
Fotos: Giesecke
Die zwei Brandgänse im Watt
sind mein Lieblingsbild“, sagt
Sybille Kempf. „Sie treffen sich
zufällig in der Natur und bleiben
dann ein Leben lang zusammen. Das sind
Synergien, die sich auch im menschlichen
Leben wiederfinden.“ Heidi Giesecke traf
die sympathische Fotokünstlerin und fand
an Sybilles Welt zwischen selbst gestalteten
Fotokarten und Naturerleben großen
Gefallen.
„Meine Berufung ist: Sehen, Gestalten, die
Situation aufnehmen und warten können,
dass sich ein Bild entwickelt, bis man auf
den Auslöser drückt“, sagt Sybille Kempf
mit hellwachen freundlichen Augen an
ihrem Stand im Landfrauenmarkt Ihlienworth.
Fröhlich lächelnd erklärt die 81-Jährige
ihre Bildmotive. Obwohl sie wegen der
Corona-Bestimmungen eine Maske trägt,
kann man die Freude in ihrem Gesicht
lesen, mit der sie ihre Kunstkarten zeigt.
25 Jahre sei sie schon dabei, als der Markt
noch in der alten Molkerei war.
„Ich habe von Kindheit an ein Herz gehabt
für Pflanzen, die am Wegesrand blühten
und wuchsen. Wenn ich diese betrachtete,
habe ich Zeit und Stunde vergessen“, lacht
sie in Erinnerung daran. „Am liebsten würde
ich Kräuter fotografieren, aber die Karten
kauft ja keiner. In der Nachkriegszeit
haben wir aus Kräutern Essen gemacht.
Löwenzahn ist Gesundheit pur. Wenn jeder
täglich einen Stiel davon isst, gäbe es nicht
Ein Mensch voller Elan
Fotokünstlerin Sybille Kempf ist mit 81 Jahren
nicht zu bremsen.
so viele Krankheiten. Die Natur ist die Apotheke
Gottes. Essbare Wildpflanzen sind
für mich ein Thema, das ich wertschätze.“
Schon als Lehrling habe sie Bilder aufgenommen,
die eine gezielte Aussage hatten.
In Danzig geboren und geflüchtet nach
Schleswig-Holstein, hat sie eine Ausbildung
als technische Zeichnerin gemacht
und in Hamburg in einer Schiffsmaschinenbaufirma
gearbeitet. Viel herumgekommen
ist sie: Lübeck, Ostfriesland,
Bremerhaven und heute Dorum. Dann die
Familie gegründet und zwei Kinder bekommen.
Aber die Liebe zur Fotografie hat
sie nie aufgegeben.
„Ich war in den 80er-Jahren Mitglied in
einem Fotoclub, und wir haben unsere
Fotos ausgestellt. An Workshops mit dem
Geo-Fotografen Heinz Teufel, einem ganz
berühmten Fotografen, habe ich teilgenommen.
Und dabei wunderschöne Aufnahmen
in der großen Parkanlage ‚Planten
un Blomen’ in Hamburg gemacht und
in der Nolde-Ausstellung in Husum den
Mohn aufgenommen. Das war sehr erfüllend.“
Mit 53 Jahren, wollte Sybille Kempf noch
einmal etwas ganz anderes machen und
meldete in Dorum ein Kleinkunstgewerbe
an. Von da an wurden ihre Fotos zu
sorgfältig bearbeiteten Künstlerkarten.
Jede Einzelne in Handarbeit versehen mit
Passepartout, Innenblatt, edlem Briefumschlag
mit Seidenfutter und zum Schutz
in Zellophan verpackt. „Ich sage immer:
Wer schreibt, der bleibt. Leider wird nicht
mehr so viel geschrieben. Die meisten Karten,
die ich verkaufe, sind Trauerkarten.
Da schreiben die Menschen noch ein paar
persönliche Worte, selbst, wenn es ein trauriger
Anlass ist“, bedauert die Künstlerin.
Frau Kempf, wo finden Sie Ihre Motive?
„Ich bin immer gerne gereist, war in Island,
Neuseeland und Manila. Heute sind
meine Urlaubsziele an der Nord- und Ostsee
zu finden, in Mecklenburg-Vorpommern
und natürlich im Cuxland. Früher
bin ich gesegelt und habe auf Radtouren
die Elbe entlang maritime Fotos aufgenommen.
Rund um meinen Wohnort Dorum, in
Wremen und Spieka gibt es viele attraktive
Motive wie einlaufende Kutter, das Meer,
den Leuchtturm. Am liebsten bin ich am
Deich. Wenn ich unterwegs bin, spreche
ich auch Menschen an, um zu sehen, was
sie sehen; da bin ich ganz offen. Blumen
in Bauerngärten fotografiere ich sehr gerne,
besonders Mohn, der sieht immer so
fröhlich aus. Ich bin ein Farbenmensch
und habe mich mit der Farbpsychologie
des Schweizer Professors Max Lüscher beschäftigt
– nach dem Motto: „Farben geben
Dich zu erkennen.“
Wo bieten Sie Ihre Künstlerkarten an?
„Meine Bilder sind gewordene Erinnerungen.
Ich präsentiere Künstlerkarten für jeden
Anlass und jede Jahreszeit. Außer auf
dem Landfrauenmarkt Ihlienworth bin ich
auf Kunst- und Handwerkermärkten im Elbe
Weser-Dreieck, in Stade und Freiburg zu
finden, wenn diese wieder stattfinden dürfen.
Wegen der Corona-Pandemie ist vieles
davon ausgefallen. Jetzt fahre ich erst einmal
nach Erfurt zur Bundesgartenschau.
Mit meiner kleinen Minolta im Gepäck
finde ich dort bestimmt viele neue Motive.“
Es ist einfach faszinierend, wenn jemand
in so hohem Alter so voller Power ist.
Heidi Giesecke
Küstenlandschaft – unschwer zu
erkennen, wo die Fotokünstlerin lebt.
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