
"Wollten mich abhalten": Macklemore polarisiert beim Deichbrand mit Palästina-Rede
Macklemore spricht beim Deichbrand-Festival 2025 über Palästina - emotional, politisch, umstritten. Für seine Rede erntet er Applaus und Kritik. Besonders die Inszenierung stößt dem Antisemitismusbeauftragten sauer auf. Das Publikum ist gespalten.
Das erste "Free Palestine" des letzten Festival-Abends auf dem Deichbrand (20. Juli 2025) fällt bereits um 18.53 Uhr von Faber auf der Water Stage. Er fügt "Free Kongo" hinzu und singt im Anschluss "Sind so kleine Hände" von Bettina Wegner / Joan Baez - ein Lied, das 1976 veröffentlicht wurde. In den Strophen wird thematisiert, was es mit Kinderhänden, -füßen, -ohren, -mündern und -seelen macht, wenn sie geschlagen, getreten, zerbrüllt und gequält werden. Es endet mit der Zeile: "Gerade, klare Menschen. Wär'n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat. Hab′n wir schon zu viel."
Besucherinnen und Besucher uneins
Bezüglich Macklemores Auftritt sind sich die Besucherinnen und Besucher des Festivals uneins. In einer CN/NEZ-Umfrage gaben einige an, im Vorfeld nichts von der Antisemitismus-Diskussion und der Kontroverse mitbekommen zu haben. "Ich finde, Politik hat hier auf dem Festival nichts zu suchen", bezieht eine Festivalbesucherin Stellung. Eine andere konnte die Aussagen von Macklemore durchaus nachvollziehen und äußerte, sie sei ebenso "Pro Palästina" und könne die Antisemitismus-Vorwürfe nicht verstehen.

Ein weiterer Festivalbesucher äußerte sich informiert: "Ich habe gehört, dass sich seitens des Festivals kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt wurde. Es wurden auch professionelle Experten wie die Bildungsstätte Anne Frank ins Boot geholt, die eine andere Sichtweise präsentieren. Insgesamt profitiert das Festival eher davon, beide Seiten zu beleuchten und ihn als Künstler auftreten zu lassen." Damit habe das Festival eine Balance geschaffen und ein Spektrum an Positionen dargestellt.
Reden, Symbole, Statements
Gerhard Wegner, Antisemitismusbeauftragter des Landes Niedersachsen, ist am Abend mit einer Beobachtergruppe auf das Festival angereist.
"Ich hoffe nicht, dass Macklemore das Deichbrand-Festival massiv missbraucht, um Hetze gegen Israel und gegen Jüdinnen und Juden zu betreiben", äußert er sich im Vorfeld in einem Interview gegenüber der "Welt". Wenn das passieren sollte, müsse man auch über Anzeigen nachdenken, führte er weiter aus. Er hoffe jedoch, dass Macklemore sich an die Absprache mit dem Festival halte - dieses habe ihm vorab ein Schreiben zukommen lassen, das er auch auf der Bühne verlesen solle. Dies würde Wegner durchaus als Einsicht werten.
Zu Beginn seines Auftritts verkündet Macklemore, dass jeder willkommen sei - unabhängig von Religion und Sexualität. Die Stimmung ist ausgelassen. Viele Festivalbesucherinnen und -besucher haben sich vor der Fire Stage für den letzten Hauptbühnen-Gig des Festivals zusammengefunden.

Später holt Macklemore einen Zettel aus der Tasche: Er habe sich vorbereitet, verkündet er. Doch anstelle der erwarteten Rede gegen Antisemitismus hält er die längste "Free Palestine"-Rede, die er bislang bei seinen Auftritten gehalten hat. "Es gab Druck von einigen Menschen in der deutschen Regierung", beginnt er. "Von Institutionen, von Sponsoren, hinter geschlossenen Türen, die mich davon abhalten wollten, dass ich dies heute Abend sage. Aber ich bin immer noch hier."
"Freiheit für Palästina, Freiheit für alle. Frei von kolonialen Gedanken und Aktionen", ruft er. "Frei von Unterdrückung. Frei von den Käfigen der Besetzung. Frei von der Krankheit, die uns erzählt, dass ein anderes Menschenleben weniger wert ist als unser eigenes."
Er sei sicher, dass es Menschen gebe - vielleicht sogar im Deichbrand-Publikum -, die sagen würden, dass es antisemitisch sei, über den Genozid in Gaza zu sprechen. "Aber wir können nicht wegschauen." Er wolle nicht als ruhiger Beobachter stehen bleiben und seine Kinder abends ruhig ins Bett bringen, während andere Eltern diesen Luxus nicht mehr haben. Benjamin "Ben" Hammond Haggerty, wie der US-amaerikanische Rapper aus Seattle mit bürgerlichem Namen heißt, wünscht sich, dass sich jeder an seine Menschlichkeit erinnert: "Wir sind heute Abend hier für die Menschen, die keine Bühne oder kein Mikro haben. Keine Elektrizität, kein Essen und keinen ruhigen Schlaf." Dann widmet er das Lied "Hind's Hall" den Menschen in Palästina. Der Titel bezieht sich auf die Umbenennung der Hamilton Hall an der Columbia University durch pro-palästinensische Aktivisten zu "Hind's Hall" - zu Ehren von Hind Rajab, einem fünfjährigen palästinensischen Mädchen, das von israelischen Streitkräften im Gazastreifen getötet wurde. Der Rapper erntet lautstarken Zuspruch aus dem Publikum. Auf der Leinwand ist eine Palästinaflagge zu sehen und auch Besucherinnen und Besucher des Festivals, die "Pro Palästina" T-Shirts tragen.

Kritischer Blick des Antisemitismusbeauftragten
Gerhard Wegner, Antisemitismusbeauftragter des Landes Niedersachsen, hat den Auftritt gemeinsam mit weiteren Abgesandten beobachtet. Im Anschluss an den Auftritt spricht er noch mit der CN/NEZ-Redaktion über Macklemores Rede. "Es ist Macklemores gutes Recht, zu kritisieren, was Israel im Gazastreifen macht", betont er. "Dazu hat es Beifall gegeben - und das kann man auch gut verstehen. Alle stimmen ihm zu - auch ich."
Durch die einseitige Darstellung und ohne Erwähnung der Anschläge durch die Hamas spreche er Israel jedoch das Lebensrecht ab. Besonders sei Wegner aufgefallen, dass Macklemore seine hochpolitischen Statements in eine hochpopuläre Show einbetten würde. "Er spricht und singt von Liebe und Leben und fängt damit die Leute ein - und dann kommt plötzlich dieses scharfe politische Statement", so Wegner. Dies sei problematisch. Darüber, welchen Text der Veranstalter Macklemore vorab zum Verlesen habe zukommen lassen, wusste der Antisemitismusbeauftragte nichts. Den Inhalt hätten die Verantwortlichen nicht öffentlich gemacht. Die Expertengruppe wolle jetzt noch einmal deutlich herausstellen und öffentlich machen, welche politische Botschaft ihrer Ansicht nach hinter Macklemores Aussagen steckt.