
"Man braucht das Glück an seiner Seite": Wie Rettungshunde im Kreis Cuxhaven arbeiten
Im Kreis Cuxhaven wird das Ungesagte zwischen den Rettungshundestaffeln zur Herausforderung. Einblicke in emotionale Einsätze und Spannungen zwischen Staffeln: Michaela Berger, Vorsitzende der "Rettungshundestaffel Dreieck-Weser-Elbe", im Interview.
Mehrere Jahre lang war Michaela Berger Vorsitzende der "Rettungshundestaffel Cuxland". Anfang 2022 entschied sie sich, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern eine neue Einheit zu gründen: die "Rettungshundestaffel Dreieck-Weser-Elbe". Die Staffel ist im Vergleich zu anderen Teams in der Region noch relativ jung. Daher warten die Hundeführerinnen und Hundeführer mit ihren Vierbeinern noch auf ihren ersten Einsatz. Um darauf vorbereitet zu sein, trainiert die aus 15 Menschen und 17 Hunden bestehende Staffel am Mittwoch, 26. März 2025, bei einer Übung in Bremerhaven den Ernstfall. Vorab berichtet Michael Berger, die zudem im Vorstand des Bundesverbandes zertifizierter Rettungshundestaffeln (BZRH) tätig ist, im Interview mit Joscha Kuczorra von Herausforderungen und Spannungen zwischen einzelnen Staffeln, gibt Einblicke, wie Hundeführer die Einsätze verarbeiten und erzählt, wie sie sich überhaupt darauf vorbereiten.

Welcher Einsatz ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Besonders in Erinnerung sind mir zwei Einsätze geblieben. Einer war in Otterndorf: Suizidankündigung. Ich hatte damals sogar die Leitung übernommen. Wir haben noch drei weitere Staffeln nachalarmiert und am Ende auch die Person gefunden.
Wieso denken Sie immer noch an den Einsatz zurück?
Wichtig ist für die Angehörigen, zu wissen, was mit den vermissten Personen passiert ist. Hier war es eine traurige Nachricht, aber dennoch wichtig zu wissen, dass die Person gefunden wurde. Der Einsatz dauerte bis knapp 6 Uhr morgens. Es war November, es war kalt, wir waren am Ende durchgefroren, aber positiv, weil wir helfen konnten.
Und welcher war der andere Einsatz?
Das war in Hagen im Bremischen. Meine Hündin Akira hat nach drei Tagen, damals haben wir zusammen mit der Rettungshundestaffel im Landkreis Osterholz nicht aufgegeben, dann die Person gefunden. An einem Ort, an dem die Person wahrscheinlich nie gefunden worden wäre. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Manchmal braucht man auch das Glück an seiner Seite. Die Person war gefallen, aber wohlauf - und konnte dann vom Rettungsdienst versorgt werden.
Wie nehmen Sie solche Einsätze wahr?
Auch wenn man Jahre darauf hintrainiert, jemanden zu finden, ist die Situation eine ganz besondere. Es fällt die Last, die Anspannung ab. Und wenn die gefundene Person einem dann noch sagt: "Oh, der Hund hat mich gefunden", kommen einem auch schon mal die Tränen. Solche Einsätze wird man nie vergessen.

Was machen Sucheinsätze mit Ihnen selbst? Tragen Sie Einsätze noch lange mit sich herum oder lassen sie sich schnell "abschütteln"?
Für mich persönlich ist es ein "Job", den wir machen. Wir müssen damit rechnen, jemanden tot zu finden. Wenn wir eine Person tot auffinden, ist es nicht so leicht, die Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Da hilft dann reden oder sich PSNV-Hilfe [Psychosoziale Notfallversorgung; Anm. d. Red.] zu holen. Die wird für Einsatzleute kostenfrei angeboten. Ich kann es für mich "gut abschütteln". Andere tun sich schwerer, aber in unserer Staffel gehen wir damit sehr offen um. Und ich versuche durch Fortbildungen, die Mitglieder auch dahingehend vorzubereiten.
Wie funktioniert das?
Es ist ein Hobby, ja. Aber es ist ein Hobby mit ernstem Hintergrund, der einem auch aufs Gemüt schlagen kann. Es ist nicht so, dass Staffelmitglieder damit nur den Hund beschäftigen. Eine gewisse persönliche Festigkeit muss ein Hundeführer definitiv mitbringen.
Welche Einsätze hatten Sie zuletzt?
Unsere letzten Einsätze waren tatsächlich zwischen 2018 und 2021 - in der vorherigen Staffel.
Woran liegt das?
Ganz ehrlich: Es besteht kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns, was auf persönliche Beweggründe zurückzuführen ist. Es gibt im Kreis Cuxhaven mehrere Rettungshundestaffeln. Eine Zusammenarbeit wäre wünschenswert - und von den Mitgliedern her oft auch nicht das Problem. Leider liegt es oft an der Staffelleitung, die sich dagegen ausgesprochen hat.
Können Sie das konkretisieren?
Ein Beispiel: Im November 2024 gab es eine Vermisstensuche in Hagen im Bremischen. Eine andere Staffel hatte die Leitung des Einsatzes von der Polizei übertragen bekommen. Leider sind wir nicht dazu- beziehungsweise nachalarmiert worden, obwohl wir mit sechs Hunden einsatzbereit gewesen wären. Da ich schon früh vom Einsatz erfahren hatte, setzte ich meine Kollegen in den Status "Voralarm". Von den Kollegen vor Ort wurde eine Alarmierung nicht in Erwägung gezogen, weil wir denen schlichtweg nicht in den Kram passten. Zwei Stunden später wurden dann Kollegen aus Lüneburg angerufen - mit einem Anfahrtsweg von über zwei Stunden. Bis zu deren Eintreffen wurde eine Pause eingelegt. Gegen 2 Uhr nachts wurde der Einsatz erfolglos abgebrochen. Leider ist es in der Realität so: Vor der Bühne haben alle das gleiche Ziel, hinter der Bühne nicht mehr.
Wieso wurden sie bisher nicht von der Leitstelle alarmiert?
Es ist sehr schwer, auf die Alarmierungsliste der Leitstelle zu kommen. Wir haben es über mehrere Wege versucht: über die Großleitstelle Oldenburg, über das Einsatzmanagement Oldenburg, über den Katastrophenschutz Cuxhaven. Wir warten noch auf die Entscheidung, ob eine weitere Rettungshundestaffel benötigt wird.
Wo sehen Sie besondere Herausforderungen in der Region?
Bei der Zusammenarbeit mit anderen Staffeln. Ich kenne viele andere Staffeln, die in sogenannten Kooperationen und Verbunden arbeiten. Das heißt: Rettungshundestaffeln aus verschiedenen Verbänden schließen sich zusammen und bündeln ihre Kräfte, und das auch noch kostenlos für die Polizei. Das ist hier leider so nicht möglich. 2018 hatten wir uns solch einem Verbund angenähert. Dieser wurde mittlerweile aufgelöst, da eine erfolgreiche Zusammenarbeit schwierig ist, wenn unterschiedliche Vorstellungen über die Führungsstruktur bestehen und jeder den Hut selbst aufhaben möchte. Aus den bereits genannten Gründen konnte er nicht bestehen bleiben.

Auch wenn Ihre neue Staffel noch keine Einsätze hatte, haben Sie genug Erfahrung: Wie lange dauern Einsätze in der Regel?
Zwischen zwei und zehn Stunden. Meistens wird man nachts aus dem Bett geholt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich besonders zu den Corona-Zeiten selten vor 23 Uhr schlafen ging - weil kurz danach das Telefon klingelte. Corona war eine einsatzstarke Zeit. Da waren wir viel unterwegs, allerdings noch mit der vorherigen Staffel.
Gibt es spezielle Orte oder Gebiete im Kreis, in denen Hunde häufiger eingesetzt werden?
Das hängt von der Einsatzlage ab und auch stark von der Einsatzleitung, ob die Notwendigkeit von Hunden geboten ist. Als erstes werden immer Mantrailer angefordert. Sie werden dafür ausgebildet, eine individuelle Spur der vermissten Person zu verfolgen, angesetzt am letzten bekannten Ort. Der Mantrailer soll eine Richtung vorgeben, in die sich die Person hinbewegt hat. Sie werden hauptsächlich im bebauten Raum eingesetzt - also in Ortschaften, Städten, Siedlungen. Flächensuchhunde kommen hingegen in weitläufigen Flächen wie Wäldern, Sandkuhlen und Mooren zum Einsatz. Und auch in großen Gebäuden wie zum Beispiel Schulen.
Gibt es aktuell Bedarf an neuen Hundeführern?
Ja, es gibt Bedarf an engagierten Hundeführern. Gerade für die Fläche können wir Verstärkung aufnehmen. Im Bereich Mantrailing sind wir gut aufgestellt.
Welche Voraussetzungen müssen Interessierte mitbringen?
Zeit ist ein Faktor, der oft bei unserer Arbeit unterschätzt wird. Wir trainieren zwei Mal pro Woche, jeweils zwischen fünf und acht Stunden. Dann gibt es Fortbildungen, staffelübergreifende Trainings, Prüfungen und mehr. Da kommt schon etwas zusammen. Auch die Faktoren Geld und Auto sind zu beachten. Das Auto tankt sich nicht von allein, die Trainingsgebiete sind über den ganzen Landkreis und darüber hinaus verteilt. Geld wird zudem für die Ausrüstung für den Hund und sich selbst benötigt. Ein Hund sollte freundlich, aufgeschlossen gegenüber fremden Personen und gut zu motivieren sein, um seine Aufgaben zu erfüllen. Unsere Hundeführer müssen sich alle zwei Jahre einer Einsatzprüfung durch den Verband stellen, um dann in echte Einsätze gehen zu dürfen.

Kann ich nur mit Hund dabei sein?
Nein, hat man keinen Hund, kann man sich als Suchgruppenhelfer oder Einsatzhelfer ausbilden lassen und sich engagieren.
Rettungshundestaffeln finanzieren sich auch ausschließlich über Spenden, richtig?
Ja, über Mitgliedsbeiträge, Zuwendungen und Spenden. Wir freuen uns über Unterstützung in Form von Sach- und Geldspenden, aber auch über Unterstützung bei Trainingsgebieten. Wir begrüßen es immer, wenn wir mal in einen anderen Wald dürfen, auf ein neues Betriebsgelände, in eine neue Sandkuhle, Gebäude oder sonstiges. Abwechslung ist auch für unsere Hunde sehr wichtig. Denn irgendwann kennen die Hunde alle Verstecke.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von den Behörden im Kreis Cuxhaven?
Wir müssen über die Leistelle beziehungsweise Polizei alarmiert werden, um unterstützen zu können. Private Aufträge können wir nicht annehmen. Von den Behörden wäre es wünschenswert, eine höhere Akzeptanz zu bekommen. Das Einsatzmittel Hund steht kostenfrei zur Verfügung.
Und was wünschen Sie sich von den anderen Staffeln?
Ich wünsche mir, dass die Staffeln wieder mehr zusammenrücken, die Kräfte bündeln, sich der Sache "Menschenleben zu retten" gemeinsam annehmen und nicht alleine mit zwei bis drei Hunden herum tingeln oder Nachschub aus der Ferne holen, obwohl man freie Kapazitäten in der Nähe nutzen könnte. Die Bereitschaft der Kommunikation ohne Befindlichkeiten. Ich finde das bedenklich - auch menschlich gesehen. Wir wollen helfen, vermisste Personen zu finden.
Die "Rettungshundestaffel Dreieck-Weser-Elbe" - und weitere Staffeln in der Region