Nach 30 Jahren: Dieses Traditionsgeschäft in Otterndorf macht dicht
Bänder, Garn und jede Menge Knöpfe - das Kurzwarengeschäft von Horst Wöhl an der Beutelstraße in Otterndorf war eine Fundgrube für Handarbeitsfans. Ende 2022 hat er seinen kleinen Laden geschlossen. Wieder ein alteingesessenes Geschäft weniger.
Eigentlich sieht alles so aus, wie man es aus früheren Zeiten kennt. Der Verkaufsraum ist vollgestopft mit Kisten, Schachteln und Regalen. Stickgarn in allen Farben, Bordüren, Wappen und Knöpfe, Knöpfe, Knöpfe: Das und noch viel mehr hatten Horst Wöhl und seine Frau Albertine rund 30 Jahre lang in der Otterndorfer Altstadt, etwas versteckt in der kleinen Beutelstraße, im Angebot. "Doch irgendwann muss mal Sense sein", sagt der 79-Jährige und schaut dabei ein bisschen wehmütig. Ende des vergangenen Jahres hat er den Laden geschlossen. Aus Altersgründen. Und weil die Corona-Pandemie das Geschäft quasi zum Erliegen gebracht hat.
Auf dem Verkaufstisch liegen unzählige Reißverschlüsse. Wöhl zählt sie. "Die letzte Inventur", murmelt der Senior. Zwar habe er in den vergangenen drei Monaten die Preise deutlich reduziert, aber der Abverkauf lief nicht wie erhofft. Nun sitzt er auf seinen Waren und weiß nicht so recht, was er damit anstellen soll.
Mit der Schließung des Kurzwarengeschäfts gehe auch ein Stück Otterndorfer Stadtgeschichte, sagen seine treuen Kundinnen. Horst Wöhl sieht es nicht ganz so melodramatisch: "Seien wir mal ehrlich, davon leben konnte man kaum." Er werde das Geschäft nun in Ruhe abwickeln. Eilig hat er es nicht. Er wohnt gleich über den Geschäftsräumen.
Horst Wöhl kam durch die Marine ins Cuxland
Horst Wöhl stammt aus Lübeck und kam durch die Marine ins Cuxland. Dort lernte er seine spätere Frau Albertine kennen. Seit 1963 wohnen sie in Otterndorf. Als "fliegende Händler" waren die Wöhls 15 Jahre lang auf vielen Flohmärkten und Stadtfesten unterwegs. Mitte der 1990er-Jahre wurden sie "sesshaft" und eröffneten ihr Geschäft in der Beutelstraße. "Aus gesundheitlichen Gründen haben wir die Tingelei beendet", sagt Horst Wöhl.
Besonderheit des Ladens: Wer rein wollte, musste klingeln und warten, bis der Chef aufmacht. Hatte man es in die Geschäftsräume geschafft, wurde man geradezu erschlagen von der bunten Warenvielfalt. In Sachen Handarbeit gab es kaum eine Lücke im Sortiment - egal ob fürs Sticken, Stopfen, Knüpfen oder Nähen. Aber auch Bastler und Sammler fanden in Horst Wöhls "Knopfladen" Inspiration: Modellbaubögen, Fan-Artikel, Groschenromane à la Jerry Cotton oder James-Last-Schallplatten wurden angeboten. Eine weitere Spezialität waren Fahnen und Wappen. In zahlreichen Kisten lagerten Nationalfahnen aus der ganzen Welt - von Andorra oder den Niederländischen Antillen bis zu den amerikanischen Bundesstaaten. Beliebt waren auch die Wappen der Hadler Gemeinden, die Wöhl selbst stickte.
Die Kundschaft war bunt gemischt, Hausfrauen und Schneider, Stamm- und Neukunden, Urlauberinnen und Urlauber kamen in den kultigen Kurzwarenladen. Zur Bekanntheit des Geschäfts trug auch ein Beitrag im NDR-Magazin "Nordtour" bei. "Eine Dame aus Leipzig hat das gesehen und ließ sich Bügelbilder in großen Mengen schicken", erzählt Horst Wöhl.
Nach rund 30 Jahren im Geschäft ist es nun Zeit für den Ruhestand. "Jetzt kann ich morgens länger schlafen", freut sich Horst Wöhl. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Laden gibt es nicht. "Meine Tochter hätte es vielleicht gemacht, wenn sie nicht so einen guten Job hätte", sagt er. Otterndorfs Stadtbild verliert ein weiteres seiner einzigartigen Gesichter.