So freudig wie das Schild, ist für gewöhnlich auch die Stimmung im Sommercamp Otterndorf. Jugendfeuerwehren, Sportvereine, Schulen, Jugendeinrichtungen, Kirchen und weitere Verbände nutzen das Gelände in Müggendorf. Foto: Rahn
So freudig wie das Schild, ist für gewöhnlich auch die Stimmung im Sommercamp Otterndorf. Jugendfeuerwehren, Sportvereine, Schulen, Jugendeinrichtungen, Kirchen und weitere Verbände nutzen das Gelände in Müggendorf. Foto: Rahn
Sommercamp Otterndorf

Gemeinschaft, Abenteuer und Meer - seit 1963 Ferienglück für den Nachwuchs

06.09.2025

Am Watt der Elbmündung, nur 15 Kilometer von Cuxhaven entfernt, liegt eine Ferien-Oase: das Sommercamp Otterndorf. Seit über 60 Jahren bietet es Kindern und Jugendlichen aus Niedersachsen und darüber hinaus eine unvergessliche Auszeit.

Von Max Martin Rahn

Das Zeltlager in Otterndorf-Müggendorf ist eine Ferienoase für Kinder und Jugendliche am Elbdeich. Bereits 1963 kauften Verantwortliche der Landeshauptstadt Hannover das Areal an der Küste nahe Cuxhaven, um damals vor allem benachteiligten Familien mit Kindern die Möglichkeit zu bieten, vergünstigt an Freizeitaktivitäten teilnehmen zu können: Mit Zeltdörfern, Sportvariationen, Werkstätten und einem Programm, das von Segeln über Ponyreiten bis hin zu Radiosendungen aus dem eigenen Tonstudio reicht.

"Kinder sollen schöne Ferien verbringen dürfen", fasst Kerstin Arnold (59), Leiterin des Sommercamps, zusammen. 20 Hauptamtliche und bis zu 500 Freiwillige helfen jedes Jahr mit, um dieses Ziel Wirklichkeit werden zu lassen - oft sogar im eigenen Urlaub. Und wer hier ankommt, spürt schnell, was die ehrenamtliche Psychologie-Studentin Luzi (21) aus Dortmund beschreibt: "Man kann mit anderen Gespräche anfangen, es gibt hier tolle Menschen und man fühlt sich einfach wohl." Ob aus Großstadtviertel, Dorf oder erschwerter Lebenslage - im Camp lernen junge Gäste nicht nur, wie man sich im Zelt organisiert oder in Notlagen verhält - sie können Gemeinschaft, Natur und das kleine Glück im großen Ferienabenteuer entdecken.

Meik Kelm (50) und Kerstin Arnold (59). Beide organisieren und leiten 20 hauptamtliche und bis zu 500 ehrenamtliche Mitarbeiter für bis zu 8000 Gäste pro Jahr. 2024 erreichte man so insgesamt 35.000 Übernachtungen. Foto: Rahn
Psychologie-Studentin Luzi (21) aus Dortmund ist durch einen guten Freund, der schon seit Jahren das Sommercamp unterstützt, zum Sommercamp gekommen. 2024 war sie schon zwei Tage hier und dieses Jahr hilft sie im Fahrdienst für fünf Tage. Es hat sie "gecatched". Vorteile des Camps sind für sie der soziale Part und die Freundschaften die man schließt. "Man kann mit anderen Gespräche anfangen, es gibt hier tolle Menschen und ich fühle mich wohl", bilanziert sie freudig. Foto: Rahn

Von der Zeltprobe zur festen Institution

1963 begann alles mit einer einfachen Idee: benachteiligten Kindern, Jugendlichen und ganzen Familien aus Hannover naturverbundene Ferien zu ermöglichen. Auf Initiative der Hannoverschen Sportjugend und der Abteilung Jugendpflege der Landeshauptstadt Hannover wurde das Gelände in Müggendorf erstmals auf Zeltlagertauglichkeit getestet. Aus dem Provisorium wuchs eine feste Einrichtung - damals noch unter dem Namen "Ferienlager Hinrich-Wilhelm Kopf". Seit 2014 trägt es den neutralen, einladenden Namen Sommercamp Otterndorf. Umbenannt wurde das Camp, nachdem eine Historikerin herausgefunden hatte, dass sich Kopf in der NS-Zeit auf Kosten verfolgter Juden bereichert hatte. Trotz knapper Haushaltsmittel betreibt die Landeshauptstadt Hannover die Einrichtung bis heute - auch wenn der kostendeckende Betrieb nicht möglich ist.

Gesellschaft und Unternehmen stützen

"Ohne Unterstützer würde hier gar nichts funktionieren", dankt Camp-Verwalter Meik Kelm (50) allen, die sich in der Vergangenheit beteiligt haben oder es heute tun. Nicht nur die ehrenamtlichen Beiträge sind essenziell, sondern auch die Unterstützung von Firmen aus der Region oder Hannover. So gebe es technische Unterstützung, Spenden für Bauvorhaben oder gefertigte Holzbänke. Auch den Förderverein möchte Kelm hervorheben. Viele Projekte wären undenkbar, ohne die Unterstützung des 1992 gegründeten und inzwischen auf 600 Mitglieder angewachsenen Vereins - begonnen hatte man damals mit weniger als 300.

2024 gebaut, 2025 eingeweiht. Der Seilgarten wurde durch Spendengelder aus dem Förderverein finanziert. Foto: Rahn

Sommerträume am Wattenmeer

Das 35 Hektar große Gelände erstreckt sich direkt hinterm Deich. Untergebracht werden Teilnehmer bis heute in Zelten - inzwischen mit Holzfußböden und Matratzen, nur Bettzeug oder Schlafsack muss mitgenommen werden. Sportplätze, Werkstätten, eine Mehrzweckhalle, Bibliothek und sogar ein gespendetes Feuerwehrauto aus Hannover schaffen Raum für Spiel, Kreativität, Begegnung und Lehre. Das Camp hat sich modernisiert, ohne seinen ursprünglichen Charme einzubüßen.

Die einladende Bibliothek. Falls es draußen mal zu stressig wird, können Kinder hier eine Auszeit nehmen. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Retro-Kassetten, über CD's, Büchern und Gesellschaftsspielen zu "Lustigen Taschenbüchern". Einige Erwachsene kommen sich hier womöglich 30 Jahre jünger vor... Foto: Rahn
Lesen, Hören und Spielen ist hier möglich. Auch mit der ehrenamtlichen Betreuerin des Bereichs. Anwesend ist Physikstudentin Caroline (22). Ihre Eltern fahren schon über 30 Jahre nach Müggendorf. Seit Carolines Geburt ist sie regelmäßig hier. Mit 15 hat sie das erste Mal ein Ehrenamt ausgeübt. Die Familie kombiniert Ehrenamt und Urlaub.Neben der Bibliothek gibt es auch eine "Quasselbude". Aktuell noch ein großes Zelt, soll aber fest ausgebaut werden, mit einer Holzkonstruktion. Der Umbau werde etwa 60.000 Euro verschlingen. Foto: Rahn

Polizist spielt Feuerwehrmann

Der 59-jährige Polizist aus Nordrhein-Westfalen, Mark S., betreut diese Woche die Kinder am Löschfahrzeug. Das etwa 40 Jahre alte Feuerwehrauto war eine Spende aus Hannover. Nun dient es als Anschauungs- und Übungsobjekt. Besonders "Stadtkinder haben wenig Ahnung von der Feuerwehr", schmunzelt Mark. "Außer die aus dem Sauerland, die sind alle bei der Feuerwehr." Fürs ganze Leben wichtige Verhaltensratschläge vermittelt er: Die fünf W-Fragen bei einem Notruf, wie verhalte ich mich, wenn Feuerwehr oder Rettungswagen vor Ort sind und eine Einweisung in die Gerätschaften mit abschließendem Löschangriff. Es gibt ein mobiles "Feuerwehrhaus" mit Flammen-Attrappen, das als Löschziel fungieren kann. Außerdem lernen sie den Umgang miteinander, die Teamarbeit und die Gebräuchlichkeiten. Weiterhin gibt es noch ein Fußballspiel, bei dem mit einem Schlauch "geschossen" wird. "Das sind Spielchen für die Kinder", fasst der Polizist zusammen. So können Kinder spielerisch Lebenswichtiges lernen.

Sonst Polizist, im Camp Feuerwehrmann. Mark S., der 59-Jährige aus Nordrhein-Westfalen, betreut diese Woche die Kinder am Löschfahrzeug. Foto: Rahn

Diverse Beschäftigungsmöglichkeiten

Neben Ponys, Tonstudio oder Werkräumen, wo die jungen Menschen beispielsweise T-Shirts und Tassen individuell bedrucken, oder Portemonnaies fertigen können, gibt es weitere Freizeitangebote: Fahrradverleih, Mini-Golf, Kicker, Tischtennis, Seilgarten, vielfältiger Wassersport, Abenteuerspielplatz und eine Bibliothek, in der es sogar noch alte Kassetten zu hören gibt.

Der 23-jährige Patrick studiert Lehramt für Mathe und Physik. Heute sitzt er aber im Tonstudio und nimmt Sendungen fürs Camp auf. 7.30 und 17.30, eine halbe Stunde vor dem Essen, wird die 30-minütige Sendung abgespielt. Jedes Dorf im Camp hat eigene Lautsprecher. Theoretisch könnte ein Dorf auch eine eigene Sendung wiedergeben. Foto: Rahn
Einer der Werkräume. Je nach Betreuer gibt es verschiedene Angebote, wie T-Shirt-Druck oder Basteleien. Eine Schulklasse aus Bremen malt heute eigene Motive für eine Tasche. Foto: Rahn

Tolle Essensverpflegung

Die Mahlzeiten, die den Teilnehmern frisch zubereitet werden, genießen hohes Ansehen. Teilnehmer des Kreiszeltlagers der Jugendfeuerwehren äußerten sich zumeist in diese Richtung. Für Haupt-/Ehrenamtliche und deren Kinder gibt es eine gemeinsame Kantine für die Mahlzeiten.

Direkt daneben in der "Stadthalle", der Camp-Kiosk. Hier werden Kinder und Jugendliche auch abseits der Mahlzeiten fündig. Foto: Rahn
Normalerweise für Betreuer gedacht. Hier können sie auch mal eine Auszeit nehmen oder ein Dartturnier abhalten. Foto: Rahn
Strahlender Himmel über der Pony-Weide. Das dürfte eines der Highlights für Kinder sein. Foto: Rahn

Kreis zwischen Jung und Alt schließt sich

Das Gesamtpaket bleibt in Erinnerung. Viele erinnern sich an ihre Zeit in Müggendorf und kommen auch als Erwachsene zurück in die Küstenregion Cuxland - ob als Urlauber oder im Ehrenamt. Damit schließt sich ein Kreislauf, der zeigt, wie wichtig Investitionen in ein derartiges Feriendomizil sind - nicht nur für Kinder und Jugendliche.

Die 50-jährige Diplom-Wirtschaftsjuristin Anna aus Köln. Durch ihre Freundin Jenny und ihre Schwester kommt sie zum Ehrenamt. Sie backt und kocht gerne - passend zu ihrer Tätigkeit im Camp. Oft wird Pizza gebacken, aber Anne konzentriert sich lieber auf Kleingebäck oder Fladenbrot für die Konfirmanden, die in dieser Woche vor Ort sind. Foto: Rahn
Kevin Stiefel (32) ist hauptamtlicher Rettungssanitäter für die Johanniter. Von Mai bis September ist er aus Hannover abgestellt und leitet die Sanitäts-Station im Camp. Unterstützt wird er von bis zu drei Ehrenamtlichen. Mit dem Krankenwagen kann bei lebensbedrohlichen Lagen schnell geholfen und Betroffene ins Krankenhaus verbracht werden. Foto: Rahn
Wasser spielt hier immer eine große Rolle. Vom Nichtschwimmerbecken bis zum Segeln. Hier wird vieles möglich gemacht. Foto: Rahn
Die große Feuerstätte des Zeltlagers für bis zu 90 Personen. Im Dunkeln dürfte das Eindruck machen. Foto: Rahn
Minigolf gibt es auch, ist heute aber wenig besucht. Die Konfirmanden beschäftigen sich anderweitig. Foto: Rahn
Was mit nur drei Fahrrädern angefangen hat, ist auf etwa 200 Räder angewachsen. Gegen Pfand können sich hier Fahrräder für ausgelassene Touren ausgeliehen werden. Foto: Rahn
Hauptverantwortliche Kerstin Arnold (59) besichtigt den Ponyhof. "Schöner Arbeitsplatz und die landschaftliche Umgebung begeistert. Das sagen alle, die hier arbeiten." freut sich die gebürtige Ostfriesin. In der Winterzeit organisiert Sie das Lager vom Büro aus Hannover. Foto: Rahn

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