Das Standbild, 2004 von Frijo Müller-Belecke geschaffen, zur Erinnerung an Carsten Niebuhr vor der Lüdingworther St.-Jacobi-Kirche. Foto: Sammlung Bussler
Das Standbild, 2004 von Frijo Müller-Belecke geschaffen, zur Erinnerung an Carsten Niebuhr vor der Lüdingworther St.-Jacobi-Kirche. Foto: Sammlung Bussler
Straßen nach ihm benannt

Der berühmteste Sohn Lüdingworths: Wie Carsten Niebuhr bekannt wurde

von Ulrich Rohde | 14.01.2025

Er ist der berühmteste Sohn des Cuxhavener Stadtteil Lüdingworths - und doch vielen unbekannt. Ihm wurden Denkmäler und Gedenktafeln gewidmet, Straßen nach ihm benannt. Warum Carsten Niebuhr diese Ehren posthum zuteilwurden, ist für viele ein Rätsel.

Meistens wird der 1815 im Dithmarscher Meldorf gestorbene Gelehrte als Arabienforscher etikettiert, doch dahinter steckt weit mehr als das. Seine Schriften befeuerten die Gelehrtenwelt weit über seinen Tod hinaus. 
Eigentlich war es dem 1733 im Lüdingworther Westerende geborenen Bauernsohn nicht vorbestimmt, dass er einst die arabische und asiatische Welt bereisen würde. Er sollte, wie sein Vater Barthold Niebuhr, Bauer werden. Er besuchte die Altenbrucher und die Otterndorfer Lateinschule, bis sein Vater starb und er mit 16 auf dem Hof seines Onkels in der Heerstraße arbeiten musste. Ein Prozess in Otterndorf um die Aufteilung eines Hofes ließ in ihm den Entschluss reifen, Landmesser zu werden.

Mit 22 Jahren ging Niebuhr nach Hamburg, um auf einem Gymnasium weiterzulernen, studierte anschließend Mathematik und schrieb sich 1757 an der Universität Göttingen ein, um seine Kenntnisse in Mathematik und Feldmessen zu vertiefen. Um das Studium zu finanzieren, trat er in das Hannoversche Ingenieurcorps ein. Hier reifte der Plan für eine Forschungsreise nach Arabien, die von dem dänischen Minister Freiherr von Bernstorff geplant wurde. Weitere Studien in Astronomie folgten, bevor Niebuhr 1760 nach Kopenhagen übersiedelte. Dort wurde er zum Ingenieur-Leutnant ernannt. Als von Bernstorff mit der Zusammenstellung der Reisegruppe begann, war Niebuhr 28 Jahre alt. Er sollte der Expedition als Mathematiker, Astronom und Kartograf angehören. Seine Aufgabe war es Arabien zu beschreiben.

Bildnis Carsten Niebuhrs. Abb.: Galerie Alte Wache

1761 schiffte sich die sechsköpfige Gruppe in Kopenhagen ein. Im Auftrag des dänischen Königs Friedrich V. sollte sie in den Orient segeln und als erste Europäer Arabien erforschen. Fünf Teilnehmer sollten ihre Heimat nicht wiedersehen. Einzig Carsten Niebuhr gelang es sechs Jahre später von der Wissenschaftsexpedition zurückzukehren.

Der Philologe und Kenner der arabischen Sprache Friedrich Christian von Haven, der Naturkundler Petrus Forsskål, der Arzt Christian Carl Cramer, der Kupferstecher und Maler Georg Wilhelm Baurenfeind und ein schwedischer Dragoner namens Berggren, der als Diener die Gruppe begleitete, starben einer nach dem anderen an der damals noch kaum bekannten Malaria.

Von Konstantinopel ging es über Alexandria nach Kairo, das Niebuhr erstmals vermaß. Nach dem Besteigen der Cheops-Pyramide bestimmte Niebuhr die Höhe der beiden großen Pyramiden von Gizeh und kopierte Hieroglyphen.

Fünf Reisegefährten starben an der Malaria

Nach einer Zwischenstation am St.-Katharinenkloster beim Berg Sinai ging es weiter über das Rote Meer bis nach Mokka im Jemen. Tag für Tag bestimmte Niebuhr die Position, vermaß Wegstrecken, skizzierte Pläne und Ansichten von Städten oder kopierte Inschriften. Schon in Kairo mischte er sich unters Volk, verbesserte sein Arabisch, beobachtete Eigenheiten und Bräuche der Einwohner, Historisches und Kuriositäten.

Nachdem der Naturkundler Forsskal auf dem Weg nach Sanaa an der Malaria gestorben war, kehrten die übrigen Expeditionsteilnehmer um und bestiegen in Mokka ein Schiff, das sie nach Indien bringen sollte. Noch während der Überfahrt starben zwei weitere Männer und - 1764 in Bombay angekommen - auch der letzte Reisegefährte Niebuhrs, der Arzt Kramer. Auch der Kartograf war schwer an Malaria erkrankt, aber er überstand die Krankheit.

Die Galerie Alte Wache zeigte in der Stadtbibliothek eine Ausstellung zum 200. Todestag Carsten Niebuhrs mit zahlreichen Originalen.

Er nahm sich vor, über Land die Heimreise anzutreten, nahm ein Schiff nach Oman und machte sich, als Araber gekleidet, auf den Weg in Richtung Europa. Dabei gelangte er auch nach Persepolis, wo er Texte in altpersischer Keilschrift so exakt kopierte, dass sie vier Jahrzehnte später entziffert werden konnte. Nach siebenjähriger Odyssee kehrte Carsten Niehbuhr 1767 nach Kopenhagen zurück.

Wertvolle Erkenntnisse für die Wissenschaft

1772 erschien sein erster Reisebericht unter dem Titel "Beschreibung von Arabien". Zwei Jahre später folgte die reich illustrierte Prachtausgabe "Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern" in drei Bänden. Der letzte Band "Reise nach Syrien und Palästina" erschien erst Jahre nach Niebuhrs Tod 1837 in Hamburg. Darüber hinaus lieferte er die ersten zuverlässigen Karten vom Roten Meer und dem Jemen. Letztere halfen über Generationen bei der Erforschung des Landes. Auch die Kopien von Inschriften in Altarabisch, Hieroglyphen und Keilschrift waren wertvoll für die Wissenschaft. Seine Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Von Niebuhr gefertigte Ansichten von zwei arabischen Städten. Oben Al-Luhayya, unten Bayt al-Faqīh im Westen Jemens. Abb.: Galerie Alte Wache

Zwar wurde Niebuhr mit Ehrungen und Titeln überhäuft. So wurde er Dänischer Etatsrat, Ritter des Danebrogordens vierter Klasse, Mitglied der Göttinger Sozietät der Wissenschaften, Mitglied der Schwedischen und Norwegischen naturforschenden Gesellschaft und auswärtiger Assoziierter des Französischen Nationalinstituts. Dennoch gelang es ihm nur in Teilen, die Anerkennung der Gelehrtenwelt seiner Zeit zu erlangen, da die Arabienexpedition grundlegend als gescheitert betrachtet wurde. Seine Erkenntnisse dienten vielmehr anderen als Grundlage für deren Forschung. Wissenschaftlich trat er nicht mehr in Erscheinung. Der Mathematiker blieb stattdessen im dänischen Militärdienst. Dort stieg er zum Ingenieur-Kapitän auf und lebte in Kopenhagen. Niebuhr heiratete 1773 Catharina Blumenberg, hatte zwei Kinder. 1778 wechselte er in die zivile Verwaltung und wurde zum Wirklichen Justizrat ernannt. Als Landschreiber ließ er sich im Dithmarscher Meldorf nieder.

In Meldorf erwarb er ein ehemaliges Klostergebäude, das er umbaute. Oft besuchte er seinen Neffen, den Otterndorfer Bürgermeister und Hadler Chronisten Heinrich Wilhelm Schmeelke, der mit dem Dichter und Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß eine jahrzehntelange Korrespondenz unterhielt. Im Alter verstärkte sich bei Niebuhr ein in Persepolis zugezogenes Augenleiden. Schließlich erblindete er. Seit einem Sturz im Jahr 1814 war er an seiner Hüfte gelähmt. Am 26. April 1815 starb Niebuhr im Alter von 82 Jahren. Er wurde neben seiner Gattin, die bereits 1807 verstorben war, im Dom zu Meldorf beigesetzt. Eine große Reise hat Carsten Niebuhr nie wieder unternommen.

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