Mitarbeiterwohnungen feiern im Kreis Cuxhaven ein Comeback
Es mangelt an Fachkräften und bezahlbaren Wohnungen. Um neue Mitarbeiter zu locken, haben manche Firmen nun eine alte Idee wiederentdeckt: Sie vermieten günstige Wohnungen an ihre Beschäftigten. Ein aktuelles Beispiel ist in Otterndorf zu finden.
Es wird gesägt und gehämmert, lange Holzbretter werden zum Neubau an der Alfred-Paulsen-Straße getragen. Handwerker bauen dort ein Fahrradschuppen. "Das wird wohl eher ein Fahrradsaal", witzelt ein Mitarbeiter der Zimmereifirma und zeigt die Ausmaße des hölzernen Anbaus. Die voluminöse Fahrradhütte ist Teil des neuen Mitarbeiterhauses, das in den vergangenen Monaten neben der Sauerkonservenfabrik Paulsen hochgezogen wurde. Das hallenähnliche Gebäude bietet Platz für 17 moderne Wohnungen, jeweils 20 Quadratmeter groß, und zwei Gemeinschaftsräume, in denen sich die Kollegen zum Kochen, Fernsehen oder Quatschen treffen können. "Wir liegen in den letzten Zügen", sagt Roberto Barroso, technischer Leiter bei der Firma Paulsen. Er begleitet den Bau seit der Planungsphase.
Während die acht Wohnungen im Erdgeschoss bereits fertig eingerichtet und auch schon bewohnt sind, wird im Obergeschoss noch gebaut. Die Zeit drängt, weil die Saisonarbeitskräfte aus Polen schon mit den Füßen scharren - sie freuen sich auf das neue Domizil.
Dass Mitarbeiter Wohnungen gestellt bekommen, ist bei der Firma Paulsen im Grunde nichts Neues. Doch das alte Haus mit seinen engen Wohnverhältnissen und dem Gemeinschaftsbad entsprach nicht mehr den heutigen Standards. "Das konnte ich nicht länger verantworten", sagt Firmenchef Alfred Paulsen. Der Wunsch nach Privatsphäre sei bei den Arbeitskräften größer geworden, deshalb habe er sich für einen Neubau entschieden. Paulsen weiß, was er an seinen treuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat: "Ohne diese tüchtigen Kräfte wäre eine saisonale Lebensmittelindustrie seit Jahrzehnten nicht mehr möglich." Gebaut wurde mit regionalen Bauunternehmen und ohne jegliche staatliche Förderung. Die Mieten liegen laut Roberto Barroso weit unter dem aktuellen Mietspiegel.
Mit dem neuen Mitarbeiterhaus tut die Firma Paulsen nicht nur etwas für ihre Angestellten, sondern sorgt auch für Entlastung auf dem angespannten Wohnungsmarkt. Bezahlbare Mietwohnungen sind rar in der Medemstadt. Sönke Westphal, Geschäftsführer der Hadelner Baugesellschaft, bestätigt die große Nachfrage nach Unterkünften: "Strukturelle Leerstände sind gegenwärtig nicht festzustellen."
Wohnen bei der Firma kommt wieder in Mode
Wohnen bei der Firma statt in den eigenen vier Wänden - diese Idee ist nicht neu. In den 1970er-Jahren waren Mitarbeiterwohnungen gang und gäbe. Jetzt kommen sie wieder in Mode. Die Renaissance hängt nicht nur mit der Wohnungsnot, sondern auch mit dem Fachkräftemangel zusammen. Mit attraktiven Wohnungsangeboten möchten Unternehmen den Arbeitnehmer an sich binden und auf dem Arbeitsmarkt präsent sein. "Wir müssen schon etwas bieten, wenn wir Fachkräfte haben wollen", sagt Alfred Paulsen. Nicht nur die Wohnung, sondern auch Dolmetscher-Hilfe und Unterstützung beim Anmelden in den Ämtern gehören zum "Rundumservice" von Paulsen, berichtet der Firmenchef.
Mit Mitarbeiterwohnungen ist Paulsen längst nicht allein. So setzt beispielsweise das Best-Western-Hotel "Das Donners" in Cuxhaven auf Apartments für seine Angestellten. Mit dem neu gebauten Haus an der Neuen Reihe, nur einen Katzensprung vom Hotel entfernt, will Geschäftsführer Carsten Weber die Attraktivität von Arbeitsplätzen in Cuxhaven steigern und einen Mehrwert für potenzielle Mitarbeiter durch eine vereinfachte Wohnungssuche schaffen. Er denkt dabei insbesondere an Azubis, Saisonkräfte und Mitarbeiter aus entfernteren Teilen Deutschlands oder auch aus dem Ausland.
Elf möblierte Wohnungen zwischen 21 und 39 Quadratmetern sind entstanden. Das Haus sei bezugsfertig, berichtet Carsten Weber auf Anfrage unserer Zeitung. Die ersten Mitarbeiter würden nächste Woche einziehen. "Außenanlagen und Restarbeiten werden bis Anfang September abgeschlossen sein."
Weber erhofft sich mit dem Mitarbeiterhaus einen Standortvorteil bei der Suche nach Fachkräften. Das Angebot an Wohnungen in Cuxhaven sei aktuell sehr knapp. Außerdem würden Vorurteile gegenüber Menschen aus der Gastronomie- und Hotelbranche die Wohnungssuche erschweren: "Einige Vermieter haben bestimmte Vorstellungen und möchten Mieter aus der Hotellerie nicht haben. Als Gründe werden zum Beispiel die späten Arbeitszeiten und kurze Mietzeiträume genannt", erklärt Weber.
