Aktives Handeln gegen Altersarmut: Anita Hanel (l.) kooperiert mit ihrer Stiftung mit der Tafel in Cuxhaven und stellt die mobile Tafel für Senioren sicher. Ehrenamtler bringen den Rentern die Lebensmittel nach Hause. Aber einige machen sich auch auch zu Fuß auf den Weg und holen sich wie Bärbel Richter die Sachen in der Neustraße selbst ab. Meist gibt es auch noch Blumen. Foto: Kramp
Weihnachtsaktion

Hanel-Stiftung in Cuxhaven stellt die mobile Tafel für Senioren sicher

von Wiebke Kramp | 23.12.2022

Cuxhaven. Das ist aktives Handeln, um Altersarmut einzudämmen. Die Hanel-Senioren-Stiftung kooperiert mit der Cuxhavener Tafel. Wie die Zusammenarbeit läuft und warum sie so wichtig ist.

Einmal in der Woche tauscht Bärbel Richter (Name von der Redaktion geändert) ihren Rollator mit einem Hackenporsche, wie solch Einkaufstrolley landläufig genannt wird. Sie macht sich von ihrer Wohnung auf den Weg in die Neustraße. Die zehn Minuten Fußweg schafft sie gut: Zur Tafel Cuxhaven am Heringskai im neuen Fischereihafen wäre es für die erblindende Frau zu weit.

Sie hat ihre Leben lang gearbeitet, drei Kinder zu anständigen Menschen großgezogen , und dennoch reicht es jetzt im Alter hinten und vorne nicht. Bärbel Richter  bezieht zwar Rente - aber ohne Unterstützung wäre es viel schwerer, klar zu kommen. Die  67-Jährige  muss mit 50 Euro pro Woche auskommen.

Neben ihr sind es sieben weitere Rentner, die sich dienstags in den Räumen der Hanel-Senioren-Stiftung in Innenstadtlage ihre Lebensmittel  von der Tafel abholen. Alle besitzenden den entsprechenden Kunden-Ausweis, den sie aufgrund ihrer nachgewiesenen Bedürftigkeit erhalten habe.

Hanel-Stiftungleistet mobile Tafel für bedürftige Senioren

Der Besuch bedeutet aber mehr als das reine Abholen von Lebensmitteln.  "Das hilft mir gegen die Einsamkeit. Jeden Dienstag möchte ich los, hier werde ich willkommen geheißen, das bringt auch der Seele etwas." Stiftungsvorstand Anita Hanel möchte ganz bewusst eine angenehme Atmosphäre erzeugen und die Menschen hier willkommen heißen: "Es ist wichtig, dass die Senioren bei uns wissen, dass sie gewertschätzt werden", sagt sie und ergänzt, "und so ist es eben nicht nur eine Abholstation, sondern es gibt auch Zeit zu plaudern und sich auszutauschen." Altersarmut sei ein Thema, das sich nicht auf den ersten Blick offenbare und meist betreffe es Frauen, weiß Anita Hanel. Seit drei Jahren kooperieren Stiftung und Tafel und stellen so die mobile Tafel für Senioren auf die Beine. 

Bei der Stiftung haben unterdes die Ehrenamtlichen an diesem Dienstag schon die Lebensmittel von der Tafel in Cuxhaven am Heringskai abgeholt, hinten im Lagerung in die Kühlrucksäcke sortiert, die bedürftigen Senioren bis an die Haustür gebracht werden. "20 Leuten bringen wir regelmäßig die Lebensmittel nach Hause, weil sie es nicht mehr schaffen, selbst zur Tafel zu kommen", erläutert Anita Hanel. Nicht nur in Cuxhaven unterstützt sie bedürftige Senioren, sondern bis Hechthausen und Lamstedt.

Bärbel Richter hat durch Zufall von der Stiftung und der Unterstützung für Senioren erfahren. In Corona-Zeit sei sie kaum rausgegangen. Ihre auswärts lebenden Kinder seien gekommen, um Einkäufe zu machen. Ihre Tochter fand einen Informationszettel in einem Drogeriemarkt  und nachdem sie sich gemeldet hatte, kümmerte sich Frau Hanel persönlich um ihr Wohl. "Uns war die individuelle Betreuung in der Coronazeit ganz wichtig", sagt die Stiftungsgeberin. Entweder aus Zufall oder durch Vermittlung von Landkreis oder Stadt fänden die Menschen meist den Weg zu ihrer Stiftung, seltener aus eigenem Engagement, bedauert sie. Aber das liege daran, dass  Scham eine Rolle spiele. Diese Scham möchte sie durchbrechen. Unverschuldet in eine prekäre Situation  geraten, könne jeder. Es betreffe häufig Frauen.

Zusammenbruch und Arbeitsunfähigkeit

Für Bärbel Richter sollte sich der Kontakt zur Hanel-Senioren-Stiftung zu einer echten Verbesserung ihres Lebens erweisen. Die gelernte Industriekauffrau hat mit 19 Jahren geheiratet und dafür gesorgt und gearbeitet, damit ihr Mann eine Pilotenausbildung absolvieren konnte. In zehn Jahren ist sie acht Mal mit ihm umgezogen, damit er an seiner Karriere arbeiten konnte und zog die drei gemeinsamen Kinder groß und kümmerte sich um das Haus. Nach der Trennung war sie auf sich allein gestellt, das jüngste Kind war damals sieben. Eine Arbeitsstelle zu finden war schwierig, "aber ich habe versucht, alles allein hinzubekommen".

Schließlich begann sie in einer Confisierie, wurde stellvertretende Leiterin und übernahm nach zwei Jahren die Filialleitung. Doch das Geschäft ging in die Insolvenz. Anschließend war sie Kassenleiterin in einem  großen Supermarkt, hatte 23 Damen unter sich. "Aber es wurde mir zuviel." Anschließend hatte sie Glück, zog in eine  schöne Wohnung und übernahm die Filialleitung eines Süßigkeitenladens - aber auch diese Kette ging in die Insolvenz. Es kam zum Zusammenbruch. Körperlich und mental. "Das alles machte mein Körper nicht mehr mit." Sie wurde wegen voller Erwerbsminderung verrentet - und musste lernen, mit ganz wenig Geld klar zu kommen.

Wegen ihres Asthmas und zahlreicher Allergien zog es sie 2009 ins Cuxland, die Kindern gingen mittlerweile ihre eigenständigen guten Wege. Seit einigen Jahren lebt sie in Cuxhavens Innenstadt. Seitdem sie von der Hanel Stiftung unterstützt wird, geht es ihr erheblich besser: "Ich bin wieder fröhlicher geworden - und allen sehr dankbar."

Sie freut sich über ein nettes Wort, über die regelmäßige Lebensmittelunterstützung und die Blumen, die  sie hier jeden Dienstag bekommt. Von der Tafel werden auch Blumen mitgegeben, nicht alle sind mehr schön, die noch brauchbaren Blumen werden von der ehrenamtlichen Kraft Ursel in der Neustraße zu hübschen Sträußen gebunden. Bärbel Richter sagt glücklich: "Ich habe noch nie so viele Blumen in meinem Leben bekommen wie hier."

"Man muss sich wirklich nicht schämen"

Ihrem schwindenden Sehvermögen trotzt die Rentnerin mit Bastel- und Näharbeiten. Dank eines von der Senioren-Stiftung zur Verfügung gestellten Tablets findet sie übers Internet Bast- und Nähvorlagen und für den Alltag sehr hilfreich ist das Lesegerät. Mit Handarbeiten möchte sie wiederum denen eine kleine Freude schenken, die ihr Leben verbessern. 

Die Rentnerin stammt aus einer Generation, für die Bittstellen und Hilfe zulassen sehr schwierig ist. Aber Bärbel Richter fühlt sich hier als Mensch sehr gut und warmherzig aufgenommen:  "Man darf Hilfe annehmen, man muss sich wirklich nicht schämen."

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Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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