
Medizinische Zukunft im Kreis Cuxhaven: Neuer Weg gegen den Mangel an Kinderärzten
Michael Scheel liebt seinen Beruf - doch als Kinderarzt allein kann er die Not in der Region nicht lindern. Deshalb hat er seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum umgewandelt. Doch die Nachfrage ist riesig.
Michael Scheel ist Kinderarzt aus Leidenschaft. Doch der Gründer der Praxis "Kinderarzt Cuxland" sieht sich nicht nur als Mediziner, sondern auch als Unternehmer im Gesundheitswesen. "Ich hab' Spaß am Unternehmertum, und ich hab' Spaß am Kinderarztberuf", sagt der 45-Jährige.
Momentan ist der Unternehmer Scheel stärker gefragt. In den zurückliegenden Tagen hat er seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) umgewandelt. Ansonsten hätte er neben einer angestellten Kinderärztin und zwei angestellten Berufskollegen keine weiteren Ärzte beschäftigen dürfen.
Arzt will kinderpsychiatrisches Angebot ausbauen
Das passt aber nicht zu Scheels Plänen: Gerade hat er die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Johanna Katharina Reichel überzeugt, nach der Schließung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Debstedt nach Nordholz zu wechseln.
Seit Anfang Januar arbeitet Reichel mit ihrem Team innerhalb des Regionalen Versorgungszentrums (RVZ) in Nordholz als niedergelassene Ärztin. Scheel hofft aber, dass er die Fachärztin perspektivisch für sein Unternehmen gewinnen kann.
Aktuell laufen die Pläne für den Ausbau von Räumlichkeiten in dem Seitenflügel des RVZ, in dem sich auch Scheels Praxis befindet. Rund 320 Quadratmeter Fläche sind allein für den kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich vorgesehen. Der Umbau soll in Kürze starten; Scheel ist optimistisch, dass die neuen Räume im April oder Mai bezogen werden können.
Kinderpsychiaterin bereits nach erstem Tag ausgebucht
320 Quadratmeter böten genug Platz, um neben Reichel und ihrem Team einen weiteren Kinder- und Jugendpsychiater zu beschäftigen, sagt Scheel. Reichels Praxis hatte bereits nach dem ersten Praxistag in Nordholz gemeldet, vorerst keine neuen Patienten mehr aufnehmen zu können.

Für Scheel keine Überraschung: "Die Not ist riesig. Wenn Frau Dr. Reichel als Kinder- und Jugendpsychiaterin aus dem Landkreis weggegangen wäre, dann hätten wir perspektivisch auf lange Sicht keine Versorgung gehabt." Das sei zu Zeiten, in denen es das MVZ Debstedt noch gab, aber nicht anders gewesen: "Wartezeiten von neun bis zwölf Monaten waren normal."
Zweiter Kinder- und Jugendpsychiater für Nordholz gesucht
Durch den bloßen Umzug von Reichels Praxis ändere sich daran nichts. Scheel hofft aber, dass er für die neue Praxis einen weiteren Kinder- und Jugendpsychiater gewinnen kann. "Das wäre dann zumindest eine deutliche Linderung der Not", sagt der Kinderarzt, "aber selbst zwei Psychiater in Vollzeit reichen zur Versorgung der Region nicht aus."
Scheel will durch die Gründung eines eigenen MVZ aber nicht nur das psychiatrische Angebot erweitern: "Ich hätte auch gern noch einen oder zwei Kinderärzte mehr."
Was sich für seine Patientinnen und Patienten durch die neue Rechtsform ändert? "Abgesehen vom Namen Kinder- und Jugendarztpraxis CUXLAND MVZ GmbH nichts", versichert Scheel.
Aktuell kein Patientenstopp aber lange Wartezeiten
Insbesondere gibt es derzeit keinen Patientenstopp, ein Mittel, zu dem Scheel in den zurückliegenden Monaten durchaus greifen musste. "Aber auch wenn wir stetig wachsen, können wir aktuell noch immer nicht die fehlenden Kinderärzte der Region komplett kompensieren."
Deswegen komme es immer noch zu langen Wartezeiten. Vereinzelt müssten auch noch Kinder weggeschickt werden, wenn es sich nicht um medizinische Notfälle handelt. Das wiederum sorge bei betroffenen Eltern für Frust, den das Nordholzer Praxisteam abbekommen.
Scheel hat Verständnis für Elternsorgen, weist aber auch darauf hin, dass die Nordholzer Kinderarztpraxis nicht die Ursache des Problems ist. Hinzu kommt die aktuelle Krankheitswelle, die auch viele Mitarbeiterinnen aus seinem mittlerweile 23-köpfigen Team betroffen habe.
Scheel will 2025 weitere Kinderarztstelle besetzen
Scheel hofft, im Laufe des Jahres mindestens eine weitere Kinderarztstelle besetzen zu können. Dass er innerhalb des RVZ in Nordholz sein eigenes MVZ gegründet und sich nicht dem bereits existierenden MVZ angeschlossen hat, hat einen einfachen Grund:
"Wir sind eine eigenständige Praxis, die extrem stark gewachsen ist und vorhat, eigenständig weiterzuwachsen. Das geht nur in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, deshalb mussten wir MVZ werden."
Überdies ist Scheels MVZ Teil des RVZ und nutzt die Synergieeffekte, die das Versorgungszentrum seinen Mietern bietet.
Obwohl die unternehmerischen Aufgaben für den Mediziner weiter gewachsen sind, will er auch Kinderarzt bleiben. "Mir macht der Mix aus beidem Spaß", sagt er. "Im Moment muss mehr der Unternehmer ran, aber es wird auch wieder Phasen geben, in denen ich mehr Kinderarzt sein kann."
Von Heike Leuschner