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sie zu überzeugen: „Ihr braucht Offiziere
und Intelligenzen und gebildete Leute.
Ihr dürft eure Bewegung nicht gegen alle
Offiziere, höchstens gegen dumme und
schlechte richten. Ich komme mit meinem
ganzen Herzen zu euch. Ich bin allerdings
auch kein Verräter am Offiziersstand.“
„Mäßig, ehrlich und vernünftig zu bleiben“
– Reden mit dieser „Grundidee“ hielt Ringelnatz
damals nicht nur eine. Manch einer
hörte ihm auch zu und kam ins Nachdenken.
So manche „törichte Unternehmung“
habe er abbiegen und „viele Hetzer und
Lügner zum Schweigen“ bringen können,
heißt es in den Erinnerungen. Gerne, so
schreibt er, wäre er, um diesen Einfluss zu
verstärken, in den Roten Rat eingetreten,
„und dieser hätte zweifellos auch meine
Dienste gern angenommen“. Dass daraus
dennoch nichts wurde, hatte seinen Grund
in der von ihm gemachten „strengsten Bedingung“,
„dann auch gleich mit an die
äußerste Spitze gewählt zu werden“. Den
Roten jedoch sei er nicht „radikal genug“
gewesen. „Manche trauten mir auch nicht,
weil ich nach wie vor meine Offiziersmütze
mit dem aufgestickten Eichenlaub und
der Krone beibehielt.“
Ringelnatz‘ sehnlichster Wunsch war es,
Leutnant zu werden. Im Oktober 1917 hatte
er das endlich erreicht. Doch angesichts
der zu befürchtenden chaotischen Zustände,
die sich durchaus schon abzeichneten,
mögen es mehr noch der gesunde Menschenverstand
gewesen sein, der ihn zu
der mäßigenden Einstellung bewog. Und
dazu gehörte ohne Frage auch, eben nicht
alles vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Als die Dinge außer Kontrolle zu geraten
drohen, arbeitet der Leutnant und Schriftsteller
Hester ein letztes Mal eine Rede
aus, die er in Cuxhaven öffentlich halten
will – vor dem Arbeiter- und Soldatenrat,
sämtlichen Offizieren und „allen ernsten
Zivilpersonen“. „Die Versammlung wäre
gedacht, daß man ohne Waffen erschiene
und daß möglichst alle unreifen Elemente
ferngehalten würden.“ Doch der Soldatenrat
anwortet nicht auf seinen Telefonspruch,
und der Admiral befiehlt Leutnant
Hester in sein Büro, will ihm „die Uniform
vom Leibe“ reißen und lässt ihn nicht zu
Wort kommen.
„Ich ging verbittert fort. Über hundert Ansprachen
hatte ich an die Leute gehalten.
Ich hatte ihnen klarzumachen versucht,
wieviel Gutes und Gütiges, wieviel unentbehrliche
Erfahrung auch im Offizierskorps
steckte und daß man über schlimme
Erlebnisse nicht das Gute vergessen
dürfte“, heißt es in „Als Mariner im Krieg“
dann. Als ihn wenig später Matrose Jost
von der politischen Abteilung des Roten
Rates für eine Mitarbeit gewinnen will,
legt er dem Leutnant und Schriftsteller
Gustav Hester einige Statuten der Internationale
vor und fragt ihn, ob die mit seiner
politischen Meinung übereinstimmen.
Dessen Eindruck ist jedoch, Matrose Jost
habe es „mehr auf die Ausbeutung meiner
besseren Stilgewandheit und meiner
Belesenheit abgesehen …“ Und auf seine
Forderung, „in den engsten Ausschuß gewählt
zu werden, ging er nicht ein“.
Am 21. November 1918 wird Leutnant
a. D. Gustav Hester in seinem Zimmer
in Seeheim seinen letzten Kaffee trinken
und mit Kohle „einen sentimentalen Vers
an die Wand“ schreiben, dessen erste beiden
Zeilen lauten: „Fror mein Herz in dieser
Einsamkeit, / Hab ich warm geschrieben
und gelesen…“ Auf seinem Dienstrad
fährt er in Richtung Cuxhaven davon.
Ilse Cordes
In der Maschinengewehrbatterie Seeheim am Wernerwald, wird auch der Leutnant Hans Bötticher von der Revolution eingeholt.