
18. September 2021 HANDWERK Seite 15
Vom Praktikanten
zum selbstständigen
Auszubildenden.
EBRAHIM MIAH (22) AUS BANGLADESCH
WOLLTE SCHON IMMER BÄCKER WERDEN
„Ebrahim, im 3. Lehrjahr, macht die
komplette Produktion – vom Teig bis
zum Endergebnis selbstständig“, lobt
Norbert Buck in seiner Bäckerei in Bülkau
den jungen Mann. „So einen Auszubildenden
hatte ich noch nie.“
Seit 5½ Jahren ist Ebrahim in Deutschland,
nachdem er ein Jahr nach seiner
Flucht aus Bangladesch unterwegs
war. Von Gießen kam er nach
Cuxhaven, lebte dann in Hemmoor
und besuchte in Bülkau die Schule,
um die Sprache zu lernen. Mit seinem
Betreuer war er bei Bäcker Buck zum
Einkaufen, wo sie dann nach einem
Praktikumsplatz für den jungen Mann
aus Südasien fragten.
Das war nicht nur für Ebrahim,
sondern auch für die Bäckerei ein
Glücksfall. Nach dem vierwöchigen
Praktikum riet Norbert Buck ihm, die
Ausbildung zum Bäcker zu machen.
Der Beginn der Lehre gestaltete sich
wegen der Anfahrt zunächst schwierig.
Aber auch da wusste sein Lehrherr
Rat und half ihm, eine Wohnung in
Cadenberge zu finden, damit er eigenständig
seinen Arbeitsplatz erreichen
konnte. „Ich fahre die neun Kilometer
mit dem Fahrrad um 3:00 Uhr morgens
Obermeister: Jörg Itjen
Innungs-Mitgliedsbetriebe: 13
Bäckerei-Innung
Elbe-Weser
Deichstraße 13a
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Internet: www.handwerk-elbeweser.de/innungsbetriebe/
baecker/elbe-weser
bei Wind und Wetter los und beginne
um 3:30 Uhr meine Arbeit in der Backstube“,
sagt Ebrahim.
In Cuxhaven besucht er die Berufsschule.
Im 1. Lehrjahr zweimal wöchentlich
und dann einmal die Woche im
2. und 3. Lehrjahr. In Stade finden überbetriebliche
Lehrgänge im Blockunterricht
statt. Die praktische Prüfung hat
Ebrahim mit Bravour bestanden, zur
theoretischen fehlten ihm noch die
Sprachkenntnisse. Doch die Prüfung
wird er nachholen, um eine abgeschlossene
Berufsausbildung zu haben.
Ebrahim macht die Arbeit in der
Backstube großen Spaß
Mit den Gesellen Nico, Helena, den
Auszubildenden Leandra (1. Lehrjahr),
Conny (3. Lehrjahr) und Ebrahim
ist das Team bis etwa 12 Uhr mit
der täglichen Arbeit fertig. „Das geht
alles flott, stressfrei, ohne Druck oder
Schimpfe“, weiß der Lehrherr. „Die
könnten auch ohne mich arbeiten.
Ebrahim besitzt die Qualitäten, die
man als typisch „deutsch“ bezeichnet
und die hier leider etwas verloren
gegangen sind: Er ist pünktlich, nicht
krank, schnell und ordentlich. Verantwortungsbewusstsein
im Umgang mit
Lebensmitteln, Sorgfalt und Geschick
sind Voraussetzungen für diesen
Beruf. Er hat Freude an Lebensmitteln,
kann auch gut kochen. Das haben
bereits andere Betriebe mitbekommen
und gefragt, ob er übernommen
wird. „Natürlich übernehme ich ihn
gerne“, sagt Norbert Buck.
„Allerdings muss ich mit Schwierigkeiten
rechnen, denn Ebrahim ist in
Deutschland nur geduldet, da er kein
Kriegsflüchtling ist. Die Lehre schützt
ihn vor Abschiebung. Dabei sorgt er
für sich selbst, wenn er eine feste
Arbeitsstelle hat. Für uns gehört er
fast zur Familie. So feiern wir auch
seinen Geburtstag mit ihm zusammen“,
so der Bäckermeister. Auch Heiligabend
hat er hier schon mehrere
Male gemeinsam mit uns verbracht.“
Backen ist Handwerk
In der Backstube bevorzugt Norbert
Buck alte Maschinen. „Ich bin für das
Rustikale statt für das Digitale. Da
kann ich auch mal selbst etwas reparieren,
um Kosten zu sparen. Niedrige
Preise spiegeln sich so auch in
unseren Waren nieder.“
Handwerksqualität ist in der Bäckerei
Buck in Bülkau eine Selbstverständlichkeit.
Die Berliner zu Silvester sind das
Highlight im Jahr. Da kommen Kunden
extra von weit her. Sie werden nach
einem ganz alten Rezept vom Opa und
Vater hergestellt. Das Wichtigste ist ein
gutes Rezept und ein gutes Fett. Auch
wenn sie nicht alle gleich aussehen, da
sie handwerklich hergestellt werden,
schmecken sie wunderbar. „Wir wollen
möglichst alles handwerklich schaffen.
Das braucht Zeit und Fachkräfte. „Ich
habe schon viele Bäcker ausgebildet.
Aber nur eine Bäckerin hat sich nach
der Gesellenprüfung und der Meisterschule
in die Selbstständigkeit gewagt.
Deshalb bin ich froh über Ebrahim, der
wirklich alle Voraussetzungen für den
Beruf des Bäckers hat.“ jt