Restaurierung der St.-Severi-Kirche in Otterndorf birgt immer wieder Überraschungen
Eine der derzeit aufwendigsten Kirchenrenovierungen im Elbe-Weser-Raum kommt voran. Bei den Restaurierungsarbeiten in der Otterndorfer St.-Severi-Kirche sind die Experten allerdings auf die eine oder andere Überraschung gestoßen.
Spritze, Skalpell und Pinzette - Anneke Horstmanns Arbeitswerkzeuge lassen vermuten, dass die Frau am OP-Tisch steht. Ganz falsch ist das Bild nicht, denn die Restauratorin behandelt ihre "Patientin", die Raumschale der St.-Severi-Kirche in Otterndorf, tatsächlich mit chirurgischer Präzision. Horstmann und ihre Kollegen suchen in schwindelerregender Höhe nach Beschädigungen in den alten Mauern und "heilen" diese so sanft und wenig sichtbar wie möglich. In filigraner Feinstarbeit wird die in den 1970er-Jahren aufgebrachte Zementschlämme weitgehend entfernt und neuer Kalkputz aufgetragen. Hohlstellen füllen die Restauratoren aus Paderborn mit einer Kalkinjektionsmasse, die mit einer Spritze injiziert wird. Der historische Kalkputz wird mit Kieselsol befestigt.
Während der Restaurierungsarbeiten an der Raumschale gab es bereits einige Überraschungen. "Wir haben ein ganz anderes Aufgabenspektrum vorgefunden als eigentlich erwartet", berichtet Anneke Horstmann. Erste Überraschung: Der Putz war deutlich härter als gedacht. "Wir mussten unser Konzept deshalb komplett überarbeiten", berichtet die Fachfrau für Wandmalerei. Weitere Entdeckung: "Es ist noch etwas Historisches da."
Weil die Raumschale in der Vergangenheit immer wieder mit Zement "zugekleistert" wurde, ist eine denkmalschützerische Wiederherstellung des historischen Zustands nur bedingt möglich. Der Otterndorfer Pastor Thorsten Niehus, der die Baumaßnahmen in der Kirche federführend begleitet, vergleicht diese alten Bausünden mit dem Deichbau vergangener Tage: "Wenn der Deich zu bröseln begann, wurden immer neue Schichten draufgeklatscht." Aber es gibt auch immer wieder schöne Entdeckungen bei den Arbeiten in der Kirche: So wurde der jahrhundertealte Schlussstein über dem Altar freigelegt und sichtbar gemacht.
Dem Kirchenvorstand sitzt die Zeit im Nacken
Bis in der Kirche alles fertig ist und das Raumklima in den optimalen Bereich kommt, werden noch einige Monate ins Land ziehen. Dem Kirchenvorstand und den Handwerkern sitzt die Zeit im Nacken. Wenn die Gloger-Orgel, die derzeit für 1,8 Millionen Euro in einer Orgelwerkstatt in Leer restauriert wird, im September zurückkehrt, müssen die Arbeiten an Raumschale und Heizung abgeschlossen sein. "Wir bleiben optimistisch", sagt Irmgard Kröncke, Orgelbeauftragte und Kirchenvorsteherin.
Nicht nur zeitlich, auch finanziell sind die Restaurierungsarbeiten für die St.-Severi-Kirche eine riesige Herausforderung. Pastor Thorsten Niehus ist sozusagen im Daueraustausch mit Firmen und Förderern, um die "alte Dame St. Severi" wieder fit zu machen. Allein die Arbeiten an der Raumschale kosten 400.000 Euro. Die Heizungserneuerung wird voraussichtlich mit weiteren 400.000 Euro zu Buche schlagen. Für Restarbeiten sind 200.000 Euro eingeplant - macht zusammen rund eine Million.
Zum Glück gibt es großzügige Unterstützer, etwa die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Bingo-Umweltstiftung. Fördergelder kommen darüber hinaus aus dem sogenannten ZILE-Programm der EU, von der Landeskirche Hannover und vom Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln. Außerdem stellt die St.-Severi-Kirchengemeinde Eigenmittel zur Verfügung. Thorsten Niehus ist überzeugt: "Es wird sehr schön werden."