Insel rettet alte Dampflok mit Tau, Teamgeist und Muckis
Mit einem Schiffstau und viel Muskelkraft haben Dutzende Freiwillige auf der Nordseeinsel Wangerooge die alte Inseldampflok «Klärchen» auf eine Reise ans Festland gebracht. «Muskelkater haben wir alle. Aber wir kennen das schon», sagt Guido Tschigor, Bahnmeister beim Deutschen Eisenbahn-Verein in Bruchhausen-Vilsen. Der Verein will die fast 100 Jahre alte Lok, die nach ihrer Außerdienststellung jahrzehntelang als Denkmal vor dem Alten Leuchtturm stand, vor dem Verfall retten und wieder flottmachen. Zuvor hatte die «Nordwest-Zeitung» berichtet.
Für den etwa 400 Meter langen Transport durch das Inseldorf vom bisherigen Standort bis zum Bahnhof packten laut Tschigor Vereinsmitglieder und Insulaner gemeinsam an. Dazu sei ein dickes, 50 Meter langes Schiffstau an der Lok befestigt worden. «Wir machen das mit Muskelkraft», sagt Tschigor. Stück für Stück wurde die 13 Tonnen schwere Lok so auf extra verlegten Schienen Richtung Bahnhof gezogen. Viele Insulaner und Gäste verfolgten die Aktion.
Später soll die Lok mit der Inselbahn zum Hafen gebracht werden. Dort soll «Klärchen» auf ein Frachtschiff kommen und ans Festland reisen. Ein Tieflader soll sie zum Endhaltepunkt bringen: Das Kleinbahn-Museum in Bruchhausen-Vilsen (Landkreis Diepholz), wo die Lok aufgearbeitet werden soll.
Warum die Lok transportiert wird
Betriebswirtschaftlich rechnen würde sich der Transport und der Erhalt kaum, sagt Tschigor. «Das ist eine reine Überzeugungstat.»
Nach Angaben der Deutschen Bahn (DB), die die Inselbahn betreibt, gibt es den Bahnverkehr dort seit 1897. Dafür wurden zuerst Dampflokomotiven eingesetzt. Dampflok «Klärchen» zog von 1929 an Personenwagen im Bäderverkehr. Nach ihrer Ausmusterung erinnerte die schwarze Lok als Denkmal seit 1968 an das Ende des Dampflok-Zeitalters auf der Insel.
Bislang habe sich die Insel nicht von der Lok trennen wollen, sagt Tschigor. Viel Herzblut hänge an dem Wahrzeichen. «Jetzt ist es auch höchste Eisenbahn, dass die Lok gerettet wird, weil die verfällt hier zunehmend. Die Bleche können wir hinterher alle wegschmeißen.» Die salzhaltige Nordseeluft nage an der Lok.
«Wir sind positiv verrückt»
Im September hätten Schlosser des Vereins die Lokomotive wieder rollfähig gemacht, erklärt der Bahnmeister. «Die stand jetzt 58 Jahre auf dem Sockel, also quasi doppelt so lang, wie sie überhaupt hier gefahren ist, und es war nicht klar, ob sich das Fahrwerk überhaupt bewegen lässt», sagt Tschigor. «Aber das haben die Jungs wieder hingekriegt.»
Das Fernziel sei es, dass «Klärchen», einst wohl nach der Ehefrau eines Inselbahn-Chefs benannt, wieder eigenständig unter Dampf fahre. Doch das werde noch dauern, sagt Tschigor. Zwar verfüge der Verein über viel Arbeitskraft und Know-how – doch man sei auf Spenden angewiesen. «Wir sind keine Millionäre, sondern nur sehr positiv verrückt.» Rund eine Million Euro, so schätzt der Verein, könnte die Sanierung der alten Dampflok kosten.