Vor dem Landgericht Stade wird zurzeit der brutale Raubüberfall in Hechthausen verhandelt. Foto: dpa/Schuldt
Vor dem Landgericht Stade wird zurzeit der brutale Raubüberfall in Hechthausen verhandelt. Foto: dpa/Schuldt
Prozess vor Landgericht Stade

Pfefferspray, Schläge, Fesseln: Mann aus Hechthausen wird Opfer fataler Verwechslung

von Wiebke Kramp | 10.12.2025

Schockierende Szenen in Hechthausen: Ein Rentner wird Opfer eines brutalen Überfalls, der eigentlich seinem Nachbarn galt. Vor dem Landgericht Stade müssen sich die Täter nun wegen schwerer gemeinschaftlicher Verbrechen verantworten. 

Es waren brutale Szenen, die sich am 25. Mai dieses Jahres abends in einer Reihenhaussiedlung in Hechthausen abgespielt haben - und unter den Folgen leidet ein 60 Jahre alter Rentner noch heute deutlich. Er wurde an seiner Haustür zunächst mit einer Ladung Pfefferspray außer Gefecht gesetzt, geschlagen, zu Boden gebracht, gefesselt, bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und mit einer Pistole und mit Fäusten bedroht. Er war vermutlich Opfer einer Verwechslung, denn eigentlich hatten es seine fünf Angreifer gezielt auf eine große Menge Drogen und eine hohe Summe Bargeld eines Dealers aus der direkten Nachbarschaft abgesehen.

Auch der vermeintliche Dealer wurde später am Abend Opfer der Bande. Mit einer Waffe bedroht und aufgefordert, sich niederzulegen, wurden zwei weitere Nachbarn, die wegen des Lärms auf die Überfälle aufmerksam geworden waren.

In diesem Prozess vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade geht es um Waffen, Drogen und Gewalt. Der Tatvorwurf lautet gemeinschaftlich schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Ein Angeklagter sprach von erhofften ein bis anderthalb Kilo Kokain und 60.000 Euro Bargeld, die man bei dem Überfall auf den Drogendealer erbeuten wollte.

Für die Taten müssen sich zurzeit vier Männer zwischen 20 und 30 Jahren - drei von ihnen russischer, einer kurdischer Herkunft - verantworten. Ein mutmaßlich Beteiligter ist flüchtig. Einem weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, als Informant gedient zu haben, der später auch einen Teil der Beute erhalten sollte, was dieser aber bestreitet.

Psychisch und physisch ist der überfallene Rentner heute ein gebrochener Mann. Er spricht in seiner Aussage vor Gericht von Albträumen, Panikattacken, Schäden an der Wirbelsäule und am Knie. Er könne nur noch mit Beil in der Hand schlafen. "Ich frage mich, warum das passiert ist und auf mich eingeschlagen wurde?"

"Sie standen zur falschen Zeit am falschen Ort", erklärte ein 20-jähriger Angeklagter aus Hemmoor. Zuvor hatte er sich bei dem Opfer "von ganzem Herzen" entschuldigt und erläutert: "Unsere Mission war es nicht, Ihnen Schaden zuzufügen." Vielmehr hätten sie es auf Geld und Drogen seines Nachbarn abgesehen. Auch zwei weitere Angeklagte, ein 20-Jähriger aus Stade und ein 30 Jahre alter Mann aus Hamburg entschuldigten sich in Einlassungen persönlich und zeigten Reue.

Das Anklageregister ist lang. Drei der jungen Männer werden unter anderem gemeinschaftlicher versuchter schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung, schwerer Raub sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Tragen von gefährlichen Gegenständen in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung mit einem Verbrechen vorgeworfen, einem weiteren Angeklagten werden Beihilfe zum Raub sowie zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt.

Bewaffnet zum Überfall gefahren

Es wird deutlich, dass die jungen Männer sich von dem Überfallkommando viel Geld versprochen haben. Dafür haben sie offensichtlich gewalttätige Bedrohungen von vornherein einkalkuliert. "Wir hatten keinen richtigen Plan - es sollte einfach eine Rein-Raus-Sache sein", meinte einer der Angeklagten. Die Beteiligten hatten eine Pistole, einen Teleskopschlagstock, eine Machete und Pfefferspray im Auto dabei, trugen Masken und Handschuhe und wollten von dem Drogendealer eine hohe Summe und Drogen erbeuten. Dabei überfielen sie aber zunächst den Falschen. In den späten Abendstunden klingelten die maskierten Männer an einem Reihenhaus in Hechthausen. Als der Renter öffnete, wurde ihm Reizgas in die Augen gesprüht, eine Waffe vorgehalten. Er wurde - wie bereits beschrieben - geschlagen, gefesselt, gewürgt und getreten.

Anschließend wurde sein Nachbar - auf den es die Angreifer ursächlich abgesehen hatten - überfallen. Der Anklage ist zu entnehmen, dass zwei geklingelt und den Bewohner nach dem Öffnen der Tür ins Gesicht geschlagen haben sollen. Unterdessen wurde die hintere Terrassentür eingeschlagen und so gelangten die Täter ebenfalls in die Wohnung. Dort sollen die Angeklagten dem Hausbewohner eine Schusswaffe an den Kopf gehalten, ihn zu Boden gedrückt und im Gesicht verletzt haben. Sie nahmen laut Anklage seine Geldbörse mit 400 Euro Bargeld, eine Bankkarte nebst PIN sowie Betäubungsmittel an sich, das sie in der Wohnung entdeckt hatten. Laut Staatsanwältin handelte es sich dabei um 36 Gramm Marihuana und 491 Extacy-Tabletten. Der Überfallene soll - anders als das erste Opfer - laut Polizistenaussagen relativ gefasst gewesen sein. Er wird zu einem späteren Zeitpunkt noch als Zeuge zu hören sein.

Vor Gericht müssen sich aber nicht nur die vier Angreifer verantworten. Einem weiteren Angeklagten wird in diesem Hauptverfahren zur Last gelegt, den Hinweis gegeben zu haben, dass es sich bei dem Bewohner des zweiten Hauses um einen Drogendealer handele, bei dem erhebliche Mengen an Betäubungsmittel und Geld zu holen seien. Für diesen Tipp sollte er einen Anteil erhalten.  Der 21-jährige Hechthausener bestreitet dies allerdings und räumt lediglich ein, dass er seinen Bekannten am Tag zuvor zwar das entsprechende Haus gezeigt habe, aber gesagt habe: "Sie sollen keine Scheiße bauen und mich da rauslassen."

Der Prozess wird am 15. Dezember vor der 3. Strafkammer des Landgerichts Stade fortgeführt. Weitere Prozesstage im Januar sind anberaumt.

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Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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