Bahn-Chaos mit Applaus - eine Pointe auf Gleis 4
Seit Jahrzehnten begeistert die Kolumne "Moin Cuxhaven" die Leserinnen und Leser der Cuxhavener Nachrichten. Inzwischen sorgt die Rubrik auch auf cnv-medien.de für Unterhaltung und Information. Heute: Ding dong, Zug weg.
Die Anzeige springt das erste Mal fast schüchtern von fünf auf zehn Minuten Verspätung. Ein leichtes Raunen geht über den Bahnsteig, Köpfe heben sich, dann senken sie sich wieder zurück, mit Blick auf ihre Handy-Bildschirme. Als die Zahl im nächsten Moment auf 40 Minuten hochschnellt, bleibt der Reflex aufs Handy aus. Stattdessen schauen die Leute sich an: Ungläubiges Stirnrunzeln trifft routiniertes Augenrollen - man erkennt einander als Mitwissende. Dann das "Ding dong", das alles einfriert. Der Bahnsteig wird schlagartig still. Schritte verstummen, Taschen bleiben halb über der Schulter hängen, sogar Kinder werden kurz ruhig. Die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher setzt an: Der Zug, der seine Fahrt hier beginnen sollte, wird nicht mehr kommen. Einen Moment lang ist nur Wind und Oberleitungssummen zu hören. Und dann bricht es los: kollektives, lautes Auflachen, das sich über Gleis 4 legt wie Stadionjubel. Man einigt sich heute darauf, sich über herrlich konsequente Inkonsequenz zu amüsieren. Als sich die Menge in Richtung Café und Wartehalle aufteilt, denke ich an das Moin von vor einigen Wochen, in dem mein Kollege Frank Lütt schon auf die neue Hoffnungsträgerin an der DB-Spitze zu sprechen kam. Evelyn Palla hat angekündigt, den Konzern "auf links zu drehen". Wenn das hier der Probelauf ist, dann übernehmen wir auf Gleis 4 gern die Rolle des gut gelaunten Publikums.