Der Vorsitzende des Vereins „Zukunft durch Erinnern“ hielt die Ansprache zum 8. Mai, dem Tag des Kriegsendes vor 80 Jahren, am Mahnmal für 14 Säuglinge und Kleinkinder, die gegen Ende des Krieges in einem Nebengebäude des Kreiskrankenhauses den Tod fanden. Foto: Rohde
Der Vorsitzende des Vereins „Zukunft durch Erinnern“ hielt die Ansprache zum 8. Mai, dem Tag des Kriegsendes vor 80 Jahren, am Mahnmal für 14 Säuglinge und Kleinkinder, die gegen Ende des Krieges in einem Nebengebäude des Kreiskrankenhauses den Tod fanden. Foto: Rohde
Mahnmal

Zwangsarbeit und Kindertod: Das verdrängte Kapitel der NS-Zeit in Otterndorf

von Ulrich Rohde | 09.05.2025

Am Mahnmal in Otterndorf wird nicht nur der Opfer gedacht, sondern auch eine dunkle Wolke über der Vergangenheit enthüllt. Eine eindringliche Erinnerung an die Kinder, die hier im Krieg der nationalsozialistischen Ideologie zum Opfer fielen.

Es ist kein Donnerstag wie jeder andere, es ist der 8. Mai, Tag der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands, Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges, Tag der Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der 8. Mai 1945, einer der bedeutendsten Tage in der Geschichte der Menschheit, jährte sich zum 80. Mal.

Auch in Otterndorf wurde der 8. Mai mit einer Gedenkfeier begangen. Dazu lädt der Verein "Zukunft durch Erinnern" jedes Jahr an diesem Datum ein. Dabei geht es darum, am Mahnmal "Am großen Specken" an die 14 Säuglinge und Kleinkinder, elf Jungen und drei Mädchen, zu erinnern, die zwischen August 1944 und Mai 1945 von Zwangsarbeiterinnen aus Polen und Russland in Otterndorf geboren wurden und im Gartenhaus des damaligen Kreiskrankenhauses den Tod fanden.

14 Säuglinge und Kleinkinder starben kurz vor Kriegsende

An diesem Ort befand sich die Ausländerkinderpflegestätte auf dem Gelände des ehemaligen Kreiskrankenhauses. Hier waren die Säuglinge und Kleinkinder von ihren Müttern, die Zwangsarbeit in Hadeln leisteten, getrennt untergebracht. Sie wurden an diesem Ort bewusst unzureichend versorgt und unter unsäglichen hygienischen Bedingungen dem Tod ausgeliefert. Die unschuldigen Kinder aus Polen und Russland fielen der nationalsozialistischen Ideologie zum Opfer.

Ein 2007 errichtetes Mahnmal, das ein Kinderbett darstellt, über dem eine dunkle Wolke unheilvoll schwebt, erinnert an die Kinder, die hier starben. Erst nach intensiven Recherchen war es den Vereinsmitgliedern gelungen, die Namen und Herkunft der Kinder herauszufinden. Es geht ihnen darum, sie nie wieder in Vergessenheit geraten zu lassen. Und so wird zum 8. Mai der Name jedes der verstorbenen Kinder verlesen und mit einer Rose zum Gedenken geehrt.

In seiner Ansprache vor mehreren Anwesenden am Großen Specken erinnerte Vereinsvorsitzender Reinhard Krause daran, dass während des Zweiten Weltkrieges etwa 80.000 Kinder von Zwangsarbeiterinnen in Deutschland ums Leben kamen.

Mit Erinnerungskultur den Antidemokraten die Stirn bieten

Krause veranschaulichte auch am Beispiel seiner eigenen Familiengeschichte, wie sich das Schweigen über das furchtbare Geschehen bis 1945 in der Nachkriegsgesellschaft ausbreitete. Und er zog Parallelen zur Gegenwart, wo extrem rechte Kräfte an Boden gewännen. Überall dort, wo antidemokratisches Denken gedeihen könne, breite sich auch Ausgrenzung, Verfolgung von Minderheiten und Rassenhass aus. Der Verein wolle mit der Erinnerungskultur dagegen halten.

Otterndorfs Bürgermeister Claus Johannßen nannte es in seiner Grußansprache "unerträglich, dass Neofaschisten wieder in den Parlamenten sitzen". Zugleich betonte er, dass es sich jederzeit lohne, für die Demokratie in diesem Land zu kämpfen. Johannßen: "Ich bin jenen dankbar, denen wir unsere Demokratie verdanken, und jenen, die sie erhalten."

Mit Querflöte, Gitarre und Gesang begleitete Marissa Burchard die Gedenkfeier am Mahnmal auf einfühlsame Weise musikalisch.

Traditionell werden die Namen der ums Leben gekommenen Kinder verlesen und mit Rosen bedacht. Foto: Rohde

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