Wenn Rollator auf Treppe trifft: Der Kreis Cuxhaven braucht mehr Seniorenwohnungen. Aber die Politik muss es wollen: CDU und SPD im Landkreis Cuxhaven sollen dieses „SOS-Notsignal fürs Wohnen“ jetzt nach Berlin funken. Foto: Nils F. Hillebrand
Wenn Rollator auf Treppe trifft: Der Kreis Cuxhaven braucht mehr Seniorenwohnungen. Aber die Politik muss es wollen: CDU und SPD im Landkreis Cuxhaven sollen dieses „SOS-Notsignal fürs Wohnen“ jetzt nach Berlin funken. Foto: Nils F. Hillebrand
Untersuchung

Senioren-Wohnen: Droht die "graue Wohnungsnot" im Landkreis Cuxhaven?

von Redaktion | 04.04.2025

Der Landkreis Cuxhaven kommt in die Jahre - und ist auf das Wohnen der älteren Menschen nicht vorbereitet: Die Baby-Boomer gehen bis 2035 in Rente. Dann werden im Landkreis Cuxhaven 7300 Menschen mehr im Ruhestand sein als heute - rund 56.700.

Das geht aus einer Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen hervor, die das Pestel-Institut gemacht hat. Die Wissenschaftler warnen: "Der Wohnungsmarkt im Kreis Cuxhaven ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen", sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen. "Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Oder anders gesagt: Der Kreis Cuxhaven rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu", so Günther.

Landkreis Cuxhaven braucht in 20 Jahren für rund 11.500 Seniorenhaushalte Wohnungen

Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu Zahlen: So gibt es aktuell rund 95.400 Haushalte im Landkreis Cuxhaven. In 39 Prozent davon leben Senioren. "Bereits heute braucht der Kreis Cuxhaven rund 8500 Wohnungen für die älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch diese Seniorenwohnungen gibt der Wohnungsmarkt im Kreis Cuxhaven bei weitem nicht her", sagt Günther. Und für 2045 ermittelt die Untersuchung bei den benötigten Seniorenwohnungen sogar einen deutlichen Anstieg: So wird der Landkreis Cuxhaven in 20 Jahren für rund 11.500 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen, die zum Leben im Alter passen.

Eigentlich sei der Bedarf sogar noch höher, so das Pestel-Institut. "Denn ein Großteil der altersgerechten Wohnungen wird noch nicht einmal von Älteren bewohnt. Oft nutzen nämlich auch Familien den Komfort einer Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen. Denn wo das Leben mit einem Rollator klappt, da kommt man auch mit einem Kinderwagen klar", so Günther.

Sanierungsoffensive ist erforderlich

Neben dem Neubau sei deshalb vor allem eine Sanierungsoffensive notwendig, um für mehr seniorengerechte Wohnungen im Kreis Cuxhaven zu sorgen. "Doch die ist bislang nicht in Sicht: Das Fatale ist, dass wir dazu politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben. Statt mit einem effektiven Programm fürs Senioren-Wohnen das Problem anzupacken, hat vor allem der Bund den Kopf in den Sand gesteckt und die graue Wohnungsnot seit Jahren ignoriert", sagt Günther.

Das müsse sich dringend ändern, fordert Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. An die Adresse der Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD aus Niedersachsen richtet Katharina Metzger einen eindringlichen Appell: "Das Wohnen muss bei den Koalitionsverhandlungen ein absoluter Schwerpunkt sein. Der Wohnungsbau braucht einen gewaltigen Schub. Es ist wichtig, dass die CDU und die SPD im Kreis Cuxhaven dieses 'SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ nach Berlin funken."

Wohnungsbau als Motor für die Binnenkonjunktur
Eine künftige schwarz-rote Bundesregierung müsse den Wohnungsbau als Motor für die Binnenkonjunktur entdecken und nutzen: "Es geht um mehr Seniorenwohnungen, die durch Neubau und Sanierung entstehen müssen - auch im Kreis Cuxhaven. Außerdem um mehr bezahlbare Wohnungen und um mehr Sozialwohnungen", so Metzger.

"Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert"

Die neue Bundesregierung müsse die Brisanz, die die Wohnungsnot habe, dringend erkennen: "Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert. Wer eine horrende Miete zahlen muss oder erst gar keine Wohnung findet, die er noch irgendwie bezahlen kann, bei dem wächst Frust. Das alles ist sozialer und letztlich auch demokratischer Sprengstoff", warnt Metzer.

Der Bund habe den Neubau von Wohnungen zu wenig und außerdem auch noch falsch gefördert: "Statt wenige Gebäude mit übertriebener Klimaschutztechnik zu fördern, muss der Bund künftig deutlich mehr Geld für mehr Wohnungen in die Hand nehmen, die dann auch barrierearm sein müssen. Was er bislang in das Senioren-Wohnen investiert hat, ist nicht mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein", so Metzger.

"Wenn sich die Wohnungsbau-Krise weiter zuspitzt, wird das auch im Kreis Cuxhaven einen erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen auf dem Bau bedeuten. Dabei geht es um die Jobs von Bauarbeitern, die im Kreis Cuxhaven dringend gebraucht werden - für den Neubau und für das Sanieren von Wohnungen", sagt Günther.

Sanierungsoffensive für mehr altengerechte Wohnungen
Der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts hat bei einer Sanierungsoffensive für mehr altengerechte Wohnungen vor allem auch die rund 24.300 Haushalte im Landkreis Cuxhaven im Blick, wo Senioren in den eigenen vier Wänden wohnen: "Ob Eigenheim, Reihenhaus oder Eigentumswohnung - es ist wichtig, älteren Menschen für ihr Wohneigentum rechtzeitig einen Anreiz zu geben, ihr eigenes Zuhause seniorengerecht umzubauen. Dabei ist das Bad das A und O." Das Wichtigste seien große Bäder mit einer Dusche ohne Schwellen und Stufen. Bei Senioren, die zur Miete wohnen, warnt das Pestel-Institut vor Altersarmut. "Bei vielen Baby-Boomern gab es immer wieder Phasen von Arbeitslosigkeit. Außerdem waren die geburtenstarken Jahrgänge die, die oft zum Niedriglohn gearbeitet haben. Also gehen viele der Baby-Boomer mit einer eher kleinen Rente nach Hause. Ihre Miete können sie sich damit nicht mehr leisten - sie wird zur 'K.o.-Miete‘. In Zukunft werden also deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein", so die Prognose.

Die durchschnittliche Kaltmiete im Landkreis Cuxhaven liegt aktuell bei rund 5,90 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. 63 Prozent der Seniorenhaushalte, die zur Miete wohnen, leben sogar günstiger: Rund 6600 Haushalte im Landkreis Cuxhaven, in denen Ältere leben, zahlen derzeit weniger als die Durchschnittsmiete.

Heimplatz erheblich teurer als altersgerechte Wohnung

"Noch jedenfalls", sagt Ökonom Matthias Günther. Denn das werde sich deutlich ändern, wenn der Staat nicht bereit sei, den Neubau von Seniorenwohnungen und den altersgerechten Umbau bestehender Wohnungen kräftig zu unterstützen. Dabei sei es für die öffentlichen Kassen in der Regel sogar deutlich günstiger, altersgerechten Wohnraum zu schaffen: "Andernfalls sind Ältere nämlich gezwungen, ins Heim zu gehen. Und die Kosten für einen Heimplatz stehen auf Dauer in keinem Verhältnis zu dem, was der Staat investieren müsste, um eine altersgerechte Wohnung zu schaffen", so Günther.

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