
Schätze aus dem
Geben wir es doch zu: In jeder
und jedem von uns steckt eine
Schatzsucherin oder ein Schatzsucher!
Natürlich wissen wir,
dass Schätze à la Monte Christo eher ins
Reich der Fantasie gehören. Meist genügt
es uns deshalb schon, am Strand nach
Muscheln oder interessantem Schwemmgut
zu suchen. Aber der Reiz, etwas Besonderes
zu fi nden, steckt noch aus Jäger-
und Sammlerzeiten tief in uns.
Archäologen haben diese Entdeckerfreude
zum Beruf gemacht. Aber natürlich
kommt bei ihnen noch ein zweiter, ungleich
wichtigerer Gesichtspunkt hinzu:
Erkenntnisse über vergangene Zeiten
und das Leben der damaligen Menschen
zu gewinnen, ist mindestens ebenso sehr
ein Suchtfaktor wie der verlockendste
Goldfund. Und es sind in der Archäologie
oft die unscheinbarsten Gegenstände, die
den größten Erkenntnisgewinn bringen.
Seit Jacques Cousteau in den 1940er-
Jahren mit der „Aqualunge“ ein Atemgerät
entwickelte, mit dem Taucher unter
Wasser auf Entdeckung gehen können,
ist auch die Erforschung von Kulturgut
auf dem Meeresgrund möglich geworden.
Ein Wrack zu entdecken, das seit
Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten
unberührt von Menschenhand in der Tiefe
gelegen hat, ist unglaublich faszinierend.
Das Potenzial, das Schiffswracks
für die Erforschung vergangener Zeiten
darstellen, ist zudem riesig.
Das gilt nicht zuletzt auch für die Nordsee,
die über die Jahrhunderte zum
Schicksal zahlloser Schiffe wurde. Oft
sind ihre Reste ganz unter den Sänden
verborgen. Für den Erhalt von Schiffsholz,
Schiffsausstattung und Ladung
hat das große Vorteile, denn so sind sie
perfekt vor Zerstörung geschützt. An
Land werden im Boden verborgene organischen
Materialen - also zum Beispiel
Holz, Leder oder auch Textilien - meist
früher oder später komplett zersetzt,
sodass die Archäologen nur noch Bodenverfärbungen
fi nden. Unter Wasser
jedoch können diese Gegenstände über
Jahrhunderte fast ohne Schäden erhalten
bleiben.
Wer sich für solche faszinierenden Zeugen
vergangener Jahrhunderte interessiert,
der sollte Cuxhavens maritimem
Museum „Windstärke 10“ im Fischereihafen
einen Besuch abstatten. Denn in
der aktuellen Sonderausstellung „Abgetaucht!“
präsentiert das Museum zahlreiche
Funde des 17. Jahrhunderts aus
Wracks, die bei der niederländischen
Insel Texel ausgegraben und vom „Rijksdienst
voor het Cultureel Erfgoed“ leihweise
für die Ausstellung zur Verfügung
gestellt wurden.
In der Geschichte der Niederlande gilt das
17. Jahrhundert als das „goldene Zeitalter“.
Der Handel nicht zuletzt mit den
ostindischen Kolonien blühte, exotische
Waren und Gewürze hielten Einzug in
das Alltagsleben, wohlhabende Kaufleute
gaben Gemälde bei Künstlern wie
Rembrandt und Rubens in Auftrag.
Da die großen Kauffahrteischiffe nur unter
größten Problemen Amsterdam oder
die Hansestädte an der IJssel anlaufen
konnten, gingen sie in aller Regel bei
der Insel Texel vor Anker. Hier wurde
ihre Ladung auf kleinere Schiffe umgeladen
und Handels- und Kriegsschiffe
für die nächste Reise ausgerüstet. Die
Insel bot Windschutz vor allem vor Stürmen
aus Nordwest und hatte damit beste
Voraussetzungen für einen sicheren Ankerplatz.
Nicht selten lagen unter Texel
an die hundert Schiffe und warteten auf
ihre Abfertigung oder auf besseres Wetter
für die Ausreise.
Aber auch die recht große Insel Texel bot
keinen perfekten Schutz. Drehte der Wind
oder steigerte er sich zum Orkan, dann
konnte es vorkommen, dass die Anker
im sandigen Grund nicht hielten. Schiff
trieb auf Schiff und weiter auf die Flachs
in Richtung Festland. In der Weihnachtsnacht
1593 sanken von den über 100 unter
Texel ankernden Schiffen 44. Noch
Ein Hinweis auf die hygienischen
Verhältnisse im 17. Jahrhundert liefert
dieser an Bord eines Frachtschiffs
gefundene Läusekamm aus
Knochenmaterial.
Hat der Eigentümer dieses
Wollhandschuhs den verheerenden
Sturm im Dezember 1660 und den
Untergang seines Schiffs überlebt?
Niederländischer Stich
des 17. Jahrhunderts.
Wattenmeer
Fotos: Windstärke 10 (3), Sebastian Hoffmann (2)
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