Ein Bart, zwei Namen
Seit Jahren begeistert die Kolumne "Moin Cuxhaven" die Leser der Cuxhavener Nachrichten. Inzwischen gibt es die Rubrik auch auf cnv-medien.de. Heute geht es um zwei Figuren, die aktuell allgegenwärtig sind: den Nikolaus und den Weihnachtsmann.
Eine Gestalt in Rot bahnt sich den Weg durch die Menge. Der Weihnachtsmann? "Nein, das ist doch der Nikolaus!", verbessert ein Kind seinen Vater. Dem Mann gehört augenblicklich mein Mitgefühl: Weihnachtsmann, Nikolaus … Wer soll eigentlich noch durchblicken, seit die Weihnachts-Trucks eines amerikanischen Limonaden-Konzerns bis in die deutsche Provinz vorgedrungen sind? An deren Steuer sitzt bekanntlich ein waschechter Weihnachtsmann, der allerdings "Santa" heißt und deswegen ein Stück weit auch der heilige Nikolaus ist. Oder umgekehrt?
Vermessen wäre es jedenfalls, Coca-Cola die Schuld an jener ikonografischen Konfusion in die Schuhe schieben zu wollen. Heimische Schokoladenfiguren-Hersteller haben nicht minder dazu beigetragen, genau wie der heute beinahe vergessene Richard Dehmel. In dessen Adventsgedicht "Der Esel" (bekannt auch unter dem Titel "Der liebe Weihnachtsmann" geht gelinde gesagt einiges durcheinander. Glaubt man den Versen, ist der Nikolaus nichts anderes als das bessere Ich von Knecht Ruprecht. Wo der nun so plötzlich herkommt? "Island, Island", echot der Verstext. "Drum ist sein Bart so weiß."
Ein Fünfjähriger hält diese Herleitung für absolut logisch. Historisch gesehen ist sie vollkommener Quatsch. Denn ungeachtet der pelzbesetzten Zipfelmütze (nachweislich ein Accessoire aus der Wikingerzeit) ist Nikolaus kein nordischer Seefahrer gewesen, sondern ein Bischof aus der heutigen Provinz Antalya. Was das angeht, lobe ich mir die stets auf Wahrhaftigkeit bedachte katholische Kirche: In Landstrichen, die in ihrem Einflussbereich liegen, schickt man den Nikolaus nach wie vor mit Mitra und Stab zur Bescherung! Aber Hand aufs Herz: Ist so ein Rauschebart im Webpelz nicht allemal nahbarer als ein gestrenger Kleriker?