
Was lief schief bei der 112? Notruf aus Otterndorf landet in falscher Rettungswache
"Wirklich schockiert" ist Petra Claus noch immer. Dabei liegt der Unfall, dessen Zeuge sie mitten in Otterndorf wurde, inzwischen eine Woche zurück. Sie bewegt aber nicht nur der Verlauf, sondern auch, was sie beim Absetzen des Notrufs erlebte.
Die Otterndorferin Petra Claus, die bei einer Kanzlei arbeitet, lief am Donnerstag vergangener Woche gegen 13 Uhr aus dem Büro auf den Gehweg in der Großen Ortsstraße. Dort hörte sie ein "Knallen" und "Knirschen". Claus sah, dass ein Kind mit einem Auto kollidiert war. Die Polizei teilte im Anschluss mit, dass der zehnjährige Junge auf seinem Tretroller auf dem Zebrastreifen die Straße überqueren wollte, als ein 77-jähriger Autofahrer aus Ihlienworth das Kind erfasste.
Weil sich laut Petra Claus bereits mehrere Menschen um den Jungen versammelten, um ihm zu helfen, wählte sie den Notruf, um einen Rettungswagen zu alarmieren. Sie rief die "112" und landete ihren Angaben zufolge bei der Feuerwehr in Cuxhaven. Sie habe dem Mann zu verstehen gegeben, dass sie sich in der Großen Ortsstraße in Otterndorf befinde, ein Kind von einem Auto erfasst worden war und sie sich einen Rettungswagen vor Ort wünsche. Der Mann habe ihr geantwortet, dass sie die Nummer "04 71 19 222" wählen soll. Dort werde ihr geholfen. "Ich habe mir nur die Vorwahl gemerkt und dreimal die Zwei", erinnert sich Petra Claus mit dem Hinweis darauf, dass sie in dem Moment aufgeregt gewesen sei und neben sich gestanden habe. Unter dieser falsch gemerkten Nummer erreichte sie selbstverständlich niemanden.
Erneut die 112 gewählt
Also wählte sie ein weiteres Mal die "112" - und landete erneut bei der Feuerwehr in Cuxhaven. Ein Mitarbeiter leitete sie weiter, bevor eine weitere Person ihr ebenfalls die Telefonnummer mit der Bremerhavener Vorwahl (0471) 19 222 nannte. "Diese Nummer werde ich im Leben nicht mehr vergessen", prophezeit Petra Claus. Die Recherche ergibt: Sie gehört zur Integrierten Regionalleitstelle Unterweser-Elbe mit Sitz in Bremerhaven.
"Jedes Kind lernt, dass einem unter der 112 geholfen wird. Aber dann wird einem da nicht geholfen", empört sich die Otterndorferin. Sie ist froh, dass während ihres zweiten Gesprächs mit der Cuxhavener Wache der Rettungswagen um die Ecke bog. Petra Claus ist sicher: Ihr Notruf könne nicht der Auslöser gewesen sein. Sie vermutet, dass ein anderer Ersthelfer mehr Glück hatte. Apropos: Erleichterung macht sich bei ihr breit, weil der zehnjährige Junge trotz des starken Zusammenstoßes mit dem Auto laut Polizei nur leicht verletzt wurde.
Stadt prüft den Vorgang noch
Direkt zu dem Vorfall des offensichtlichen telefonischen Irrläufers konnte sich die Stadt Cuxhaven bis Freitagnachmittag gegenüber unserem Medienhaus noch nicht äußern. "Der geschilderte Ablauf/Unfall in Otterndorf wird von uns gerade noch intern geprüft", sichert Pressesprecher Marcel Kolbenstetter zu. Prinzipiell sei es so, dass die Zuordnung des Notrufes eines Mobiltelefons durch die Mobilfunkzelle erfolge, in die sich das Mobiltelefon eingewählt hat. "In der Nähe der Grenze zwischen zwei Leitstellenbereichen kann es vorkommen, dass sich das Mobiltelefon in eine nicht zum Bereich der zuständigen Leitstelle befindlichen Basisstation des Mobilfunknetzes einwählt." Laut Kolbenstetter fragen seine Kollegen in der Leitstelle zunächst den Einsatzort ab und dann das Notfallgeschehen. "Ist für den Notfallort eine andere Leitstelle zuständig, werden Basisinformationen (Einsatzort, Notfall, Rückrufnummer) notiert und dann das Gespräch an die zuständige Leitstelle vermittelt", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des städtischen Pressesprechers und abschließend: "Heißt: die Notrufnummer 112 ist vollkommen korrekt!"
Von Joscha Kuczorra und Wiebke Kramp