Die Brille des Anderen
In einer Welt voller individueller Perspektiven trägt jeder seine eigene Brille. Doch was passiert, wenn wir aufhören, uns gegenseitig zu verstehen? Unser "Moin Cuxhaven" erkundet die Kunst des Loslassens und den stillen Respekt vor dem Anderen.
Es gibt diesen Moment, an dem man begreift: Die Welt, die wir sehen, ist nicht die Welt - sondern nur unsere Version davon. Jeder trägt seine eigene Brille. Mal klar geschliffen, mal bunt getönt, mal so verkratzt, dass kein Lichtstrahl ungebrochen hindurchkommt.
Lange habe ich versucht, anderen meine Sicht zu erklären. Mit Worten, mit Beispielen, mit Geduld. Und doch: Manche Gesichter blieben leer, manche Ohren verschlossen. Nicht aus Bosheit, sondern weil ihre innere Landkarte andere Wege kennt. Wer Sandstrände gewohnt ist, versteht den Zauber eines Wattspaziergangs vielleicht nur in der Theorie.
Heute diskutiere ich weniger. Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Einsicht. Es ist nicht jedermanns Aufgabe, mich zu verstehen - und nicht meine, jede Sichtweise zu korrigieren. Manche Begegnungen sind nicht dazu da, Brücken zu schlagen, sondern Lektionen zu lehren: Geduld. Gelassenheit. Die Kunst, loszulassen.
Und so gehe ich weiter. Mit meiner Brille. Und dem stillen Respekt davor, dass die des Anderen ganz anders aussehen mag. Vielleicht ist das der Anfang wahrer Verständigung - nicht im Streit um das Richtige, sondern im Anerkennen des Anderen.