
Die fulminante Sammlung des MgK Otterndorf steht im Fokus des Jubiläums
Pünktlich zum 50. Geburtstag des MgK präsentiert der neue Direktor der Otterndorfer Institution Wilko Austermann seine erste für das Museum kuratierte Ausstellung. Redakteur Jens Potschka sprach mit ihm über die Konzeption und über Zukunftsvisionen.
Am Sonnabend, 20 Juli, wird die Jubiläumsausstellung "50 Jahre Museum gegenstandsfreier Kunst Otterndorf: Sieben explorative Perspektiven auf die Sammlung" um 15 Uhr eröffnet. Wie sind Sie als neuer Museumsdirektor des MgK an diese Mammutaufgabe herangegangen, denn immerhin ist diese große Schau die erste vollständig von ihnen kuratierte Ausstellung als verantwortlicher Leiter der umfangreichen Sammlung?
Mir ist es wichtig, dieses besondere Jubiläum angemessen zu feiern. Das Museum ist eines der ältesten Museen mit diesem besonderen Schwerpunkt auf die gegenstandsfreie Kunst. Die sieben Künstlerinnen und Künstler kommen aus verschiedenen Regionen in Deutschland und haben ein qualitatives eigenständiges Werk geschaffen. Die hiesige fulminante Sammlung steht im Fokus und wird individuell künstlerisch inszeniert. In der Auswahl der Kunstschaffenden entstehen zudem weitere spannende Dialoge.
Die Konzeption dieser Ausstellung musste aufgrund der kurzen Zeit schnell erfolgen und ich konnte direkt auf mein Netzwerk zurückgreifen. Als Kurator ist es essenziell, viele Ausstellungen zu besuchen und den Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern in ihren Ateliers zu pflegen. Solche Begegnungen führen zu Projekten wie dieser besonderen Zusammenstellung, die das Potenzial der gegenstandsfreien Kunst eindrucksvoll zur Geltung bringt.
Die Ausstellungsbesucher haben Gelegenheit, die von Ihnen ausgewählten Exponate nicht nur im Museum selbst, sondern auch an anderen Orten zu besuchen. Was hat Sie dazu bewogen, die Jubiläumsschau gleich an mehreren Orten zu realisieren, und nach welchen Kriterien sind sie dabei vorgegangen?
Das heutige Museum begann 1974 mit der ersten öffentlichen Ausstellung im historischen Torhaus. 1985 zog das Museum in die sanierte Stadtscheune und seit 2007 sind wir in der Marktstraße 10. Erstmals wird in dieser Jubiläumsschau die umfassende Historie mit Material aus dem Archiv veranschaulicht. Die Galerie in der Stadtscheune liegt in unmittelbarer Nähe des MgK, und entlang der drei Orte sind Skulpturen von Künstlern platziert, die im Laufe der letzten 50 Jahre im inhaltlichen Rahmen des Hauses entstanden sind. Diese Werke sind neben unserer Sammlung ein weiterer Schatz der Stadt Otterndorf.
Ein neuer Kunstrundgang ist entstanden, den man mithilfe einer informativen Broschüre entdecken kann. So lassen sich die Skulpturen während eines gemütlichen Spaziergangs durch die Stadt Otterndorf erkunden. Die Einbeziehung mehrerer Orte macht die Geschichte der Institution erlebbar und greifbar. Aktuell gibt es sieben Skulpturen von männlichen Künstlern.
Es gibt jedoch auch großartige Kunst von Künstlerinnen und ich hoffe, dass wir diese Kunstlandschaft in der Zukunft durch geschickt positionierte Skulpturen von Bildhauerinnen bereichern können. Diese würden die aktuellen Kulturorte noch stärker miteinander vernetzen und eine zusätzliche Ebene der Kunstvermittlung eröffnen.
Ihre Leitungsstelle als MgK-Direktor in Otterndorf haben Sie am 18. März offiziell angetreten. Was reizt sie an der neuen Aufgabe "auf dem Lande", nachdem Sie, wie ich weiß in Düsseldorf und Rom Kunstgeschichte studiert und danach eher in größeren Städten Ausstellungen, Kunst- und Kunstvermittlungsprojekte auf die Beine gestellt haben?
Mich reizen vor allem die beeindruckende Sammlung und die Ausstellungshistorie in Verbindung zu dieser schönen Region. Aufgewachsen bin ich im ländlich geprägten Kreis Lippe, was ein Vorteil für meine Arbeit hier sein kann. Die Vermittlung dieser Kunstform mit einem spannenden, zeitgemäßen und internationalen Ausstellungsprogramm ist mir wichtig. Sehr gerne möchte ich im Laufe der nächsten Jahre ein attraktives Programm für verschiedene Zielgruppen konzipieren.
Haben sie schon einen Lieblingsort in Otterdorf oder Cuxhaven - ich hörte, sie haben sich an unserer Küste schon einen Kleingarten zugelegt?
Es gibt so viele schöne Orte, da fällt es mir schwer sich für einen zu entscheiden. Ja, das stimmt. Kaum in Cuxhaven angekommen, konnte ich einen Kleingarten übernehmen - ein echtes Glück!
Besonders mag ich den Blick von der Schleuse in Otterndorf auf die Elbe und natürlich die wunderschönen Sonnenuntergänge in Cuxhaven am Strand. Die gemütlichen Fischrestaurants im Landkreis sind selbstverständlich auch reizvoll für den Gaumen.
Wo haben Sie Ihre Wurzeln und wann haben Sie für sich erkannt, dass das weite Feld der Kunst für sie berufliche Perspektiven bereithält?
Aufgewachsen bin ich auf einem kleinen Dorf bei Detmold. Mein Interesse für Kunst hat sich sehr früh bei eigenständigen Reisen in den Schulferien entwickelt. Besonders beeindruckt hat mich damals 2006 eine Ausstellung von Gregor Schneider in Düsseldorf, die meine Neugierde für zeitgenössische Kunst geweckt hat. Im gleichen Jahr machte ich schon mein erstes Schulpraktikum im Lippischen Landesmuseum. Dies prägte früh meinen Wunsch, Ausstellungen in Museen organisieren zu wollen.
Als junger Mann Jahrgang 1990 sind Sie natürlich auch mit dem Einfluss des Digitalen auf die Kunstproduktion vertraut. Werden die digitalen Medien beziehungsweise die viel zitierte "Künstliche Intelligenz (KI)" bei zukünftigen Projekten im Museum gegenstandsfreier Kunst eine größere Rolle spielen?
Das Digitale betrifft und beeinflusst uns alle. Spannend finde ich, wie durch neue digitale Tools eine neue gegenstandsfreie Formensprache entstehen kann. Das ist die Kunst, die die heutige Zeit repräsentiert und Kunstgeschichte schreiben kann. Dabei ist es essentiell, nicht die individuelle künstlerische Handschrift zu verlieren.
Sehr gerne möchte ich Synergien schaffen, denn wir können von den Kunstschaffenden, neben der ästhetischen Erfahrung, viel lernen. Die kreative Arbeit mit einer KI oder einem 3-D Drucker nimmt zu und kann neben der Kunst auch viele Dinge im Alltag oder in der Verwaltung im Landkreis bereichern.
Wie kann so eine "Verschmelzung" der Genres funktionieren, ohne das bisherige Profil des MgK zu vernachlässigen?
Das Profil des Museums bleibt natürlich auf dem Fokus der gegenstandsfreien Kunst. Der Schwerpunkt der Sammlung konzentriert sich verstärkt auf Positionen, in denen der benannte digitale Einfluss sichtbar wird. In der Sammlung gibt es auch tolle Anknüpfungskunstwerke.
Es gibt bei vielen Menschen immer noch gewisse Hemmschwellen, wenn es darum geht, sich mit der gegenstandsfreien Kunst im MgK zu beschäftigen. Sehen Sie Chancen, diese Berührungsängste abzubauen und auch die jüngere Generation mit ins MgK-Boot zu holen?
Es ist mir ein Anliegen, die Barrieren und Ängste im Umgang mit dieser Kunstform abzubauen, denn der Fokus auf Freiheit und Intuition ist besonders spannend. In der Kindheit wird oft ein Druck ausgeübt, richtig zu zeichnen, was die Freude am freien Umgang mit Farben mindern kann. Das oft negativ bewertete "Krickel Krakel" von Kindern ist in ähnlicher Form bei uns im Museum zu finden und wird wertgeschätzt. Es ist mir wichtig, ein vielfältiges Programm für unterschiedliche Zielgruppen zu entwickeln. Dazu gehören Veranstaltungen, die das Museum öffnen. Zentral ist ein freundliches, einladendes Haus mit einem Kunstvermittlungsangebot, das zugänglich ist und die Freude an der Kunst weckt.
Erstmalig ist der Eintritt für die Jubiläumsausstellung frei. Damit hoffen wir, eine weitere Barriere zu brechen und noch mehr Menschen, insbesondere auch die jüngere Generation, für unser Museum zu begeistern.
Wie ist Ihre Position zum Thema Kunstvermittlung - lassen sich über diesen Weg neue Besuchergruppen erschließen?
Ich halte es für äußerst wichtig, ein attraktives Programm zur Kunstvermittlung anzubieten, das wir mit unserem begrenzten Personal stemmen können. Über kulturelle Angebote lassen sich nicht nur kulturelle Genüsse erleben, sondern auch spannende Menschen kennenlernen. Besonders diese Kunstform bietet eine Vielfalt an Themen und Anlässen für interessante und unterschiedliche Gespräche. Da sie nichts Figuratives darstellt, mag sie auf den ersten Blick fremd erscheinen, doch bei genauer Betrachtung können sich daraus wunderbare Unterhaltungen und Erfahrungen ergeben.
In unmittelbarer Nähe des MgK befindet sich das vom Landkreis betriebene Kranichhaus, das sich auf ältere regionale Objekte spezialisiert hat - eine wertvolle Ergänzung. Für die Zukunft wären gemeinsame Angebote, die Vergangenes mit Gegenwärtigem verknüpfen, äußerst bereichernd.
Apropos: Wie kann die von Ihnen anvisierte Kunstvermittlung über Otterndorf in den großen Landkreis Cuxhaven ausstrahlen?
Ich möchte die Kunstvermittlung über Otterndorf hinaus in den gesamten Landkreis Cuxhaven ausdehnen. Mein Ziel ist es, Schulen aus abgelegenen Regionen des Landkreises einzubeziehen und gleichzeitig eine engere Vernetzung mit den kulturellen "Leuchttürmen" der Region zu fördern. Dies könnte durch Ausstellungen oder skulpturale Installationen realisiert werden.
Herr Austermann, ich danke Ihnen für das Gespräch!
