Manfred Hausin, der im kommenden Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, war
1985 Otterndorfs erster Stadtschreiber. Foto: Philipp Thonet
Manfred Hausin, der im kommenden Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, war 1985 Otterndorfs erster Stadtschreiber. Foto: Philipp Thonet
Interview

Der Autor Manfred Hausin war vor 40 Jahren Otterndorfs erster Stadtschreiber

von Christian Mangels | 25.04.2025

Manfred Hausin aus Giesen im Landkreis Hildesheim war vor 40 Jahren Otterndorfs erster Stadtschreiber. Im Interview erinnert sich der heute 73-Jährige an seinen Aufenthalt in der Medemstadt, an Lesungen, Weggefährten und feuchtfröhliche Episoden.

Herr Hausin, wie sind Sie damals an den Stadtschreiber-Posten gekommen?

Ich kannte Otterndorf schon durch eine Einladung des damaligen Leiters der Stadtbibliothek, Klaus Schadewinkel, der ein Schriftstellerkollege war. Durch ihn erfuhr ich später auch vom Stadtschreiberamt. Und so ist es letztlich Klaus Schadewinkel zu verdanken, dass ich als erster Stadtschreiber das Eis in Otterndorf brechen durfte.

Welche Bilanz ziehen Sie heute aus Ihren Monaten als erster Otterndorfer Stadtschreiber?

Ich habe diese Zeit als sehr bewegt und ausgefüllt empfunden. Die Einweihung der Stadtscheune fiel in jene Tage und ich konnte gut besuchte Veranstaltungen - allein und mit befreundeten Musikern und Kollegen - nicht nur dort machen, sondern auch in Schulen, Kneipen und an anderen Orten. Wenn ich bedenke, wie viele Bücher ich zurückgelassen habe und dass ich niemanden zum Kauf zwingen musste, dann kann ich mich wahrlich nicht beklagen…

Sind Ihnen bestimmte Personen in Erinnerung geblieben?

Da denke ich zunächst an Heinz-Ludwig Fischhöfer, mit dem mich eine lebendige und diskutierfreudige Beziehung verband. Er hatte sich meiner angenommen, und oft war ich Gast bei ihm und seiner lieben Frau Renate. Sein Name ist für mich untrennbar mit Otterndorf verbunden. Und natürlich erinnere ich mich an den Kulturausschussvorsitzenden Hans-Volker Feldmann, an Vera Dieckmann, Bürgermeister Hermann Gerken und Dr. Stanneck, bei dem ich zahnmäßig in Behandlung war. Sein Buch "Priggen", das er mir schenkte, halte ich heute noch in Ehren. Erna Kayser ist mir in Erinnerung geblieben, die erzählgewaltige Lehrerin, die mir ihre Sammlung mit regionalen Kochrezepten verehrte - mit Widmung. Und dann natürlich Wolfgang Schmitz, der damalige Otterndorfer Stadtdirektor, den ich mit seiner Frau Brigitte vor einigen Jahren bei meiner "Langen Nacht der Poesie" in Bad Zwischenahn begrüßen konnte.

Haben Sie noch konkrete Erinnerungen an Ihre Unterkunft, das Gartenhaus am Süderwall?

Naja, ich war der erste Stadtschreiber. Und dazu gehörte wohl, dass ich das Häuschen "trocken wohnen" sollte. Das ist mir natürlich nicht gelungen, da ich des Öfteren Besuch von Einheimischen bekam, wobei es dann nicht selten feuchtfröhlich zuging. Jedenfalls war die untere Etage klamm und muffig, sodass ich ganz nach oben zog. Als dann Ungeziefer im Untergeschoss einzog, musste ich für eine Woche ausziehen...

Apropos feuchtfröhlich. Erzählen Sie doch mal die Geschichte mit dem Wein.

Ach ja, der Wein. Pro Monat gab es damals ein Deputat von elf Flaschen Wein. Die wurden in zwei Originalkartons an einem bestimmten Tag vor die Tür des Stadtschreiberhäuschens abgestellt. Wieso es nur elf und nicht zwölf Flaschen waren, warum also in einem Karton immer eine Lücke war, das ist mir bis heute unerfindlich geblieben. Das Deputat ist wohl inzwischen abgeschafft. Finde ich auch richtig. Die Jungen sollen nicht so viel saufen, die trinken ja den Alten alles weg…

Hat sich Ihr Leben durch die Otterndorfer Stadtschreiber-Zeit verändert?

Nicht wirklich. Ich hatte Gelegenheit, in anderer Umgebung meinem Beruf nachgehen zu können und dabei neue Eindrücke zu gewinnen. Verändert hat sich mein Leben dadurch aber nicht.

Würden Sie Ihre Zeit in Otterndorf rückblickend als fruchtbar bezeichnen?

Aber ja. Vor 20 Jahren ist im Mitzkat-Verlag unter dem Titel "Erzpoet & Eulenspiegel" ein Buch erschienen, in dem ich unter anderem auf den Otterndorf-Aufenthalt eingehe. Er fiel in eine Zeit, in der ich mehrfach als Stipendiat oder Stadtschreiber in verschiedenen Regionen weilte, in einigen Fällen für ein ganzes Jahr. Das war eine prägende Zeit, vergleichbar mit der Walz von Handwerksburschen. Ich habe damals viel gesehen, manches erlebt und einiges gelernt. Heute, da ich sesshaft bin und meinen eigenen "Mundwerksbetrieb" vor Ort habe, von dem aus ich zur Erledigung einzelner Aufträge aufbreche, denke ich gern an diese Wanderzeit zurück.

Haben Sie Otterndorf nach Ihrer Zeit als Stadtschreiber noch einmal einen Besuch abgestattet?

Hin und wieder war ich noch in Otterndorf und Umgebung, zum Beispiel in der Stadtbibliothek und der Realschule, in Balje, Bederkesa und Cuxhaven und natürlich immer wieder gern bei Olaf Schlichting im Café Alt-Neuhaus. Ich könnte mir vorstellen, im nächsten Jahr, zu meinem 75. Geburtstag, mal wieder hochzufahren. Vielleicht meldet sich die Stadt ja mal bei mir...

Kennen Sie eigentlich andere Otterndorfer Stadtschreiber? Tauscht man sich untereinander aus?

Oh ja. Von den Stadtschreibern habe ich besonders Manfred Böckl und Bernhard Lassahn gut gekannt. Mit beiden, insbesondere mit Lassahn, habe ich heute noch Kontakt. Lassahn war auch regelmäßig bei den "Langen Nächten der Poesie" dabei. Die anderen Stadtschreiber kenne ich überhaupt nicht. Ich bin nicht benachrichtigt worden, wer im jeweiligen Jahr Stadtschreiber geworden ist. Obwohl, da gab's doch mal einen, der war mir aus der Ferne aufgefallen: der "Blaue Peter".

Sie meinen den Schriftsteller Peter Roos, Stadtschreiber des Jahres 1997.

Ja, der hatte doch so einen bescheuerten Artikel in der "Zeit" geschrieben und darin mit den Verantwortlichen in Otterndorf abgerechnet. Furchtbar...

Otterndorf feiert in diesem Jahr das 625-jährige Bestehen. Was wünschen Sie der Stadt zu diesem besonderen Geburtstag?

Dass sie so nett und überschaubar bleibt, wie sie schon immer war. Sagen Sie, gibt es eigentlich noch diese Germanenkämpfe in Otterndorf?

Nein, die gibt es nicht mehr.

Oh, das ist aber schade.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

In Kürze kommt eine neue CD heraus. Es ist ein mehr als 30 Jahre alter Mitschnitt aufgetaucht, den bringen wir neu heraus. Zum 75. Geburtstag gibt es dann ein neues Buch und später sicherlich noch weitere Bücher.

Rente ist offenbar ein Fremdwort für Sie...

Sie wissen doch: Künstler und Rente - das passt nicht zusammen.

Zum Schluss: Haben Sie einen Tipp für künftige, junge Stadtschreiber?

Da möchte ich auf den Rat meiner Großmutter zurückgreifen, die sagte: "Junge, schreib' nicht so'n Quatsch, ergreife einen anständigen Beruf." Für mich kam das damals zu spät, für manch künftige Stadtschreiberinnen und Stadtschreiber von Otterndorf und darüber hinaus aber - so sehe ich altersweise voraus - käme das gerade noch rechtzeitig…

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