zweiten Lebenshälfte auf YouTube durchstarten? Das ist zwei Cuxhavenern gelungen. Jocelyn und Olaf Schwarz bauen mit ihren Videos eine Brücke von der Nordseeküste in die ganze Welt. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Der Kanal und seine Videos
Als Kind verkaufte die Philippinerin Fisch, den ihr Vater fing. Heute belegt Jocelyn Schwarz in einem Fischwagen in Cuxhaven Matjesbrötchen. Touristen kennen die 57-Jährige jedoch besser unter ihrem YouTube-Namen "PinayCux".
Seit dem ersten Lockdown versorgt sie gemeinsam mit Mann Olaf Touristen aus Deutschland und der ganzen Welt mit dem Stoff, aus dem Cuxland-Urlaube gemacht werden: Sonne, Strand, Meer und mehr.
PinayCux liefert in über 230 Videos einen Mix aus Landschaftsimpressionen, Cuxhavener Urlaubsklassikern wie Schiffen und Wattwagenfahrten, News aus der Region und Veranstaltungen. "Laute" Vorschaubilder mit knalligen Titeln sind mit einer guten Portion Augenzwinkern gestaltet.
Der Kanal wirkt sympathisch hemdsärmelig, ebenso wie die Videos. Sie sind keine Profis, sagen die beiden YouTuber von sich selbst - und wollen auch keine sein.
"Sex sells" auch in Cuxhaven
Mit Smartphone und Selfiestick ziehen sie los und drehen das, was für ihre Zuschauer interessant sein könnte. Ungeschlagen mit fast 90.000 Klicks ist ein Video mit dem Titel "FKK in Duhnen". Sex sells offenbar auch in Cuxhaven. Spoiler: Dabei spielen Nackedeis in dem Video nur kurz eine Nebenrolle.
Jocelyn schneidet das Material in einer App auf dem Handy, Olaf schreibt Texte vor und spricht die Audiospur ein. Die meisten Videos beginnen mit einem bald schon vertrauten: "Hallo und herzlich willkommen, liebe Zuschauer, PinayCux ist wieder da."
Mit ihrer herzlichen, lustigen und zum Teil schrulligen Art haben Jocelyn und Olaf Schwarz seit dem ersten Lockdown über 9.400 Abonnenten gewinnen können. Aber wer schaut da so begeistert?

Die Abonnenten
Die Zuschauer eint eine Sehnsucht nach Cuxhaven und der Nordseeküste. Ganz egal, ob geborene Cuxhavener, die weggezogen sind, oder Urlauber, die im Cuxland ihre zweite Heimat gefunden haben.
Die Macher von PinayCux bauen mit ihren Videos Brücken in die ganze Welt. Vor allem aber nach Nordrhein-Westfalen. Von dort kommen die meisten PinayCux-Begeisterten - kein Zufall. Auch die meisten Touristen an der Wasserkante sind aus Nordrhein-Westfalen. Sie machten schon als Kinder Urlaub in Duhnen und bringen irgendwann selbst ihre Kinder mit - zum Teil mehrmals im Jahr.
Nordsee-Weh in jedem Buchstaben
In den Kommentaren freuen sich Touristen auf den nächsten Urlaub, beweinen das Ende des letzten, erzählen von ihrer nahezu romantischen Verbindung in die Region:
So schreibt ein Zuschauer: "Hallo ihr Lieben - immer wieder schön, eure Videos zu sehen. Wir gönnen uns ab Samstag nochmal eine Woche Cuxi - seit den siebziger Jahren schon Cuxi-Urlauber. Erst als Kind-Hochzeitsreise nach Cuxi, mit 5 Kindern immer nach Cuxi - jetzt mit den Enkelkindern - immer dreimal im Jahr."
Ein anderer schreibt: "Da werden Kindheitserinnerung wach. Mein Opa war damals Parkplatz Wächter beim Bad. Sitzte dort in sein Häuschen und kassierte Parkplatz Gebühren. Lang ist es her."
Auch kritische Stimmen tauchen unter den Videos auf, wenn auch selten. So beschwert sich ein Zuschauer über Meinungsäußerungen von Olaf Schwarz und bemängelte die "zittrige Stimme" des 80-Jährigen. Davon lassen sich die beiden aber nicht verunsichern. Wer sind "sie" eigentlich?
Das ist die Geschichte hinter den Menschen und ihrem Kanal
"Schnell, Handy raus! Handy raus", ruft Jocelyn Schwarz ihrem Olaf zu. Die beiden jonglieren mit zwei Regenschirmen und einem Rucksack. In der Ferne trottet eine Karawane Reiter durchs grau in graue Watt. "Was haben wir ein Glück!"
Sie spannt das Smartphone in den Selfiestick und filmt in aller Ruhe, trotz Nieselregen. "Mit den Videos hab ich eigentlich gar nichts zu tun. Ich unterstütze nur meine Frau", sagt Olaf, während er das Gesagte in die Tat umsetzt und Jocelyn den Schirm hält.
Die Impulsive und ihr Anker
Sie sind ein eigenwilliges Gespann: Die lebenslustige Jocelyn wirkt neben dem ruhigen Olaf noch bunter. Er ist ihr Ruhepol, wie sie sagt, sie bringt Leben in die Bude.
Dass die beiden jetzt gemeinsam am Duhner Strand stehen, haben sie einer Reihe von Gebeten, Zeitungsannoncen und Zufällen zu verdanken.
Vom Fisch verfolgt
Jocelyn Schwarz ist als Tochter einer Fischerfamilie aufgewachsen. Mit einem Korb auf dem Kopf lief sie durch die Straßen ihrer philippinischen Heimat und verkaufte den Fisch, welchen ihr Vater fing. "Alles stank. Das Wasser lief mir den Körper herunter. Ich betete dafür, irgendwann dort wegzukommen."

Heute verkauft sie wieder Fisch, mit Schürze und Handschuhen im Fischwagen vor einem Hotel - "Fisch verfolgt mich", sagt die Pinay - ein anderes Wort für Philippina - und lacht laut. Das hat sie ihrem ersten Mann zu verdanken.
Per Zeitungsannonce nach Cuxhaven
2003 besuchte Jocelyn ihre Schwester in Hamburg und wollte nicht mehr zurück. Ein Mann zum Heiraten sollte her und über eine Zeitungsannonce wurde sie schnell fündig: Ein gelernter Fischer mit Hotel in Cuxhaven eroberte ihr Herz. Doch 2014 verstarb ihr Mann - und allein sein? Das wollte sie nicht.
Was einmal geklappt hat, könnte doch noch ein weiteres Mal funktionieren? In einer weiteren Zeitungsannonce suchte sie einen ehrlichen, romantischen und aktiven Mann, den sie 2016 im heute 80-jährigen, ebenfalls verwitweten Olaf fand.
Videos gegen Lockdown-Langeweile
Im ersten Lockdown 2020 überfällt Jocelyn Schwarz eine große Langeweile. Vieles war geschlossen, arbeiten konnte sie auch nicht mehr. Statt Trübsal zu blasen, zieht sie mit ihrem Handy los. Die Videos stoßen von Anfang an auf viel positive Resonanz. Vielleicht nicht zuletzt auch durch den Wunsch nach Urlaub und Nordseeluft derer, die während der Pandemie nicht kommen durften.
Die Arbeitsteilung ist schnell klar. Sie liefert das Material, den Humor und den Schnitt. Er bringt Ideen, assistiert und spricht die Tonspur - "aber nur, wenn er gute Laune hat", sagt Jocelyn und lacht.
Das Publikum will Sommer-Feeling
Woher bekommen sie ihre Ideen? Olaf Schwarz ist überzeugter Zeitungsleser. Da holt er sich Ideen für das nächste Video, aber auch Sturmflut-Vorhersagen oder schlicht richtig gutes Wetter zieht sie vor allem nach Duhnen. Denn nichts geht so gut wie ein blauer Himmel und Sonne über dem Cuxhavener Stadtteil.
Mittlerweile verdienen sie ungefähr 600 Euro im Monat mit Werbung, die YouTube schaltet. Von dem Geld unterstützt sie ihre Familie auf den Philippinen. Neben Spaß an der Sache und Bestätigung durch Klicks und Abonnements ist das eine große Motivation für Jocelyn, weiter dranzubleiben. Aber am meisten freut sie sich, wenn jemand ruft: "Hey, du bist doch PinayCux!"
Wie soll es mit dem Kanal weitergehen? Professionelles Equipment, anderes Schnittprogramm? "So wie bisher auch", sind sich beide einig. Sie sind keine Profis und wollen keine perfekten Videos drehen. "Denn das", da sind sie sich sicher, "wollen auch unsere Zuschauer nicht sehen."
Von Katja Gallas