Bei den Sechs- bis Zehnjährigen leidet rund jedes sechste Kind unter Sprachdefiziten. Foto: Frank Hammerschmidt/dpa
Bei den Sechs- bis Zehnjährigen leidet rund jedes sechste Kind unter Sprachdefiziten. Foto: Frank Hammerschmidt/dpa
Lebenslange Folgen

Sprachstörungen bei Kindern im Kreis Cuxhaven nehmen stark zu: Was Eltern tun können

von Denice May | 09.10.2025

Die Zahl der Kinder mit Sprach- und Sprechstörungen im Kreis Cuxhaven steigt alarmierend. Eltern stehen vor Herausforderungen, um die sprachliche Entwicklung ihrer Kinder zu fördern. Einfache Maßnahmen können helfen, die Situation zu verbessern.

Sprach- und Sprechstörungen bei Kindern nehmen deutlich zu - das zeigt eine aktuelle Analyse der Krankenkasse KKH. Zwischen 2008 und 2023 ist die Zahl der Sechs- bis 18-Jährigen mit entsprechenden Diagnosen um rund 77 Prozent gestiegen. Besonders häufig treten Sprachdefizite bei den Sechs- bis Zehnjährigen auf: Rund jedes sechste Kind kämpfte mit Problemen bei der Laut- und Satzbildung, begrenztem Wortschatz oder grammatikalischen Schwächen. Wie stellt sich die Situation im Kreis Cuxhaven dar?

Sprach- oder Sprechstörung - wo liegt der Unterschied?

"Bei einer Sprechstörung geht es um die motorische Ausführung des Sprechens - also um die Koordination von Muskeln und Nerven", erklärt Bianca Braas, Logopädin aus Otterndorf. "Eine Sprachstörung betrifft dagegen die gedankliche Erzeugung von Sprache: das Verständnis, den Wortschatz und den Satzbau." Ein klassisches Beispiel für eine Sprechstörung sei das Lispeln. Sprachstörungen hingegen seien "Fundamentprobleme", weil sie die Basis des Lernens und der Kommunikation betreffen.

Der frühe Medienkonsum kann zu Sprachdefiziten führen: Medienexperten empfehlen den Smartphone-Einstieg frühestens mit elf bis zwölf Jahren. Foto: Mascha Brichta/dpa

Ursachen und Risikofaktoren

Die Gründe für sprachliche Defizite sind vielfältig. Hörminderungen oder auch emotionale Belastungen - etwa durch einen Schicksalsschlag - können eine Rolle spielen. "Es kann auch Veranlagung sein", sagt Bianca Braas. 

Doch nicht nur medizinische Ursachen sind entscheidend: Auch der Medienkonsum hat großen Einfluss. "Medien werden viel zu viel genutzt", warnt die Logopädin. Wer viel Zeit mit dem Smartphone verbringt, sammle weniger Spracherfahrungen. "Weder Wortschatz noch Grammatik werden so erweitert - und das freie Sprechen wird kaum geübt."

Früh mit dem Sprechen anfangen

Damit Kinder Sprache entwickeln, brauchen sie altersgerechte Reize: Gespräche, gemeinsames Singen, das Vorlesen von Geschichten. "Eltern sollten schon früh anfangen, mit ihren Kindern zu sprechen", betont Bianca Braas. "Das beginnt schon mit Gestik und Mimik." Ein häufiger Fehler sei, dass Eltern das Smartphone ständig vor das Kind halten, um Fotos oder Videos zu machen. "So verdecken sie ihr eigenes Gesicht - dabei lernen Kinder Mimik und Gestik durch direkten Blickkontakt", erklärt Bianca Braas. "Kommunikation funktioniert über Blick, Ausdruck und Reaktion - und das fehlt, wenn immer ein Display dazwischen ist."

Woran Eltern Sprachprobleme erkennen können

"Mit etwa zwei Jahren erleben Kinder einen richtigen Wortschatz-Sprint - sie lernen rund sechs bis acht Wörter am Tag", erklärt die Otterndorfer Logopädin. "Zwischen zweieinhalb und drei Jahren beginnen sie, Zwei-Wort-Sätze zu bilden." Bleibt diese Entwicklung aus, sprechen Fachleute von sogenannten "Late Talkern" - Kindern, die spät anfangen zu sprechen. "Auch diese Fälle nehmen zu", so Britta Braas. Auch wenn Laute dauerhaft nicht richtig ausgesprochen werden, sei das ein Warnsignal.

Bianca Braas, Logopädin aus Otterndorf.

Folgen für Schule und Sozialleben

Die Folgen fehlender Sprachkompetenz können gravierend sein: "Ist die Sprache schlecht, ist die Schule schlecht", bringt es Bianca Braas auf den Punkt. "Wer keinen Wortschatz hat, versteht den Unterricht nicht und könnte später Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche oder Jobsuche bekommen." Auch das Sozialleben leidet: "Wir sind soziale Wesen und teilen uns mit. Wenn wir das nicht können, werden wir ausgeschlossen."

Was Eltern tun können

Die gute Nachricht: Eltern können viel zur Sprachentwicklung beitragen. "Das Wichtigste ist: Handy weglegen und mit den Kindern reden", rät die Logopädin. "Vorlesen, Wimmelbilder anschauen, Fragen stellen, Geschichten erzählen, gemeinsam spielen - all das fördert das Sprachgefühl."

Ebenso wichtig sei Bewegung und gemeinsames Erleben in der Natur: "Gehen Sie mit Ihren Kindern raus - nehmen Sie gemeinsam wahr, hören, sehen, fühlen Sie. Das schärft die Sinne und fördert die sprachliche Wahrnehmung", sagt die Logopädin. Auch Hörspiele können sinnvoll sein - etwa mit einer Toniebox, wenn die Eltern im Anschluss mit dem Kind über die Geschichte sprechen. Spiele wie Memory, Würfelspiele oder das Benennen von Farben und Zahlen unterstützen zusätzlich das Sprachverständnis und den Lauterwerb.

"Es ist nie zu spät, aufzuholen", betont Bianca Braas. "Auch ältere Kinder - und sogar Erwachsene - können Sprache noch verbessern."

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Denice May

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

dmay@no-spamcuxonline.de

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