
Das Grab von Paula Modersohn-Becker mit der von Bernhard Hoetger geschaffenen Skulptur ‚Werden und Vergehen‘ (Foto: Toepler)
Werden und Vergehen
Paula Modersohn-Beckers Grabmal auf dem Friedhof Worpswede
Der kleine Ort Worpswede, ca. 20 Kilometer
nordöstlich von Bremen gelegen, ist
als ehemalige Künstlerkolonie weit über
die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt
geworden und eng mit dem Leben
und Schaffen von Heinrich Vogeler, Fritz
Mackensen und Paula Modersohn-Becker
verbunden. Noch heute durchströmt
der Schaffensgeist der bedeutenden
Künstler des Jugendstils, Expressionismus
und Impressionismus die Straßen
des Ortes, und bei einem Gang über den
kleinen Friedhof ist dieser Geist in besonderer
Weise spürbar.
Das bekannteste Grabmal ist die von
Bernhard Hoetger zwischen 1916 und
1919 geschaffene Skulptur “Werden und
Vergehen” für Paula Modersohn-Becker,
die 1907 wenige Tage nach der Geburt ihrer
Tochter Mathilde mit nur 31 Jahren an
einer Embolie verstarb. Die lebensgroße
Steinplastik auf dem Grabmal zeigt eine
liegende Mutter mit ihrem Kind auf dem
Schoß und versinnbildlicht auf bewegende
und eindrucksvolle
Weise die Tragik und
Traurigkeit des frühen
Todes, aber auch die
Hoffnung, die aus der
Geburt eines neuen
Lebens entsteht. Der
Kreislauf des Lebens,
in dem Geburt und
Tod – ‚Werden und
Vergehen‘ – eine zentrale
Rolle spielen und
untrennbar miteinander
verbunden sind,
bekommt hier eine greifbare Dimension.
Und so schenken uns die Maler und
Bildhauer der alten, längst vergangenen
Worpsweder Künstlerfamilie auch viele
Jahrzehnte nach ihrem Tod immer noch
beeindruckende plastische Darstellungen
und Einblicke in die Bewältigung von Verlust
und Trauer. „Wie schade“ – das waren
nach der Überlieferung ihres Mannes
Otto Modersohn Paula‘s letzte Worte. Und
auch wenn etwas Traurigkeit in diesen
3 Silben mitklingt, so enthalten sie doch
eine gewisse Leichtigkeit und Dankbarkeit
für das gelebte Leben. Ein kurzes, aber intensives
Leben nicht nur im Zeichen der
Malerei, sondern auch das Leben einer
bemerkenswerten Frau, die, ihrer Zeit
weit voraus, unbeirrt ihren eigenen Weg
ging und Zeichen setzte für die Emanzipation
und Gleichberechtigung der Frauen.
Otto Modersohn hat seine Trauer kurz
nach ihrem frühen Tod in Worte gefasst:
„Es ist nicht auszudenken, was noch alles
entstanden wäre, wenn sie noch länger
gelebt hätte ... Man kann nur ahnen, was
sie der Welt noch geschenkt hätte.“