Vier Stunden Verhandlung am Otterndorfer Amtsgericht - und doch keine Klarheit
Ein Streit im Otterndorfer Lebensmittelgeschäft eskaliert, als ein Mitarbeiter sein Gehalt einfordert. Zeugen widersprechen sich, Beweismittel fehlen. Nach vier Stunden Verhandlung bleibt das Gericht ratlos. Was stimmt, was nicht?
In einem kleinen Lebensmittelgeschäft in Otterndorf soll sich Anfang Januar 2025 eine Auseinandersetzung abgespielt haben, die nun vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Otterndorf verhandelt wurde. Drei Männer im Alter von 44, 26 und 22 Jahren standen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung vor Gericht. Doch trotz stundenlanger Beweisaufnahme blieb am Ende vieles unklar - und die Männer wurden freigesprochen.
Laut Anklage war der älteste der Angeklagten an jenem Tag in den Laden gekommen, um sein Gehalt abzuholen. Als dieses nicht in bar ausgezahlt wurde, soll er wütend geworden sein und angekündigt haben, "den Laden auseinanderzunehmen". Er soll seine beiden Neffen gerufen haben, die kurz darauf im Geschäft erschienen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seinen Chef ins Gesicht geschlagen und mit einem Messer bedroht zu haben. Die jüngeren Mitangeklagten sollen den Ladenbesitzer derweil festgehalten und gegen ein Regal gedrückt haben. Zudem sollen Gläser und Konserven geworfen worden sein, wodurch ein Schaden von rund 20.000 Euro entstanden sein soll.
Kündigung statt Geld
Die Verteidigung hingegen zeichnete ein völlig anderes Bild. Der 44-Jährige sei mit seinem zehnjährigen Sohn im Laden gewesen, um seinen ausstehenden Lohn zu erhalten. Stattdessen habe er die Kündigung bekommen und sei von seinem Chef und dessen Geschäftspartner beleidigt worden. Sein Sohn habe daraufhin die beiden Neffen herbeigeholt. Diese seien lediglich in das Geschäft gegangen, um ihren Onkel, der zu Boden gegangen sei, aus der Situation herauszuholen. Später suchte der älteste Angeklagte ein Krankenhaus auf.
Auch der Ladenbesitzer selbst sagte aus - allerdings mit teils erheblichen Widersprüchen zwischen seinen Aussagen vor Gericht und denen bei der Polizei. Er gab an, sich beim Versuch, seinen Kopf zu schützen, an der Hand verletzt zu haben. Ein Arztbericht bestätigte eine etwa einen Zentimeter lange, oberflächliche Schnittwunde. Die Angeklagten gaben an, die Verletzungen des Ladenbesitzers seien nicht durch den Angriff entstanden, sondern durch eine Scherbe, die am Boden gelegen habe.
Kameras haben keine Bilder gespeichert
Eine Zeugin - eine Frau, die der älteste Angeklagte während des Vorfalls angeblich angerufen hatte - sollte für Klarheit sorgen. Sie berichtete, dass es den Anruf gegeben habe und sie Beleidigungen der Ladenbetreiber gehört habe. Doch auch dieser Punkt blieb unsicher: Die Telefonnummer des Angeklagten existiert nicht mehr, und ein Nachweis, ob es diesen Anruf wirklich gab, war damit unmöglich. Zwar gab es Kameras im Laden, doch die Aufnahmen wurden nicht gespeichert.
Trotz Dolmetschern gestaltete sich die Verständigung schwierig. Die insgesamt vierstündige Verhandlung brachte kaum klare Erkenntnisse. Zeugen konnten den Ablauf nicht verlässlich rekonstruieren, die Beweismittel waren erschöpft. So stand die Staatsanwaltschaft am Ende vor zwei völlig unterschiedlichen Versionen eines Geschehens, das sich nicht mehr sicher aufklären ließ. Sie plädierte deshalb auf Freispruch - ein Schritt, dem sich die Verteidiger anschlossen.
Richterin Sabine Deutschmann sprach die drei Angeklagten schließlich frei. Sie betonte jedoch, dass der Freispruch nicht bedeute, dass die Vorwürfe nicht passiert seien. Vielmehr sei der Tatvorwurf schlicht nicht nachweisbar gewesen. Die stark voneinander abweichenden Schilderungen ließen eine Verurteilung unmöglich erscheinen.