Abriss des alten Beckmann-Hofes in Otterndorf wühlt viele Erinnerungen hoch
Mit viel Staub und Lärm wurde in Otterndorf der alte Hof Beckmann an der Stader Straße - und damit auch ein Stück Geschichte - zu Grabe getragen. Der Abriss weckt viele Erinnerungen.
Er war prägender Teil des Stadtbildes in Otterndorf, sagen die einen. Der Abriss geht völlig in Ordnung, meinen die anderen: Der Abbruch des alten Beckmann-Hofes an der Stader Straße, in direkter Nachbarschaft zum Penny-Markt, sorgte für lebhafte Diskussionen in der Medemstadt. Wie berichtet, will die SeniorenConcept Bau GmbH aus Oldenburg auf dem Areal neuen Wohnraum für Senioren schaffen.
Zwei Wohngebäude mit jeweils 18 Wohnungen sind geplant. Zur künftigen Seniorenwohnanlage wird auch ein Service- und Betreuungsangebot gehören. Möglichst im Spätsommer soll es mit dem Rohbau losgehen, sagt Johanna Kaller, Geschäftsführerin der SeniorenConcept Bau GmbH. Mit der Fertigstellung rechnet sie Ende 2025.
Viele Otterndorfer verbinden mit dem abgerissenen Reetdachgebäude gegenüber der Score-Tankstelle noch lebhafte Erinnerungen. Das auf einer Wurt gelegene Gebäude gehörte lange Zeit der Familie Beckmann, die dort einen landwirtschaftlichen Betrieb mit etlichen Ländereien führte. Liese Lotte Beckmann starb 2016.
Familie Gottschalk baute Gebäude zum Ponyhof um
Ende der 1990er-Jahre kaufte die Familie Gottschalk den Hof, modernisierte ihn und baute ihn zum Ponyhof um. Jürgen und Michaela Gottschalk veranstalteten Kindergeburtstage und boten Ponyreiten für Kinder an. Eine Vielzahl an Tieren - nicht nur Pferde - lebte auf dem Bauernhof. 2005 und 2006 sorgten zwei Großbrände für Schlagzeilen, bei denen Stallgebäude niederbrannten und mehrere Tiere ums Leben kamen.
Zuletzt gehörte das Grundstück (mitsamt Bauernhof) der Firma Projektentwicklung Rainer Gloy in Beverstedt, die das Areal an die SeniorenConcept Bau GmbH verkauft hat.
Doch die Historie des Beckmannschen Anwesens geht noch viel weiter zurück: Erster namentlich bekannter Besitzer des Hofes war Claus Bulle. Er lebte um 1650. Ob die Familie Bulle bereits um 1600 auf dem Hof gewirtschaftet hat, ist nicht überliefert. Der Hof Beckmann lag in der Gemarkung Dickenhoop vor dem Otterndorfer "Osterthor". Bis 1929 gehörte die Gemarkung zu Otterndorf-Osterende.
Was kaum bekannt ist: Auf dem Beckmannschen Land stand einst ein Galgen. Folgendes wird in verschiedenen Chroniken berichtet: "Am 29. März 1614 ist der neue Galgen auf dem (Medem-)Deiche gebauet und haben alle Zimmerleute im Land Hadeln daran arbeiten müssen, damit der eine dem andern dieser wegen nichts vorzurücken hätte. Solches ist geschehen in Gegenwart des Gräfen Hinrich von Platen und anderen Amtsträgern sowie der ganzen Landschaft."
Ende des 16. Jahrhunderts hatte der Galgen noch auf dem Marktplatz vor dem Rathaus gestanden. Im Jahr 1594 wurde er außerhalb des Ostertores auf dem Land eines dortigen Bauern errichtet. Diese Stelle stellte sich aber als ungeeignet heraus, unter anderem hatten die Zuschauer einer Hinrichtung das gerade aufkeimende Getreide niedergetreten. "So hat man den Galgen daselbst niedergehauen und ihn auf dem vorgenannten (Medem-)Deich wieder errichtet."
Später erzählten sich die Leute über den Grund der Verlegung des Galgens folgendes: "Es soll eine Frau, welcher das Land gehörte, wegen Zauberei zum Tode verurteilt worden sein. Diese soll bei ihrer Hinführung zum Richtplatz den Herzog gebeten haben, dass ihr Körper doch nicht unter dem Galgen, sondern in ihrem eigenen Lande begraben werden möchte. Wenn nun gleich der Herzog ihre Bitte in so weit gewährt, dass ihr Körper in ihrem eigenen Lande eingescharrt worden ist, so hat er doch bald nachher den Galgen über ihrem Begräbnisse aufrichten lassen, wo er denn auch so lange gestanden, bis er in diesem 1614. Jahre durch den Fronknecht umgehauen und auf dem Deiche errichtet worden ist."
