
Stumme Zeugen der Vergangenheit
Der Jüdische Friedhof in der Wingst
Wer vom Alten Postweg in Cadenberge
durch den Wald in Richtung Wasserwerk
läuft, kommt nach wenigen Minuten an
einem schwarzen schmiedeeisernen Tor
vorbei. Dort, zwischen Bäumen am Rande
der Moorlandschaft, wurden an der
Stelle eines prähistorischen Hügelgrabes
zwischen 1767 und 1926 Angehörige des
jüdischen Glaubens bestattet. Anders als
im christlichen Kulturkreis, in dem Friedhöfe
häufig zentral um die in der Mitte des
Ortes befindlichen Kirche angelegt wurden,
sind jüdische Friedhöfe oft außerhalb
des Siedlungsraumes zu finden, da sie als
unrein angesehen wurden. Da der christlichen
Bevölkerung Hügelgräber als heidnisch
galten, wurden den als minderwertig
erachteten Juden oftmals auch diese
Orte als Begräbnisstätten zugewiesen. Zu
Zeiten seiner Einrichtung befand sich der
jüdische Friedhof in Sichtweite des Galgenberges,
was als weiteres Zeichen der
Missachtung gesehen werden kann.
Heute zeugen knapp 30 Grabmale von
der Vergangenheit und bieten einen Einblick
nicht nur in die soziale und kulturelle
Ausgrenzung der damaligen Zeit,
sondern auch in die Begräbniskultur
im jüdischen Glauben. Im Vergleich zu
christlichen Begräbnisorten weist ein jüdischer
Friedhof einige Besonderheiten
auf, so gilt er nicht als Ort des Todes,
sondern vielmehr als ‚Haus des Lebens‘
und muss daher für immer bestehen bleiben.
Jüdische Grabstätten werden daher
nicht geräumt oder wiederbelegt.
Blumenschmuck sucht man auf einem
jüdischen Friedhof vergeblich, es ist vielmehr
üblich, kleine
Steine auf die Gräber
zu legen. Über
den Ursprung dieses
Brauches gibt es
zahlreiche Mythen,
am wahrscheinlichsten
ist jedoch, dass
dieser von Nomaden
übernommen wurde,
die Gräber in der
Wüste zum einen mit
dem einzig verfügbaren Material kennzeichneten
und die Körper der Verstorbenen
auch mit Steinen vor wilden Tieren
schützten.
Eine kleine Informationstafel am Eingang
zu dem ca. 2500 Quadratmeter großen
Areal, das von einem kleinen Wall umgeben
ist, weist Besucher auf die kulturgeschichtliche
Stätte hin. Kleine Steine auf
den Grabmälern zeugen auch heute, teils
Jahrhunderte nach dem Ableben der dort
Bestatteten, von der Anteilnahme und
Achtung der Besucher.
Stumme Zeugen der Vergangenheit –
Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof
Das schmiedeeiserne Eingangstor
vor dem jüdischen Friedhof
(Fotos: Toepler)
Statt Blumen schmücken kleine Steine viele jüdische Gräber