
"Straßenausbaubeitragssatzung": Reizwort "Strabs" sorgt in Hechthausen für Ärger
In Hechthausen entfaltet sich ein Bauprojekt, das nicht nur die Straße, sondern auch die Gemüter in Aufruhr versetzt. Die plötzlich explodierenden Kosten werfen die Frage auf, ob die geplanten Investitionen überhaupt realisierbar sind.
"Strabs" - ein Reizwort für viele Menschen und so beliebt wie Fußpilz. Kein Wunder: Wenn Kommunen die Bescheide verschicken, in denen vier-, fünf- oder sogar sechsstellige Summen gemäß der sogenannten "Straßenausbaubeitragssatzung" ("Strabs") gefordert werden, löst das nicht gerade grenzenlosen Jubel aus. Ein aktuelles Beispiel gibt es in Hechthausen. Doch auch dort ist die Ausgangslage wie in anderen Gemeinden komplex; aller Kritik zum Trotz.
Die "Strabs" ist in vielen niedersächsischen Kommunen immer noch eine der wesentlichen Säulen, auf denen Straßenbaumaßnahmen erfolgen. Zwar gibt es zum Teil Zuschüsse, aber letzten Endes muss die Gemeinde oder Stadt eine Maßnahme (vor-)finanzieren und legt einen Teil der Kosten per Satzung später auf die Anlieger um. Die Höhe der Bürgerbeteiligung ist unterschiedlich und richtet sich meist nach der Funktion der Straßenverbindung.
Wenn es sich um eine reine Erschließungsstraße für Anwohner handelt, gelten andere Maßstäbe, als wenn es zum Beispiel um einen Verbindungsweg geht, der für den innerörtlichen Verkehr von Bedeutung ist. In diesem Fall erfolgt eine prozentual geringere Beteiligung an den Sanierungs- und Ausbaukosten. Geht es nur um eine Straße in einem reinen Wohngebiet - zum Beispiel als Sackgasse -, die ausschließlich die dortigen Bewohner nutzen, dann werden diese auch stärker durch einen höheren prozentualen Anteil an den Kosten zur Kasse gebeten.
"Bundesweit einheitliche Regelung"
In Niedersachsen gibt es seit Jahren landesweit Diskussionen darüber, ob die "Strabs"-Regelung überhaupt noch zeitgemäß ist. In anderen Bundesländern ist man da schon längst weiter und hat die Straßenausbaubeiträge inzwischen abgeschafft. Sehr zur Freude vom "Verband Wohneigentum": "Der Verband Wohneigentum fordert, endlich eine bundesweit einheitliche Regelung zu finden und eine Übernahme der Kosten für die Sanierung und Instandhaltung von Straßen aus dem Haushalt der Kommunen zu ermöglichen. Der Ausbau und Erhalt von Straßen ist eine Investition in die Infrastruktur. Daher muss sich die Politik dafür entscheiden, die Kosten wie bei Bundes- und Landesstraßen durch die Allgemeinheit zu finanzieren." Es könne nicht sein, dass sich Anlieger vor Ort zum Teil mit sechsstelligen Beträgen an Baumaßnahmen beteiligen müssen.
Auch im Cuxland gibt es unterschiedliche Regelungen und ebenso viele kontroverse Diskussionen. So auch in der Samtgemeinde Hemmoor. In mehreren Gesprächsrunden haben sich die Lokalpolitiker mit dem Thema auseinandergesetzt und letzten Endes entschieden, dass in der Stadt Hemmoor sowie in den Gemeinden Hechthausen und Osten die Beiträge auch weiterhin erhoben werden sollen. Nur über die Höhe der prozentualen Beteiligung gab es zum Schluss noch Diskussionen.
Bausünden der 70er-Jahre
Dass manchmal der Teufel im Detail steckt und die Summe, die die Grundstückseigentümer berappen müssen, nach der endgültigen Abrechnung von der Prognose abweichen kann, zeigt sich am Beispiel der kurzen Hechthausener Straße "Im Harder". Sie ist wahrscheinlich in den 70er-Jahren gebaut worden, sieht dementsprechend nicht taufrisch aus und es gibt Probleme bei der Oberflächenentwässerung.

Am 4. April gab es eine Anliegerversammlung, bei der die Pläne und die finanzielle Dimension der notwendigen Maßnahme präsentiert worden waren. Die zu diesem Zeitpunkt angesetzten "Projektkosten" waren auf 620.000 Euro beziffert worden. Viel Geld, aber die Gemeinde hatte und hat noch einen Trumpf in der Hand: Durch die Anerkennung als gemeinsame "Dorfregion" mit der Nachbargemeinde Burweg (Kreis Stade) - wir berichteten ausführlich - stellt das "Amt für regionale Raumentwicklung" eine Summe von 500.000 Euro als Zuschuss zur Verfügung. Doch es gibt einen Haken.
"Tiefgründige" Erkenntnisse
Die Summe ist zwar weiterhin aktuell, aber als man in den vergangenen Tagen im wahrsten Sinne des Wortes "tiefgründig" wurde, stellten die Experten fest, dass der Untergrund des Straßenkörpers alles andere als ideal ist, denn dort ist jede Menge Bauschutt eingebuddelt worden und die Bodenbeschaffenheit mies. Es muss großflächig ausgekoffert werden, bevor es überhaupt zu einem Straßenneubau kommen kann. Zudem ist die Oberflächenentwässerung zum Teil völlig desolat.
Plötzlich war von einer Investitionssumme von über einer Million Euro die Rede und der eine oder andere Anlieger bekam bereits Schnappatmung. Inzwischen liegt ein Angebot vor, die Maßnahme für 820.000 Euro zu realisieren. Ob das aber das Ende der Fahnenstange ist, zeigt sich erst, wenn die Bauarbeiter weiter in die Tiefe gehen und die notwendigen Maßnahmen festlegen.
500.000 Euro einfach abschreiben?
Im Rahmen der jüngsten Hechthausener Ratssitzung kam das Thema zur Sprache, da eine Anwohnerin eine deutlich höhere finanzielle Mehrbelastung zur ursprünglichen Planung befürchtete. Eine Angst, die ihr Verwaltungschef Jan Tiedemann nicht nehmen konnte. Gleichzeitig warnte er aber davor, die Maßnahme auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Aus einem einfachen Grund: Dann würden die 500.000 Euro aus dem "Dorfregion"-Topf nicht mehr zur Verfügung stehen und Kommune sowie Anlieger müssten für den gesamten Betrag aufkommen.
Seine Empfehlung, die er am Freitag auch noch einmal im Gespräch mit unserer Redaktion unterstrich, ist daher eindeutig: "Wir müssen jetzt bauen."
Das wird auch geschehen. Was nach Ende der Straßenbaumaßnahme unter dem Strich als Gesamtkosten und Anliegerbeiträge anfallen werden, lässt sich vor Beginn der Maßnahme jedoch nicht absehen.
"Strabs" - ein ebenso komplexes wie emotionsgeladenes Thema, weil es letzten Endes um den Geldbeutel geht. Und das nicht nur in Hechthausen ...