
Wie Menschen ohne Papiere medizinisch behandelt werden
Wer krank ist, bekommt Hilfe in einer Arztpraxis oder in einem Krankenhaus. Doch das gilt längst nicht für alle in der Region – Menschen ohne Wohnung, Arbeit oder Papiere haben oft keine Krankenversicherung, andere können die Beiträge ihrer Krankenversicherung nicht mehr zahlen. Was sie im Krankheitsfall tun können und welche Herausforderungen es gibt.
Wie viele Menschen in der Region haben keine Krankenversicherung?
Es ist schwer zu sagen, wie viele Menschen keine Papiere und damit auch keine Krankenversicherung haben. Nach Schätzungen leben in Deutschland zwischen 50.000 und 1,5 Millionen Menschen ohne gültige Dokumente. Allein in Bremen seien mindestens 4.000 Menschen betroffen. Das ändere sich ständig, heißt es aus dem Bremer Gesundheitsressort.
Welche Möglichkeiten haben Menschen ohne Krankenversicherung, wenn sie medizinische Hilfe brauchen?
Wenn Menschen in Lebensgefahr sind, müssen sie von Ärztinnen und Ärzten versorgt werden - unabhängig von einer Krankenversicherung. Ansonsten behandeln einige Mediziner ehrenamtlich. Es gibt außerdem mehrere Initiativen, die Kranke ohne Versicherung unterstützen. Die Malteser bieten etwa eine Notfallversorgung in Hannover, Osnabrück und Oldenburg an. Manche Angebote richten sich auch direkt an Geflüchtete, wie die Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen.
Bremen geht noch einen Schritt weiter: Seit drei Jahren können sich Menschen dort ohne Papiere und ohne Krankenversicherung medizinisch beraten lassen und werden bei Bedarf weiter überwiesen - zu Facharztpraxen, ins Krankenhaus oder zu Therapeutinnen und Therapeuten. Auch eine Hebammensprechstunde wird angeboten. Der sogenannte Verein zur Förderung der gesundheitlichen und medizinischen Versorgung nichtversicherter und papierloser Menschen in Bremen - kurz MVP - konnte nach eigenen Angaben bisher mehr als 2.100 Kranken helfen. «Es gibt einen hohen Bedarf», berichtet Charlotte Vöhl vom Verein MVP. Es kämen oft mehr Menschen, als versorgt werden könnten.
Warum unterstützt Bremen die medizinische Versorgung für Menschen ohne Papiere?
«Herkunft und soziale Umstände dürfen bei der gesundheitlichen Versorgung keine Rolle spielen, denn gesundheitliche Versorgung ist ein Menschenrecht», betont Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Das Projekt soll weiter gefördert und im kommenden Jahr auf Bremerhaven ausgeweitet werden.
Außerdem versuche der Verein nicht nur, Menschen zu behandeln und zu überweisen, sondern sie doch noch im regulären Gesundheitssystem unterzubringen. Für viele Obdachlose aus Deutschland sowie für manche Bürgerinnen und Bürger aus der Europäischen Union gibt es eine Chance. «Letztendlich trägt es langfristig auch zur Entlastung der Versorgungsstrukturen bei», ist Bernhard überzeugt.
Im Zweifel zieht der Verein vor Gericht und setzt sich dort für die Rechte der Menschen ohne Krankenversicherung ein. Alle Eilanträge seien bisher erfolgreich gewesen, berichtet Holger Dieckmann vom Verein MVP. Denn oft bestehe ein Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung. «Aber die Leute schaffen es selbst nicht, diesen Anspruch zu realisieren und durchzusetzen gegenüber den jeweiligen Behörden.»
Wer zahlt die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung?
Die Kosten einer medizinischen Behandlung müssen von Menschen ohne Krankenversicherung in der Regel selbst getragen werden, wie das niedersächsische Gesundheitsministerium mitteilte. In einigen Fällen - insbesondere bei akuten oder schmerzhaften Krankheiten - sei eine Abrechnung über das Sozialamt möglich. «Menschen ohne Krankenversicherung werden nach den gleichen Kriterien behandelt wie Asylbewerberinnen und Asylbewerber», teilte ein Sprecher des Ministeriums mit.
Anders in Bremen: Dort übernimmt das Gesundheitsressort die Kosten und unterstützt MVP nach eigenen Angaben jährlich mit 1,2 Millionen Euro - viel Geld für das völlig überschuldete Bremen.
Warum ist die medizinische Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung auch wirtschaftlich rentabel?
Fachleute gehen davon aus, dass die medizinische Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung und ohne Papiere das Gesundheitssystem und am Ende auch die Kassen entlastet. «Je früher eine Erkrankung erkannt und behandelt wird, umso besser für die Gesundheit und umso geringer sind die Kosten», sagte MVP-Vorsitzende Vera Bergmeyer. Wenn Krankheiten über Jahre verschleppt werden, müssten die Patienten gegebenenfalls notoperiert oder auf einer Intensivstation behandelt werden - mit enormen Kosten, auf denen oftmals die Krankenhäuser oder die Behörden sitzenblieben.