
Kater Oculus und sein Leidensweg: Ein Opfer grausamer Vermehrung in Bremerhaven
Kater Oculus aus Bremerhaven ist nicht nur ein Opfer grausamer Vermehrung, sondern auch lebender Beweis für die verheerenden Folgen solcher Praktiken. Hinter seinem goldenen Fell verbirgt sich eine Geschichte von Leid und unermüdlichem Lebenswillen.
Kater Oculus ist das traurige Resultat einer rücksichtslosen Vermehrung. Die Folgen für seine Gesundheit sind gravierend. Bei einigen seiner Artgenossen sieht es noch schlimmer aus. Die Vermutung: Jemand aus dem Raum Bremerhaven steckt dahinter.
Auf den ersten Blick scheint es so, als säße im Bremerhavener Tierheim ein kleiner Fuchs. Niedlich auf den ersten Blick, aber Kater Oculus leidet. "Das ist nicht nur Qualzucht, da steckt noch mehr dahinter", sagt Tierärztin Jasmin Göddertz.
Das Tierheim-Team vermutet, dass es jemand im Raum Bremerhaven auf die goldene Fellfarbe abgesehen hat und privat vermehrt. Für die Tiere hat das oft gravierende gesundheitliche Folgen - einige sterben.
Bereits vor zwei Jahren waren Katzen mit ähnlichen Symptomen und der gleichen, seltenen Farbe im Tierheim gelandet. Eine hat Göddertz bei sich in Obhut genommen. Schwester Lila hat es nicht geschafft.
Unterschied zwischen Züchter und Vermehrer
Das Wort Züchter fällt im Gespräch nicht. "Zucht ist angemeldet und erfüllt bestimmte Auflagen", sagt Tierheimleiterin Amelie Bensch. In anderen Fällen ist von Vermehrern die Rede. "Denen geht es nur darum, mit den Tieren Geld zu machen", sagt Bensch sichtlich gereizt.

Wer nach der Vermehrung nicht "perfekt" ist, wird ausgesetzt und landet bestenfalls im Tierheim. "Am Ende soll sich der Käufer über ein süßes Kätzchen freuen und nicht wissen, dass die Geschwister in die Hecke geschmissen wurden", sagt Tierpflegerin und Katzenexpertin Stefanie Semrau.
Bei Oculus kommen mehrere Probleme zusammen
Ein Teil von Oculus Geschichte ist Qualzucht. Laut Göddertz liegt die Vermutung nahe, dass er eine Mischung der Rassen Britisch Kurzhaar und Schottische Faltohrkatze (Scottish Fold) ist.
"Seine Ohren sind halb geknickt, wodurch er eher als "Scottish Straight" durchgehen würde", sagt die Tierärztin. Dabei handelt es sich um ein "Nebenprodukt" der Faltohrkatzen-Vermehrung. "Bei Scottish Fold kann man davon ausgehen, dass das Tier Gelenkprobleme hat. Es ist ein Gendefekt, der nicht nur den Knorpel in den Ohren betrifft", sagt Göddertz.
Eigentlich dürfte es keine Qualzucht geben
Laut Tierschutzgesetz sind Qualzüchtungen verboten, wenn dem Tier dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Trotzdem wünschen sich viele Menschen solche Tiere. Bensch beklagt fehlende Aufklärung. "Auch wer ein gesundes Tier beim Vermehrer kauft, unterstützt das Leid." Die beiden anderen Frauen stimmen ihr zu. "Wir haben so tolle Tiere hier, die auf ein neues Zuhause warten - nicht selten auch Rassetiere."

Schaut man Oculus in den Mund, fehlen ihm Zähne. Für eine kurze Nase wird der fehlende Platz im Maul in Kauf genommen, weiß Semrau. Das ist aber nicht der Grund für Oculus schmächtige Statur.
Gesundheitliche Leiden durch Vermehrung
Durch Verwachsungen im Bauch kann der Kater nur kleine Mengen Nahrung aufnehmen. Teilweise minütlich muss Semrau ihm etwas zu fressen geben. Abgesehen davon zeigen sich auch Probleme beim Stuhlgang.
Oculus ist sehr wackelig auf den Beinen. Er hat starke muskuläre Defizite und Gleichgewichtsstörungen. Ob ihm das langfristig zum Problem wird, zeigt sich erst, wenn der Kater ausgewachsen ist.
Konsequenzen der genetischen Veränderungen
"Durch den Fokus auf die äußerlichen Merkmale gehen sinnvolle Gene verloren", erklärt Semrau. Das schlägt auch auf das Immunsystem, wodurch die Katze einer Infektion nur wenig entgegensetzen kann. Gerade für ausgesetzte Tiere ist das fatal. "Sie kommen in einem noch schlechteren Zustand als ohnehin schon", so Göddertz.
Die Polizei hatte den nun etwa sechs Monate alten Kater in der Nähe des Hauptbahnhofs aufgelesen. Auf einem Auge ist Oculus blind, mit dem anderen kann er schemenhaft Umrisse erkennen. Laut Göddertz wahrscheinlich Folgen einer Infektion.
Inzest keine Seltenheit bei privater Vermehrung
Die Tierärztin vermutet aufgrund einiger Symptome, dass bei der Vermehrung auch Inzest eine Rolle gespielt haben könnte. Das passiere in privaten Vermehrungen häufiger. Ebenfalls seien die meisten Tiere weder entwurmt noch geimpft.

Dass der kleine Kater in seinem Zustand nicht vermittelt werden kann, war von vornherein klar. Stefanie Semrau hat Oculus aber "nach zwei Sekunden" ins Herz geschlossen und ihm ein Zuhause gegeben. Da er nicht unbeaufsichtigt bleiben kann, begleitet er sie jeden Tag zur Arbeit. Semraus Hund Rufus ist für Oculus so etwas wie ein Ziehvater.
Lebensfreude hat Oculus nicht verloren
Trotz seiner Einschränkungen ist der kleine Kater eine Frohnatur. "Er hat richtig Bock zu toben. Aber man merkt schon, dass er schnell müde ist", sagt Semrau. Im Büro ist er eine Art Maskottchen. Manchmal spielt er Verstecken, um die Mitarbeiter zu erschrecken.

Wo melden, wenn ein Verdacht besteht?
Sollte jemand Katzen wie Oculus bei Bekannten sehen, ist das Tierheim froh über jeden Hinweis, der auf den Vermehrer schließen lässt. "Bevor im Sommer die nächste Generation kommt", sagt Göddertz. Auch das Veterinäramt dient in solchen Fällen als Ansprechpartner. Das Tierheim hat den Fall dort bereits gemeldet.
Von Marie Petersen