Obwohl Geld im Kreis Cuxhaven da ist: Landärzte im Süd-Cuxland verzweifelt gesucht
Geld ist da. Ärzte, die sich im Kreis Cuxhaven ansiedeln, erhalten 10.000 Euro vom Kreis, im Südkreis, wo Hausärzte besonders rar sind, weitere 60.000 Euro von der Ärztevereinigung. Die Lösung für den Ärztemangel sehen die Politiker aber anderswo.
Schiffdorf liegt am Stadtrand von Bremerhaven und ist ein attraktiver Wohnort. Es liegt nah an der Autobahn, es gibt mehrere Supermärkte im Ort, Schulen, auch das Kreisgymnasium in Bremerhaven-Geestemünde ist nicht weit. Doch was es in dem 3.800-Einwohner-Ort nicht mehr gibt, ist ein Hausarzt. Vor bald eineinhalb Jahren ist der beliebte Hausarzt Georg Reinschüssel plötzlich gestorben. Seither steht die Praxis am Feldkamp leer. Für Bürgermeister Henrik Wärner (CDU) ein Drama. "Die Not hier ist groß. Es gibt viele Schiffdorfer, die noch keinen neuen Hausarzt gefunden haben."
Nur noch zwei Drittel der Hausarzt-Sitze besetzt
Die Kollegen in der Region seien auch überlastet. "Die reißen sich alle ein Bein aus, um möglichst viele Patienten zu versorgen", weiß der Verwaltungschef. Denn der Mangel an Medizinern ist im ganzen Südkreis dramatisch. Immer mehr Hausärzte gehen in den Ruhestand, Nachfolger sind kaum zu finden. Statistisch sind im Südkreis nur noch 69 Prozent der Hausarzt-Sitze besetzt. "Das ist die niedrigste Ärzteversorgung im ganzen Land", gibt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Niedersachsen, Detlef Haffke, zu. In Zahlen heißt das: Es gibt in Schiffdorf, Loxstedt, Beverstedt und Hagen zusammen 24 Hausärzte, aber dort genügend Patienten für 38,5 Hausärzte. Das heißt, ein Drittel - 14,5 Hausärzte - fehlen.
Wenn die Besetzung der Hausarzt-Sitze in einer Region unter 75 Prozent fällt, spricht die KV von Unterversorgung - und wird aktiv. "Wenn sich Hausärzte dort niederlassen, zahlen wir ihnen eine Prämie von 60.000 Euro", so Haffke. Unter bestimmten Bedingungen gebe es zusätzlich noch eine Umsatzgarantie für die ersten beiden Jahre, die Förderung klettere damit auf 75.000 Euro. Man habe im Frühjahr die Stellen ausgeschrieben und hoffe, dass sich darauf jetzt jemand bewerbe, so Haffke.
Kreis gibt 10.000 Euro für jeden neuen Landarzt
Beim Kreis Cuxhaven hat man da offenbar weniger Hoffnung. Im Sozialausschuss haben die Politiker jetzt die kreiseigene Förderung für die Ansiedlung von Ärzten verlängert und ausgeweitet. Nicht nur Allgemeinmediziner, die im Kreis eine Praxis eröffnen, können jetzt mit 10.000 Euro Zuschuss rechnen, sondern auch Fachärzte. "Wir brauchen mehr Ärzte", machte Julia Binkowski, Leiterin des Amtes für strategische Sozialplanung, deutlich.
Immerhin 32 Mediziner hätten die Förderung in den vergangenen sieben Jahren in Anspruch genommen, berichtete sie. Fast alle davon seien bis heute im Kreis tätig. Die Politiker begrüßten die Ausweitung der Förderung auf die Fachärzte. Vor allem Kinder- und Jugendpsychiater fehlten in der Region, waren sich Ulla Bergen (SPD) und Marianne Peus (Grüne) einig.
Trotzdem war allen im Saal klar, dass die Förderung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. "Diese Richtlinie wird uns nicht retten", stellte Sozialdezernent Friedhelm Ottens klar. Der Kreis vertraut in puncto Ärzteversorgung nicht mehr auf die Kräfte des Marktes. Und auch nicht auf die Kassenärztliche Vereinigung, die gesetzlich verpflichtet ist, die Versorgung zu sichern. Stattdessen betreibt er zusammen mit der Gemeinde Wurster Nordseeküste ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Das ist vor eineinhalb Jahren als Pilotprojekt mit Unterstützung des Landes gestartet.
Sind Ärztezentren die Zukunft für den Kreis?
In Nordholz kümmern sich mehrere angestellte Ärzte um die Patienten, derzeit sei man auch dabei, eine qualifizierte Arzthelferin zu einer sogenannten Versorgungsassistentin, kurz "Verah", fortzubilden, die anstelle des Arztes viele Hausbesuche bei den Patienten übernehmen könnte. Das MVZ, das nach Ottens Worten auf dem Weg zu positiven Wirtschaftszahlen sei, ist für den Dezernenten das Modell der Zukunft. "Denn wir werden hier nicht jeden Arztsitz halten können", glaubt er.
In Schiffdorf, so ist Bürgermeister Wärner überzeugt, müsste aber eigentlich einen Arzt finden sein. Drei Mediziner hätten ihr Interesse bekundet, erzählt er. Aber es fehle an einem Standort. Die Praxisräume am Feldkamp stünden zum Verkauf, der Preis sei aber zu hoch. Stattdessen hat sich der Verwaltungschef mit den Interessenten und zwei Bauinvestoren zusammengesetzt, um auszuloten, ob ein Neubau an anderer Stelle möglich sei. "Wir hoffen jetzt, dass etwas daraus wird", sagt er.
KOMMENTAR: Geld allein bringt's nicht
Keine Frage, es ist gut, dass der Kreis die Ansiedlung von Ärzten finanziell fördert. Und es ist auch gut, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Regionen wie dem Südkreis, die massiv unterversorgt sind, für den Start in die Selbstständigkeit tief ins Portemonnaie greift. Das ist auch ihr Job. Nur löst das alles das Problem nicht. Die Fördertöpfe gibt es seit Jahren - und trotzdem werden die Hausärzte im Südkreis immer weniger. Der Grund: Auf dem heftig umkämpften Mediziner-Markt hat das Land klare Standort-Nachteile. Es sind nun mal immer weniger Nachwuchs-Doktoren bereit, als Landarzt 50 oder 60 Stunden in der Woche im Einsatz zu sein, sie wollen Beruf und Familie, sprich auch ein Leben neben der Praxis. Zudem schauen die, die bereit sind, eine Praxis zu übernehmen, auf die Infrastruktur vor Ort. Gibt es eine Schule für die Kinder? Gibt es einen Job für den gut ausgebildeten Partner? Da schneidet das Land eben schlechter ab als die Städte. Von daher wird die Zukunft der Ärzteversorgung - so bitter es für manche Orte ist - so aussehen, wie der Kreis und die Gemeinde es gerade in einem Pilotprojekt in Nordholz ausprobieren: mit einem Ärztezentrum, in denen angestellte Mediziner arbeiten. Bleibt nur die Frage, wer sie betreibt. Die KV, die sich da bisher nicht sehr hervortut, ist da eindeutig in der Pflicht.
Von Inga Hansen