
Einwohner aus fünf Hadler Dörfern wirken an einer Film-Doku mit
Sie liegen alle am Kanal: die Hadler Dörfer Belum, Bülkau, Ihlienworth, Osterbruch und Neuenkirchen. Jetzt sind sie Teil eines groß angelegten Film-, Foto- und Kunstprojektes - und Mitwirkende sind Einwohner selbst.
Sie haben sich nicht gesucht, - und doch gefunden. Es sind drei Künstlerseelen, die in ihren Genres eigenständig arbeiten, sich aber zur Künstlergruppe Coast-Lab zusammengeschlossen haben. Hier möchten sie Gemeinsames schaffen und zur Bereicherung des regionalen Kulturgeschehens sichtbar und nachhaltig beitragen. Der Zufall hat die bildenden Künstler Ria Bredemeyer, Christian Anskeit und Xiaoxue Li ausgerechnet in Kehdingbruch zusammengeführt, wo die drei in Nachbarschaft leben und arbeiten. Und jetzt haben sie ein spannendes gemeinsames künstlerisches Projekt vor der Brust. Für dessen Umsetzung setzen sie auf breite Mitwirkung aus den Dörfern selbst und wenden sich an die Bevölkerung.
Dreigeteiltes Kunstprojekt in, mit und für die Region
Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Samtgemeinde Land Hadeln sowie der Gemeinden Belum - dazu gehört auch Kehdingbruch -, Bülkau, Ihlienworth, Neuenkirchen und Osterbruch. In ihrem dreigeteilten Kunstprojekt möchten sie Elemente dieser Dörfer und seiner Bewohnerinnen und Bewohner herausstellen, für Erinnerungswerte sorgen und buchstäblich Gesichter zeigen. Dafür benötigen sie die Mitwirkung von vielen Menschen und hoffen, dass sich Leute aus den Dörfern angesprochen fühlen, sich ihnen zu öffnen und so Teil dieses besonderen Kunstprojektes in, mit und für die Region zu werden.
In der Sparte "Land-schafft-Erinnerung entsteht ein Dokumentarfilm über Dorflandschaften. Gezeigt werden Lieblingsorte der Menschen und ihre privaten Erinnerungen daran festgehalten. Aus allen beteiligten Dörfern in der norddeutschen Provinz möchte die aus China stammenden Filmemacherin Xiaoxue Li Leute gewinnen - und hat bereits einen sehr persönlichen Brief verfasst, indem sie die Bewohner um die "Landschaft in den Tiefen der Erinnerung" erbittet. Aus diesen Briefen und E-Mails möchte die Filmemacherin aus jedem Dorf bis zu zehn Leute auswählen, die sie zum Interview lädt und deren Erinnerungen filmisch dargestellt werden.
Bei "Land-schafft Gesichter" wiederum geht es um Fotoporträts von Menschen aus den fünf Dörfern. Es entsteht eine Ausstellung sowie ein Bildband zur vielfältigen Identität der Menschen dieser Region. Jeweils vier Personen aus den betreffenden Orten sollen abgelichtet werden. Schwerpunkt des Buches liegt auf den Fotos. Text wird es mehr oder weniger nur in Form einer Einführung und der Wiedergabe einzelner Zitate aus dem Fragebogen und den Gesprächen geben.
"Land-schafft-Brücken" schließlich ist die dritte Sparte. Zwei Brücken über den Hadelner Kanal - der schließlich alle fünf Gemeinden verbindet - sollen als Kunstwerke im Raum unterschiedlich gestaltet werden. An der Gestaltung einer Brücke sollen Jugendliche mitwirken. Dazu werden die drei Kunstschaffenden noch Schulen ansprechen - sind aber auch offen für Eigenbewerbungen von Interessierten. Als Kunststätte ausgewählt wurden die beiden Brücken zwischen Belum und Kehdingbruch sowie zwischen Bülkau und Osterbruch.
Die Präsentation ihrer Arbeiten werde im Sommer in allen fünf Gemeinden erfolgen, sichern die drei bildenden Künstler zu. Jeweils gebe es eine Filmvorführung sowie eine Ausstellung. Gegenwärtig befindet sich das künstlerische Gemeinschaftsprojekt in der Anlaufphase. "Wir gehen n och in alle Dörfer und stellen uns und das Vorhaben persönlich vor", sichern Ria Bredemeyer, Christian Anskeit und Xiaoxue Li zu. Sie möchten mit den Leuten ins Gespräch kommen und so auch Mitwirkende und Freiwillige generieren, die Spaß haben, Teil dieses künstlerischen Schaffensprozesses zu werden. Der Zeitplan ist eng getaktet - bis Ende Mai müsse alles fertig sein.
Dass es überhaupt zur Umsetzung kommt, ist der LAG"Hadler Region" zu verdanken, die das Kunstprojekt als förderfähig auf den Weg gebracht und dafür die Gruppe Coast-Lab ausgewählt hat. "Der Förderbescheid liegt schon vor", erklärt Mareike Jungclaus von der Samtgemeinde Land Hadeln.
Förderung aus dem europäischen Leader-Programm
Ihr Gemeinschaftsprojekt wird aus europäischen Leader-Mitteln zu einem großen Anteil (65 Prozent) gefördert, den Rest tragen Samtgemeinde und die fünf Gemeinden anteilig. Die LAG "Hadler Region" hat sich für diese Kunstaktion ausgesprochen. Als Gesamtsumme sind 35.000 Euro veranschlagt.
Aufgewachsen in Kehdingbruch, studierte Christian Anskeit, Jahrgang 1987, Kommunikation und Design an der Kunstschule Wandsbek in Hamburg. Anschließend führte ihn sein Weg nach China, wo er acht Jahre in Peking lebte. Dort arbeitete er als Designer, Kunstlehrer und Kameramann. Im ersten Jahr seines Aufenthaltes traf er die Filmemacherin Xiaoxue Li. Gemeinsam reisten sie für verschiedene Filmprojekte durch China und zogen 2017 in das Künstlerviertel von Peking, wo sie ihr eigenes Studio gründeten.
Während seines dreijährigen Aufenthalts im Art District von Peking baute er Kontakt zu Recyclinghöfen und Schrottplätzen auf. Ausrangierten Gegenständen verschaffte er neues Leben. 2020 kehrte er gemeinsam mit seiner Frau Xiaoxue in seinen Heimatort Kehdingbruch zurück. Sie leben im alten Wohnhaus seiner Eltern und sind dabei, es in einen neuen Wohn- und Schaffensort zu verwandeln.
Lebte und arbeitete als Drehbuchautorin in Peking
Xiaoxue Li ist Filmemacherin und Videokünstlerin aus China. Geboren wurde sie in Changchun in China, wo sie den Zerfall der Schwerindustrie miterlebte. Mit 18 Jahren wurde sie an der besten Schauspielschule Chinas aufgenommen. Sie ging nach Peking, entschied sich für das Hauptfach Film und versuchte, ihr künstlerisches Konzept in diesem Bereich umzusetzen. 16 Jahre arbeitete und lebte sie in Peking als Drehbuchautorin. Die meisten ihrer Drehbuchkreationen konzentrieren sich auf die Tragödien des individuellen Schicksals im Wandel der Zeit, darunter sind sowohl kommerzielle Filme, unabhängige Filme, Fernsehserien, Online-Dramen als auch andere Bereiche. Gleichzeitig ist sie auch Video-Künstlerin und gibt nie auf, die visuelle Sprache zu erforschen. 2015 fuhr sie mit Anthropologen der Minzu University of China nach Shanxi, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Der Dokumentarfilm wurde im Museum als wichtiges Dokument der lokalen Bildanthropologie gezeigt.
Ria Bredemeyer, die dritte Künstlerin der Gruppe Coastab, wuchs in der Gegend auf. Sie stammt aus Neuhaus (Oste), ihr Abitur machte sie 2002 in Cuxhaven. Anschließend zog es sie aufs Meer. Von 2002 bis 2006 als Bootsmann auf verschiedenen Traditionsseglern auf Törn. 2006 bis 2009 erfolgte in Flensburg die Ausbildung zur Holzbildhauerin und im Anschluss eine Weiterbildung zur szenografischen und theaterplastischen Arbeit an den Landesbühnen Sachsen und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Seit 2010 ist selbstständige freiberufliche Künstlerin. Zuletzt wirkte in Lübeck, wo sie auch langjährig den Kunstverein Defacto Art leitete. Ende 2020 kehrte sie in ihre alte Heimat zurück. Sie ist breit aufgestellt. Zusammen mit einem Kollegen fertigt sie meist wissenschaftliche Pflanzen- und Tiermodelle. Sie arbeitet zudem für verschiedene Theater. Dabei entwirft und malt sie vor allem Bühnenbilder und Figuren.