Ein Traditionsgeschäft in der Otterndorfer Altstadt ist endgültig geschlossen: Horst Wöhl hat seinen Laden für Kurzwaren an der Beutelstraße dicht gemacht. Foto: Mangels
Ein Traditionsgeschäft in der Otterndorfer Altstadt ist endgültig geschlossen: Horst Wöhl hat seinen Laden für Kurzwaren an der Beutelstraße dicht gemacht. Foto: Mangels
Wirtschaft

Nach 30 Jahren: Dieses Traditionsgeschäft in Otterndorf macht dicht

von Christian Mangels | 30.01.2023

Bänder, Garn und jede Menge Knöpfe - das Kurzwarengeschäft von Horst Wöhl an der Beutelstraße in Otterndorf war eine Fundgrube für Handarbeitsfans. Ende 2022 hat er seinen kleinen Laden geschlossen. Wieder ein alteingesessenes Geschäft weniger.

Eigentlich sieht alles so aus, wie man es aus früheren Zeiten kennt. Der Verkaufsraum ist vollgestopft mit Kisten, Schachteln und Regalen. Stickgarn in allen Farben, Bordüren, Wappen und Knöpfe, Knöpfe, Knöpfe: Das und noch viel mehr hatten Horst Wöhl und seine Frau Albertine rund 30 Jahre lang in der Otterndorfer Altstadt, etwas versteckt in der kleinen Beutelstraße, im Angebot. "Doch irgendwann muss mal Sense sein", sagt der 79-Jährige und schaut dabei ein bisschen wehmütig. Ende des vergangenen Jahres hat er den Laden geschlossen. Aus Altersgründen. Und weil die Corona-Pandemie das Geschäft quasi zum Erliegen gebracht hat.

Auf dem Verkaufstisch liegen unzählige Reißverschlüsse. Wöhl zählt sie. "Die letzte Inventur", murmelt der Senior. Zwar habe er in den vergangenen drei Monaten die Preise deutlich reduziert, aber der Abverkauf lief nicht wie erhofft. Nun sitzt er auf seinen Waren und weiß nicht so recht, was er damit anstellen soll.

Mit der Schließung des Kurzwarengeschäfts gehe auch ein Stück Otterndorfer Stadtgeschichte, sagen seine treuen Kundinnen. Horst Wöhl sieht es nicht ganz so melodramatisch: "Seien wir mal ehrlich, davon leben konnte man kaum." Er werde das Geschäft nun in Ruhe abwickeln. Eilig hat er es nicht. Er wohnt gleich über den Geschäftsräumen.

Horst Wöhl kam durch die Marine ins Cuxland

Horst Wöhl stammt aus Lübeck und kam durch die Marine ins Cuxland. Dort lernte er seine spätere Frau Albertine kennen. Seit 1963 wohnen sie in Otterndorf. Als "fliegende Händler" waren die Wöhls 15 Jahre lang auf vielen Flohmärkten und Stadtfesten unterwegs. Mitte der 1990er-Jahre wurden sie "sesshaft" und eröffneten ihr Geschäft in der Beutelstraße. "Aus gesundheitlichen Gründen haben wir die Tingelei beendet", sagt Horst Wöhl.

Besonderheit des Ladens: Wer rein wollte, musste klingeln und warten, bis der Chef aufmacht. Hatte man es in die Geschäftsräume geschafft, wurde man geradezu erschlagen von der bunten Warenvielfalt. In Sachen Handarbeit gab es kaum eine Lücke im Sortiment - egal ob fürs Sticken, Stopfen, Knüpfen oder Nähen. Aber auch Bastler und Sammler fanden in Horst Wöhls "Knopfladen" Inspiration: Modellbaubögen, Fan-Artikel, Groschenromane à la Jerry Cotton oder James-Last-Schallplatten wurden angeboten. Eine weitere Spezialität waren Fahnen und Wappen. In zahlreichen Kisten lagerten Nationalfahnen aus der ganzen Welt - von Andorra oder den Niederländischen Antillen bis zu den amerikanischen Bundesstaaten. Beliebt waren auch die Wappen der Hadler Gemeinden, die Wöhl selbst stickte.

Die Kundschaft war bunt gemischt, Hausfrauen und Schneider, Stamm- und Neukunden, Urlauberinnen und Urlauber kamen in den kultigen Kurzwarenladen. Zur Bekanntheit des Geschäfts trug auch ein Beitrag im NDR-Magazin "Nordtour" bei. "Eine Dame aus Leipzig hat das gesehen und ließ sich Bügelbilder in großen Mengen schicken", erzählt Horst Wöhl.

Nach rund 30 Jahren im Geschäft ist es nun Zeit für den Ruhestand. "Jetzt kann ich morgens länger schlafen", freut sich Horst Wöhl. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Laden gibt es nicht. "Meine Tochter hätte es vielleicht gemacht, wenn sie nicht so einen guten Job hätte", sagt er. Otterndorfs Stadtbild verliert ein weiteres seiner einzigartigen Gesichter. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Christian Mangels
Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

cmangels@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Aufsichtsdeichschau am Elbdeich

Herbstdeichschau zwischen Cuxhaven und Belum: Sorgen machen Hunde und Wölfe 

von Tim Larschow

Bei der Aufsichtsschau wurde der Elbdeich zwischen Cuxhaven und Belum auf Mängel überprüft. Doch nicht überall läuft alles glatt: Hundehalter und der Wolf bereiten Sorgen, und Schauteilnehmer üben Kritik an der Stadt Otterndorf.

Frauen gestalten Zukunft

Gemeinsam, Kommunal, Engagiert: Viertes Vernetzungstreffen von Frauen in Otterndorf

von Bengta Brettschneider

Frauen aus Hadeln, Hemmoor und Börde Lamstedt trafen sich in Otterndorf, um sich zu vernetzen und gegenseitig zu stärken. Neben Themen wie KI und Social Media stand vor allem eines im Mittelpunkt: die Lust auf Mitgestaltung.

Kurz nach der offiziellen Eröffnung

Neues DRK-Seniorenheim in Otterndorf: Zufriedene Bewohner trotz Startschwierigkeiten

von Christian Mangels

Als das Seniorenheim "Haus am Medembogen" in Otterndorf vor knapp zwei Wochen eröffnet wurde, waren Politiker, Verwaltungsvertreter und DRK-Vertreter voll des Lobes. Aber was sagen eigentlich die Seniorinnen und Senioren zu ihrem neuen Domizil?

Lesung in Otterndorf

Über Zeit und Macht: Teresa Bücker liest in Otterndorf aus ihrem Buch "Alle_Zeit"

von Bengta Brettschneider

In Otterndorf sprach die Autorin Teresa Bücker über das, was uns oft fehlt: Zeit. Bei ihrer Lesung zu ihrem Buch "Alle_Zeit" zeigte sie, warum Zeit nicht Luxus, sondern eine Machtfrage ist - und warum ohne Zeit keine Demokratie bestehen kann.