Am Dienstagnachmittag ist der ZOB am Schulzentrum verwaist. Stunden zuvor ist es hier zu einem Polizeieinsatz gekommen. Foto: Schröder
Am Dienstagnachmittag ist der ZOB am Schulzentrum verwaist. Stunden zuvor ist es hier zu einem Polizeieinsatz gekommen. Foto: Schröder
"Ausländer raus"-Rufe

Rassistische Parolen am Schulzentrum in Otterndorf - wie im Sylt-Video

von Joscha Kuczorra | 28.05.2024

Ausländerfeindliche Gesänge im Kreis Cuxhaven: Nach dem "Ausländer raus, Deutschland den Deutschen"-Video von der Insel Sylt hat jetzt auch das Cuxland ein Fall erreicht. Die Hintergründe und Reaktionen im Artikel.

Die "Ausländer raus"-Welle hat das Cuxland erreicht. Herübergeschwappt ist sie von der Insel Sylt, wo an Pfingsten junge Menschen ausländerfeindliche Gesänge angestimmt hatten. Im Anschluss waren Videoaufnahmen der Szenen in den sozialen Medien gelandet, woraufhin es starke Kritik von allen Seiten gab. Aber auch ähnliche Video-Sequenzen von anderen Orten landeten im Netz. Nun hat auch der Kreis Cuxhaven seinen ersten bekannt gewordenen "Sylt-Fall".

Schüler des Gymnasiums in Otterndorf schalten die Polizei ein

Publik gemacht hat den Vorfall die Polizeiinspektion Cuxhaven: Am Dienstagmittag (28. Mai) gegen 12.30 Uhr soll eine Gruppe am zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) am Otterndorfer Schulzentrum "Gesänge mit ausländerfeindlichem Hintergrund lautstark gesungen" haben. Eine Schulklasse des Gymnasiums, die noch im Unterricht gewesen war, hatte die Gesänge durch das offene Klassenfenster gehört und informierte die Polizei.

Der ZOB liegt in unmittelbarer Nähe zu dem Schulkomplex in Otterndorf. Vom Klassenzimmer aus hörten die Schülerinnen und Schüler einer Klasse des Gymnasiums die Rufe. Foto: Schröder

Explizit soll die Zeile "Ausländer raus, Deutschland den Deutschen" mehrfach gesungen worden sein, erklärt Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizei Cuxhaven. Hinterlegt worden waren die Verse mit der Melodie des Songs "L'amour toujours" des italienischen DJs und Musikproduzenten Gigi D'Agostino.

Polizei trifft am ZOB am Schulzentrum in Otterndorf auf junge Menschen

Umgehend schickte die Polizei Einsatzkräfte zum ZOB. Vor Ort trafen die Beamten auf "eine Gruppe von knapp zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen", so Hertz. Die Polizisten stellten die Personalien der jungen Menschen fest. Ein 16-jähriger Jugendlicher gab nach Angaben des Polizeisprechers zu, den Vers gesungen zu haben. Er sei - wie die meisten der übrigen anwesenden Personen - Schüler der Realschule Otterndorf. Weitere namentlich feststehende Personen, die zumindest als Zeugen aufgenommen wurden, hätten eine Beteiligung zumindest teilweise abgestritten. Sie hätten angegeben, dass sie dabei gewesen seien, aber nicht mitgesungen hätten. "Insgesamt waren alle angetroffenen Personen zwischen 15 und 19 Jahre alt und sowohl männlich als auch weiblich", bilanziert Stephan Hertz. Sie seien Schülerinnen und Schüler verschiedener Jahrgangsstufen.

Zum Schulzentrum in Otterndorf gehören neben der Realschule auch das Gymnasium und die Hauptschule. Foto: Schröder

"Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen": Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe

Die Polizei habe "bereits vor Ort eindringliche Gespräche mit allen Beteiligten geführt", versichert der Polizeisprecher, der von "absolut keinem Kavaliersdelikt" spricht und darauf verweist, dass entsprechende Strafverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wurden. Auf Volksverhetzung stehe im Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren. Im Jugendstrafrecht könne die Strafe milder ausfallen. Die strafrechtlichen Ermittlungen würden zeigen, "ob wir den Sachverhalt aufklären können". Ob die Personengruppe (oder Außenstehende) den Vorfall in Otterndorf filmte und möglicherweise sogar in den sozialen Medien hochgeladen hat, "kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden", so Hertz. Seinen Angaben zufolge sei dies aber nicht unwahrscheinlich.

Cuxhavens Polizei-Chef will "derartiges Verhalten konsequent unterbinden"

"Eine starke Sensibilisierung, offene Aufklärungsarbeit, aber auch der klare Hinweis auf strafbares Verhalten sind die gesamtheitlichen Aufgaben aller beteiligten Institutionen und Behörden", mahnt Michael Hasselmann, Leiter der Polizeiinspektion Cuxhaven. "Schulen und Schulträger sowie Präventionsangebote, zum Beispiel durch die Polizei, aber auch strafrechtliche Ermittlungen und gegebenenfalls juristische Konsequenzen müssen dazu führen, dass derartiges Verhalten konsequent unterbunden wird."

Cuxhavens Landrat zu "Ausländer raus"-Rufen: "Kein Verständnis für Verhalten"

Zu dem Schulzentrum in Otterndorf gehören eine Hauptschule, eine Realschule und ein Gymnasium. Schulträger aller drei Bildungseinrichtungen ist der Landkreis Cuxhaven. Landrat Thorsten Krüger hat "kein Verständnis für dieses Verhalten - auch nicht, wenn es ein Nachahmungseffekt der Vorfälle auf Sylt ist. Ausländerhass und Rassismus haben hier keinen Platz. Es geht hier um Menschen! Die Behörden sind nun umso mehr gefragt, zusammenzuarbeiten, damit so etwas nicht passiert - oder eben klare Konsequenzen hat."

Der Landrat weiter: "Außerdem brauchen wir Zuwanderung, um unser System aufrechterhalten zu können. Wir müssen die Chancen sehen, die die Zuwanderung mit sich bringt. Gesetzesverstöße - von zugewanderten und nicht zugewanderten Menschen - müssen konsequent verfolgt und geahndet werden. Es gibt klare Regeln und in diesen können wir alle uns bewegen und gestalten. Auch das Recht auf Asyl ist wichtig. Die Welt wandelt sich."

Die Johann-Heinrich-Voß-Realschule in Otterndorf war am Dienstagnachmittag für ein Statement nicht zu erreichen.

"Ausländer raus, Deutschland den Deutschen": Woher kommt der Trend?

In einem Sylter Lokal stimmten feiernde junge Menschen an Pfingsten rassistische Parolen an. Das Video des Vorfalls verbreitet sich seit Donnerstag in den sozialen Netzwerken. Darin zu sehen sind Gäste der Bar, die die ausländerfeindlichen Zeilen "Ausländer raus, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" grölen. Die Melodie gehört zu Gigi D'Agostinos "L'amour Toujours". Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart und den sogenannten Hitlergruß anzudeuten.

"Ausländer raus": Ähnliche Fälle auch in Niedersachsen und Sachsen

Seitdem gibt es weitere Videoaufnahmen von feiernden Menschen an anderen Orten, die die Zeilen skandieren - unter anderem aus Cloppenburg (Niedersachsen) oder dem Erzgebirge (Sachsen). Auch beim Schlagermove in Hamburg soll es am Wochenende zu ähnlichen Szenen gekommen sein.

Sylt-Video basiert auf einem TikTok-Trend aus Mecklenburg-Vorpommern

Auch schon vor dem Sylt-Fall hat es mehrfach Videos solcher Gesänge zu dem Partyhit in Deutschland gegeben. Die Singenden sprangen damit mutmaßlich auf einen TikTok-Trend auf, der seinen Ursprung in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern haben soll. Die Zeitung "Katapult MV" aus Mecklenburg-Vorpommern hatte im Oktober 2023 darüber berichtet.

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Joscha Kuczorra

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

jkuczorra@no-spamcuxonline.de

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