Die "schnellste Stadtschreiberin Otterndorfs": Verena Liebers sagt Tschüss
Einen Monat lang hat Verena Liebers als Stadtschreiberin in Otterndorf gelebt und gearbeitet - es war nicht ihr erstes Stipendium in der Medemstadt. Nun verabschiedet sich die Autorin und Biologin und blickt auf buchstäblich bewegte Wochen zurück.
"Der Sommer ist gegangen, ein Wind streift durch den Wald. Und im Nebel, ganz verfangen, bleibt der Tag nun furchtbar kalt." Gedichte wie dieses hängen wie trocknende Wäschestücke an der Leine vor dem Gartenhaus, bereit zum "Abpflücken" durch Spaziergänger und Lyrikfreunde. Drinnen sitzt Verena Liebers am Schreibtisch, tippt poetischen Nachschub und blickt auf den Süderwall.
Wenn neugierige Besucher an den Zaun treten, um einen Blick auf die Stadtschreiberin zu erhaschen, geht sie nach draußen und spricht mit den Leuten. "In Otterndorf ist es leicht, Menschen kennenzulernen", sagt die Autorin, die bereits zum zweiten Mal im klassizistischen Gartenhaus residiert. Schon vor 20 Jahren bereicherte sie das Kulturleben in der Medemstadt - und hat offenbar Spuren hinterlassen. Zum 625-Jahr-Jubiläum der Stadt wurde sie erneut eingeladen. "Darüber habe ich mich natürlich wahnsinnig gefreut", sagt Verena Liebers.
Die Schriftstellerin mag die Otterndorfer und die Otterndorfer mögen sie. Um den Bewohnern und Urlaubern ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern, hat sie einen "Lächelautomaten" im Schaukasten vor dem Gartenhaus angebracht - einen handelsüblichen Spiegel.
Ausdauer ist die wohl wichtigste Eigenschaft der Autorin
Mit Humor und viel Kreativität hat die Bochumerin ihr einmonatiges Stadtschreiberstipendium in der Medemstadt gestaltet. Und mit viel Sport. Täglich schnürt sie die Laufschuhe, steigt aufs Fahrrad oder geht schwimmen. Mal eben nach Cadenberge und wieder zurück joggen - für Verena Liebers kein Problem. Sie hat schon ganz andere Strecken bewältigt. Freudestrahlend erzählt sie von einem 65-Kilometer-Volkslauf durch Thüringen. "Ausdauer ist wahrscheinlich meine wichtigste Eigenschaft", sagt die Schriftstellerin und Biologin, die schon mehrere Bücher übers Laufen verfasst hat. Das T-Shirt mit der Aufschrift "Schnellste Stadtschreiberin Otterndorfs", das sie vom Otterndorfer Lauftreff geschenkt bekommen hat, trägt sie mit Stolz.
Verena Liebers, die auch unter ihrem Künstlernamen "VIGLi" bekannt ist (die Abkürzung steht für Verena Iris Gisela Liebers), stammt aus Berlin und ist eigentlich Biologin. Seit 1990 lebt sie in Bochum und arbeitet dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Ruhr-Universität. Ihre künstlerische Seite lebt sie vor allem beim Schreiben aus. 14 Bücher hat sie schon veröffentlicht und mehr als 20 Literaturpreise erhalten; sie verfasst Lyrik, Kurzgeschichten, Romane, Sachbücher und Rezensionen. "Ich habe einen Haufen Kreativität in mir", sagt die Mittsechzigerin.
Mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten, empfinde sie als "total inspirierend", sagt Liebers und erzählt von spannenden Begegnungen in Otterndorf, etwa mit dem Illustrator und Musiker Marco Altenhoff oder der Querflötistin Marissa Borchardt. "Ich bin immer wieder begeistert, wie viele kreative Menschen es hier gibt."
Mit einer Mischung aus Wehmut und Dankbarkeit reist die Stadtschreiberin am 1. November wieder nach Bochum - die vier Stipendium-Wochen sind schon vorbei. "Erstaunlich, wie die Zeit verflogen ist", sagt Liebers, die sich als Stadtmensch bezeichnet, auch wenn sie die norddeutsche Landschaft als Inspirationsquelle zu schätzen und lieben gelernt hat. Im vergangenen Monat hat sie diverse Gedichte geschrieben und an einem Prosaband gearbeitet. Eines ist klar, sagt die nimmermüde Autorin und Sportenthusiastin: "Otterndorf wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben."