
Größter Seeadler der Welt im Kreis Cuxhaven auf Hühnerjagd
Ein besonders großer Vogel sorgt derzeit für Aufsehen im Kreis Cuxhaven: In Neuenkirchen ist ein Riesenseeadler mehrfach entdeckt worden. Bei der Art handelt es sich um den weltweit größten Adler. Was macht das Tier im Cuxland?
"Ich dachte, dass das ein Storch ist", sagt Sebastian Rautenberg. Ein Irrtum: "Der hob ab, hatte eines meiner Hühner in den Krallen und flog dann fünf Meter über meinem Kopf davon", sagt der Neuenkirchener. Ein Storch? Nein, ein Riesenseeadler...
Woher der fliegende Neubürger kommt? Auch bei Fachleuten herrscht Rätselraten. Möglicherweise ist er aus einer Falknerei entwischt - doch dafür gibt es noch keine Hinweise - oder er hat sich verflogen: Der größte Adler der Welt - er verfügt über eine Flügelspannweite von rund 2,80 Metern und ein Gewicht von bis zu neun Kilogramm - hat seinen Lebensraum eigentlich eher an der russischen Pazifikküste und in Japan.
Betreiber von "Tamms's Gasthaus" ist erstaunt
Sebastian Rautenberg ist Gastronom und betreibt in Neuenkirchen "Tamm's Gasthaus". Als er vor wenigen Tagen aus dem Fenster auf die Wiesen hinter seinem Betrieb schaute, wurde er "stutzig". Rautenberg: "Ich dachte im ersten Augenblick: Was ist das denn für ein Vogel?"
Der Neuenkirchener näherte sich dem Tier, das sich auf seinem Grundstück bewegte, bevor es plötzlich startete und abhob. Und Rautenberg war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, dass es kein Storch war, denn der gefleckte Vogel mit seinen mächtigen Flügeln hatte sich eines der Hühner gekrallt, die frei auf dem Außengelände herumlaufen. Später wurde es dann auf dem Grundstück eines Nachbarn entdeckt. Tot - und mit deutlichen Fresspuren: "Das Huhn hatte er schon angeknabbert, aber ist dann verschwunden."
Riesenseeadler sitzt in Baumkrone in Neuenkirchen
Doch er wurde letzten Endes nur einen Steinwurf vom "Tatort" entfernt entdeckt: In einer Baumkrone in der Nähe des Feuerwehrhauses. Dass inzwischen unten etliche Einwohner den Gast aus dem Nirgendwo betrachteten, störte ihn nicht: "Der blieb ganz ruhig auf seinem Ast sitzen."
Martin Behrmann ist Vorsitzender des Hadler Naturschutzbundes (NABU), wohnt selbst in Neuenkirchen und hat natürlich den Trubel rund um den gefiederten Neubürger mitbekommen. Dass er in aller Seelenruhe in der Baumkrone saß, überrascht ihn nicht: "In der freien Wildbahn hat er ja keine natürlichen Feinde."
Riesenseeadler hat schwarz-weißes Gefieder
Doch Riesenseeadler sind dennoch im Bestand gefährdet. Fachleute schätzen, dass es weltweit nur noch weniger als 5000 geschlechtsreife Tiere gibt und die Zahl weiter abnimmt. Als Grund hierfür nennen sie insbesondere die Zerstörung seines Lebensraumes - zum Beispiel durch den Bau von Wasserkraftwerken, die Ölindustrie sowie die Abholzung von Wäldern, die Brutgebiete sind.

Der Riesenseeadler ernährt sich vorwiegend von Fischen, Seevögeln und Aas. Gelegentlich jagt er - und das erlebt man zurzeit in Neuenkirchen auch - Hühnervögel. Der größte Seeadler seiner Gattung ist nicht nur angesichts seiner Flügelspannweite auffällig, sondern auch durch sein schwarz-weißes Gefieder sowie den großen orangegelben Schnabel.
Falkner haben sich noch nicht gemeldet
Martin Behrmann und andere Hobby-Ornithologen rätseln über die Herkunft des größten Adlers der Welt im beschaulichen Neuenkirchen. In Online-Foren sei nichts zu finden über einen aus einer Falknerei ausgebüxten Riesenseeadler. Das Tier trage nach den bisherigen Erkenntnissen auch keinen Ring, der möglicherweise Rückschlüsse bringen könnte: "Das ist alles schon sehr ungewöhnlich", sagt der NABU-Sprecher, der eigentlich nicht glauben kann, dass sich der Adler aus seinem ursprünglichen Lebensraum bis in den Norden Niedersachsens verflogen haben könnte.
Aber wer weiß? Es seien auch schon Steinadler im Ahlenmoor oder Gleitaare am Balksee gesichtet worden. "Ornithologen sind in dieser Region gut vernetzt" sagt Behrmann, der auf diese Weise auch erfahren hat, dass der Riesenseeadler offensichtlich schon Abstecher nach Wanna, Cappel und Spieka unternommen hat. Dort sei er ebenfalls gesichtet worden.
Allerdings zieht es ihn wohl gerne in seine neue Wahlheimat Neuenkirchen zurück. Behrmann: "Am Montag kam er noch einmal nach Neuenkirchen zurück und holte sich ein Huhn." Wohl bekomm's"...
Fluchtversuch von Riesenseeadler "Grobi" scheiterte (dpa)
Ein aus dem Bergischen Land aus einer Falknerei entflogener Riesenseeadler, der "Grobi" genannt wurde, sorgte vor zwei Jahren bundesweit für Schlagzeilen. Nach einem rund 1000 Kilometer weiten Flug nach Ungarn kehrte er letzten Endes per Straßentransport zurück.
Die Odyssee des damals sechs Jahre alten Adlers hatte begonnen, als er aus der Falknerei entwischte und nicht mehr zurückkehrte. Als Grund wurde vermutet, dass das Tier von Krähen angegriffen worden war und sich davon gemacht hatte. Unterwegs soll "Grobi" seinen Sender, den er um ein Bein getragen hatte, abgebissen haben. Dann verlor sich seine Spur.
Er war zunächst in Österreich gesichtet worden. Anschließend entdeckten ihn Ranger im ungarischen Nationalpark Örség. Sie lockten das ausgehungerte Tier mit einer Hühnermahlzeit. Im Budapester Zoo wurde er bis zu seinem Rücktransport betreut.
Mitarbeiter einer Fachfirma übergaben das Tier in der Transportkiste an einem Treffpunkt an der Autobahn der Falknerei. Den Namen "Grobi" hatte ihm übrigens ein Auszubildender der Falknerei verpasst: Als Jungvogel habe er mit seinen Federbüscheln auf dem Kopf "Grobi" aus der Sesamstraße geähnelt.