Von Jens Jürgen Potschka

Wenn die Welt kurz innehält

von Jens Potschka | 22.12.2025

Seit vielen Jahren begeistert die Kolumne "Moin Cuxhaven" die Leserinnen und Leser der Cuxhavener Nachrichten. Inzwischen sorgt die Rubrik auch auf cnv-medien.de für Unterhaltung und Information. Heute: Der "Heiligabendmoment".

Es gibt Momente im Jahr, die sind wie eine kleine Auszeit von uns selbst. Weihnachten, zum Beispiel. Ein Fest, das wir so sehr überhöht haben, dass es sich längst wundert, was wir alles in es hineinpacken: Erwartungen, glänzende Papierträume, Gefühle, die sich gefälligst einstellen sollen wie ein bestellter Paketdienst.

Wenn ich dieser Tage über den Weihnachtsmarkt am Schloss Ritzebüttel gehe, spüre ich diesen Zwiespalt: Wir hängen an die Äste, was das Sortiment hergibt, füllen die Einkaufstüten bis zum Rand. Und dennoch bleibt es in uns oft erstaunlich kühl. Wir steigern das Äußere, während das Innere leiser wird.

Ein alter Reflex aus Kindertagen

Und doch, hinter all dem Glanz, der uns manchmal blendet, liegt etwas ganz Zartes. Etwas, das wir beinahe übersehen hätten, wenn nicht ein alter Reflex aus Kindertagen uns daran erinnert hätte. Ich meine diesen Heiligabendmoment, kurz nach dem Glöckchen. Die Stube dunkel, die Tür einen Spalt offen, und dann dieses Licht, das sich langsam über die eigenen Augen legt, als wolle es sagen: "Beruhige dich. Für einen Augenblick reicht die Welt so, wie sie ist."

Das ist der Punkt, an dem Weihnachten uns wieder einfängt. Nicht mit großen Wahrheiten, sondern mit kleinen Wahrnehmungen: einem Atemzug, einer Stimme, die leiser spricht als sonst, dem Lichterbaum, der uns nicht anstrahlt, sondern uns tatsächlich ansieht.

Für einen Moment unbewaffnet zeigen

Wir stehen dann da, Erwachsene, die sich Mühe geben, vernünftig zu bleiben. Und wir spüren ein kaum erklärbares Ziehen. Ein Wiedererkennen. Eine Art freundlicher Erinnerung daran, dass Freude nicht verordnet wird, sondern entsteht, wenn wir uns für einen Moment unbewaffnet zeigen.

Vielleicht ist das die eigentliche Weihnachtsfreude: nicht das perfekte Bild, sondern die Ahnung eines Gefühls, das wir einmal kannten, als die Welt noch klein war und dennoch groß genug, um uns zu tragen. Und wenn wir Glück haben, hält dieser Moment einen Atemzug länger an, als wir es erwartet hätten.

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