
Gemeinschaft, Abenteuer und Meer - seit 1963 Ferienglück für den Nachwuchs
Am Watt der Elbmündung, nur 15 Kilometer von Cuxhaven entfernt, liegt eine Ferien-Oase: das Sommercamp Otterndorf. Seit über 60 Jahren bietet es Kindern und Jugendlichen aus Niedersachsen und darüber hinaus eine unvergessliche Auszeit.
Von Max Martin Rahn
Das Zeltlager in Otterndorf-Müggendorf ist eine Ferienoase für Kinder und Jugendliche am Elbdeich. Bereits 1963 kauften Verantwortliche der Landeshauptstadt Hannover das Areal an der Küste nahe Cuxhaven, um damals vor allem benachteiligten Familien mit Kindern die Möglichkeit zu bieten, vergünstigt an Freizeitaktivitäten teilnehmen zu können: Mit Zeltdörfern, Sportvariationen, Werkstätten und einem Programm, das von Segeln über Ponyreiten bis hin zu Radiosendungen aus dem eigenen Tonstudio reicht.
"Kinder sollen schöne Ferien verbringen dürfen", fasst Kerstin Arnold (59), Leiterin des Sommercamps, zusammen. 20 Hauptamtliche und bis zu 500 Freiwillige helfen jedes Jahr mit, um dieses Ziel Wirklichkeit werden zu lassen - oft sogar im eigenen Urlaub. Und wer hier ankommt, spürt schnell, was die ehrenamtliche Psychologie-Studentin Luzi (21) aus Dortmund beschreibt: "Man kann mit anderen Gespräche anfangen, es gibt hier tolle Menschen und man fühlt sich einfach wohl." Ob aus Großstadtviertel, Dorf oder erschwerter Lebenslage - im Camp lernen junge Gäste nicht nur, wie man sich im Zelt organisiert oder in Notlagen verhält - sie können Gemeinschaft, Natur und das kleine Glück im großen Ferienabenteuer entdecken.


Von der Zeltprobe zur festen Institution
1963 begann alles mit einer einfachen Idee: benachteiligten Kindern, Jugendlichen und ganzen Familien aus Hannover naturverbundene Ferien zu ermöglichen. Auf Initiative der Hannoverschen Sportjugend und der Abteilung Jugendpflege der Landeshauptstadt Hannover wurde das Gelände in Müggendorf erstmals auf Zeltlagertauglichkeit getestet. Aus dem Provisorium wuchs eine feste Einrichtung - damals noch unter dem Namen "Ferienlager Hinrich-Wilhelm Kopf". Seit 2014 trägt es den neutralen, einladenden Namen Sommercamp Otterndorf. Umbenannt wurde das Camp, nachdem eine Historikerin herausgefunden hatte, dass sich Kopf in der NS-Zeit auf Kosten verfolgter Juden bereichert hatte. Trotz knapper Haushaltsmittel betreibt die Landeshauptstadt Hannover die Einrichtung bis heute - auch wenn der kostendeckende Betrieb nicht möglich ist.
Gesellschaft und Unternehmen stützen
"Ohne Unterstützer würde hier gar nichts funktionieren", dankt Camp-Verwalter Meik Kelm (50) allen, die sich in der Vergangenheit beteiligt haben oder es heute tun. Nicht nur die ehrenamtlichen Beiträge sind essenziell, sondern auch die Unterstützung von Firmen aus der Region oder Hannover. So gebe es technische Unterstützung, Spenden für Bauvorhaben oder gefertigte Holzbänke. Auch den Förderverein möchte Kelm hervorheben. Viele Projekte wären undenkbar, ohne die Unterstützung des 1992 gegründeten und inzwischen auf 600 Mitglieder angewachsenen Vereins - begonnen hatte man damals mit weniger als 300.

Sommerträume am Wattenmeer
Das 35 Hektar große Gelände erstreckt sich direkt hinterm Deich. Untergebracht werden Teilnehmer bis heute in Zelten - inzwischen mit Holzfußböden und Matratzen, nur Bettzeug oder Schlafsack muss mitgenommen werden. Sportplätze, Werkstätten, eine Mehrzweckhalle, Bibliothek und sogar ein gespendetes Feuerwehrauto aus Hannover schaffen Raum für Spiel, Kreativität, Begegnung und Lehre. Das Camp hat sich modernisiert, ohne seinen ursprünglichen Charme einzubüßen.


Polizist spielt Feuerwehrmann
Der 59-jährige Polizist aus Nordrhein-Westfalen, Mark S., betreut diese Woche die Kinder am Löschfahrzeug. Das etwa 40 Jahre alte Feuerwehrauto war eine Spende aus Hannover. Nun dient es als Anschauungs- und Übungsobjekt. Besonders "Stadtkinder haben wenig Ahnung von der Feuerwehr", schmunzelt Mark. "Außer die aus dem Sauerland, die sind alle bei der Feuerwehr." Fürs ganze Leben wichtige Verhaltensratschläge vermittelt er: Die fünf W-Fragen bei einem Notruf, wie verhalte ich mich, wenn Feuerwehr oder Rettungswagen vor Ort sind und eine Einweisung in die Gerätschaften mit abschließendem Löschangriff. Es gibt ein mobiles "Feuerwehrhaus" mit Flammen-Attrappen, das als Löschziel fungieren kann. Außerdem lernen sie den Umgang miteinander, die Teamarbeit und die Gebräuchlichkeiten. Weiterhin gibt es noch ein Fußballspiel, bei dem mit einem Schlauch "geschossen" wird. "Das sind Spielchen für die Kinder", fasst der Polizist zusammen. So können Kinder spielerisch Lebenswichtiges lernen.

Diverse Beschäftigungsmöglichkeiten
Neben Ponys, Tonstudio oder Werkräumen, wo die jungen Menschen beispielsweise T-Shirts und Tassen individuell bedrucken, oder Portemonnaies fertigen können, gibt es weitere Freizeitangebote: Fahrradverleih, Mini-Golf, Kicker, Tischtennis, Seilgarten, vielfältiger Wassersport, Abenteuerspielplatz und eine Bibliothek, in der es sogar noch alte Kassetten zu hören gibt.


Tolle Essensverpflegung
Die Mahlzeiten, die den Teilnehmern frisch zubereitet werden, genießen hohes Ansehen. Teilnehmer des Kreiszeltlagers der Jugendfeuerwehren äußerten sich zumeist in diese Richtung. Für Haupt-/Ehrenamtliche und deren Kinder gibt es eine gemeinsame Kantine für die Mahlzeiten.



Kreis zwischen Jung und Alt schließt sich
Das Gesamtpaket bleibt in Erinnerung. Viele erinnern sich an ihre Zeit in Müggendorf und kommen auch als Erwachsene zurück in die Küstenregion Cuxland - ob als Urlauber oder im Ehrenamt. Damit schließt sich ein Kreislauf, der zeigt, wie wichtig Investitionen in ein derartiges Feriendomizil sind - nicht nur für Kinder und Jugendliche.






