An Gloger-Orgel in Otterndorf: Kurzfristiger Ersatz entfesselt musikalische Vielfalt
Am Ostersonntag entfaltete sich in St. Severi Otterndorf die frisch restaurierte Gloger-Orgel unter den Händen von Prof. Wolfgang Zerer ihre klangliche Pracht. Eigentlich hatte jemand anderes spielen sollen.
Manchmal kommt es auch im Konzertleben von jetzt auf gleich anders als man denkt. So geschehen am Ostersonntag in St. Severi Otterndorf. Dort sollte eigentlich der junge, 2024 in Leipzig mit dem Bach-Preis ausgezeichnete Pole Jakub Moneta an der Gloger-Orgel spielen. Zum so volltönigen wie differenzierten Klingen brachte an diesem Tag jedoch Prof. Wolfgang Zerer das Instrument - ein in der Aufführungspraxis Alter Musik international hochangesehener Interpret.
Wolfgang Zerer, der in Wien Orgel noch bei Michael Radulescu studierte, ist mit den beiden anderen berühmten historischen Orgeln in Otterndorfs unmittelbarer Nähe, mit der Wilde-Schnitger-Orgel in Lüdingworth und der Klapmeyer-Orgel in Altenbruch, bestens vertraut. Immer wieder hat er in den vergangenen Jahrzehnten an den Instrumenten konzertiert. Dass er sich "sehr freut", nun die gerade fertig restaurierte Gloger-Orgel spielen zu dürfen, wie er am Ostersonntag vor dem Konzert sagte, glaubte man ihm aufs Wort.
Natürlich war die Freude auch ganz auf Seiten des Orgelfördervereins, denn für einen plötzlich erkrankten Interpreten auf die Schnelle jemanden von hoher Qualität zu finden, ist wahrlich nicht einfach, eigentlich unmöglich. Dass das gelang, sei - so der neue 1. Vorsitzende Jan Hardekopf - Hansjörg Albrecht, dem Initiator und Leiter des "Internationalen Bach-Fest Hamburg", zu verdanken. Im Rahmen von "Bach vor den Toren Hamburg" ist Otterndorf mit seiner Gloger-Orgel nämlich Teil des 2025 erstmals unter diesem Titel stattfindenden Festes.
Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge C-Dur (BWV 547) bildete am Ostersonntag gewissermaßen die Klammer des Programms für das "Festliche Osterkonzert" in St. Severi. Ein Programm, das Ostern und seine Bedeutung für die Christen in dieser Welt mit Georg Böhms verzierungsreicher Partita über "Jesu, du bist allzu schöne" und drei Choralbearbeitungen aus Bachs "Orgel-Büchlein" (darunter "Christ ist erstanden") unüberhörbar ins Zentrum rückte. Natürlich ging es in diesem Osterkonzert-Programm auch um Vielfalt - umkompositorische Vielfalt, um die schier unglaubliche Vielfalt des Musiker-Genies Johann Sebastian Bach und ganz besonders auch um die klangliche Vielfalt der barocken Gloger-Orgel.
Ein Kenner historischer Orgeln vom Renommée Wolfgang Zerers ist geradezu prädestiniert, diese Vielfalt nach allen Regeln der Kunst aufzufächern. Nach erfolgter Restaurierung durch die Orgelbauwerkstatt Hendrik Ahrend (Leer) wollen die Orgel-Fans im Lande nun natürlich wissen, was das Instrument an Klängen so alles zu bieten hat. Und genau dafür eignen sich Werke wie die Böhm-Partita oder die letzte der 6 Triosonaten von Bach (in G-Dur BWV 530) ganz hervorragend. Da wird das Ohr der Zuhörer von Zerer an diesem Abend immer wieder auf die Flötenstimmen gelenkt, während er das wirklich wunderschöne Krummhorn seinem Publikum schon gleich zu Beginn des Konzertes ans Herz gelegt hat. Und mit den an den Anfang und das Ende gesetzten Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach führt er schließlich beeindruckend St. Severis große Barockorgel in ihrer ganzen Klangfülle vor.
Von Ilse Cordes