Speaker Veit Schwiemann aus Otterndorf über Mut zur Echtheit und Social Media Detox
Veit Schwiemann, Speaker und Social-Media-Experte, zeigt den Weg zur digitalen Echtheit. Nach der Suche nach Perfektion im Netz bietet er nun Unternehmen und Menschen Unterstützung, ihr "Lebensdrehbuch" authentisch zu schreiben.
Herr Schwiemann, Ihr Weg führte Sie von Otterndorf über Hamburg bis nach New York. Was war für Sie der prägendste Moment auf dieser Reise?
Der prägendste Moment war für mich nach der Corona-Zeit. Nicht, weil Corona schuld an irgendetwas war, sondern weil ich an einem echten Scheideweg stand: Bleibe ich selbstständig, oder gebe ich auf? Diese Zeit hat mich gelehrt, was Durchhaltevermögen wirklich bedeutet.
Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Rückschläge und auch diese Momente, in denen man einfach nur noch aufgeben will, gehören für mich ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Schon in Otterndorf habe ich erlebt, dass Menschen einem einreden wollen, seine Träume lieber nicht zu verfolgen, weil sie sich selbst solche Schritte nicht zutrauen würden.
In Hamburg kamen viele weitere Rückschläge dazu.
Ich habe immer wieder neue Projekte gestartet und lernen müssen, dass Selbstständigkeit kein leichter Weg ist. Einer der größten Rückschläge war damals ganz banal das Thema Steuern - die erste Steuererklärung hat mich komplett überfordert. Aber ich habe mir Hilfe geholt und einen Steuerberater gefunden, der mich bis heute begleitet. Nach knapp drei Jahren kam der Punkt, an dem ich entscheiden musste: mache ich weiter oder gebe ich auf? Ich habe mich entschieden, weiterzumachen. Aufzustehen, auch wenn es weh tut.
Was hat Sie dazu motiviert, wieder Aufzustehen?
Ich glaube, der Schlüssel liegt darin, an sich selbst zu glauben, gerade dann, wenn es kein anderer tut.
Wir leben in einer Gesellschaft, die oft versucht, Menschen kleinzuhalten, weil es unbequem ist, wenn jemand aus dem eigenen Umfeld plötzlich erfolgreicher ist. Aber genau da liegt unsere größte Chance: in der Entscheidung, trotzdem an uns selbst zu glauben. Hilfe ist da, Wissen ist da. Wir tragen das mächtigste Werkzeug der Welt in unserer Hosentasche. Man muss nur bereit sein, diesen Weg wirklich zu gehen.
Was steckt hinter Ihrem Projekt "Social Media Detox Retreats"?
In meinen "Social Media Detox Retreats" geht es darum, zu erkennen, dass das wahre Leben nicht online stattfindet, sondern im Hier und Jetzt. Wir leben zu oft in der Vergangenheit, in der Zukunft oder auf Social Media. Aber das echte Leben passiert in diesem Moment, mitten im Jetzt.
Was können Teilnehmer und Teilnehmerinnen dort erleben und lernen?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen erleben, wie es sich anfühlt, wirklich anzukommen. Wieder echte Verbindungen zu spüren, Menschen in die Augen zu schauen, Aktivitäten zu fühlen - ohne Filter, ohne Ablenkung. Einfach echt.
Sie sprechen von mehreren Tagen komplett offline. Wie reagieren Teilnehmerinnen und Teilnehmer typischerweise auf diese digitale Entgiftung?
Das ist tatsächlich einer der spannendsten Aspekte. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie individuell die Menschen reagieren. Gerade zu Beginn, wenn wir etwa eine Heißluftballonfahrt machen oder im Hotel ankommen, ist der erste Impuls: Handy zücken, Foto machen, teilen. Und dann merken die meisten: "Oh, stimmt - ich hab's ja abgegeben." Viele verspüren anfangs Unruhe oder sogar Panik, etwas zu verpassen, der klassische FOMO-Effekt. Aber die Wahrheit ist: Niemand verpasst etwas.

Wie sieht der Ablauf des Retreats aus?
Während des Retreats gibt es einen klaren Ablauf mit Meditationen, Gruppenaktivitäten und Momenten der Stille. Nach zwei Tagen kippt die Stimmung meist ins Positive. Der erste Tag ist der schwierigste, der zweite schon leichter, und am Ende möchten viele ihr Handy gar nicht so schnell wiederhaben. Sie spüren, wie befreiend es sein kann, einfach da zu sein, im echten Leben, im echten Moment.
Sie gehören zu der Generation, die bereits digitalisiert aufgewachsen ist. Was kann die Generation Z Ihrer Meinung nach von den älteren Generationen im Umgang mit Social Media lernen?
Ich habe 2019 als IT-Berater für Senioren angefangen und durfte in den letzten Jahren viele ältere Menschen in die digitale Welt begleiten. Ich habe ihnen gezeigt, wie man WhatsApp nutzt, Fotos verschickt, E-Mails schreibt oder QR-Codes scannt. Was mich dabei immer fasziniert hat: Die ältere Generation sieht das Digitale als nice to have, nicht als must have. Sie sind dankbar, es nutzen zu können - aber sie definieren ihr Leben nicht darüber. Das ist etwas, das wir dringend wieder lernen sollten: das Hier und Jetzt zu schätzen. Die Älteren sind außerdem deutlich vorsichtiger. Sie fragen sich: "Was passiert eigentlich mit meinen Daten?" - eine Frage, die sich die GenZ oft gar nicht stellt. Angesichts von Themen wie Datenmissbrauch, Stalking oder Deepfakes ist das aber wichtiger denn je. Deshalb setze ich mich auch in meinen Vorträgen und geplanten Events in Hamburg für Prävention im Bereich Cyberkriminalität ein und dafür, dass wir alle bewusster damit umgehen, was wir von uns preisgeben.

In Ihrer Arbeit geht es um Achtsamkeit im Alltag. Kleine Dinge bewusst wahrzunehmen. Wie lässt sich dieses Prinzip in stressigen oder sogar benachteiligten Lebenssituationen umsetzen?
Achtsamkeit beginnt mit Dankbarkeit. Auch in schwierigen Phasen gibt es Momente, in denen man nur mit sich und seinen Gedanken ist, morgens beim Aufwachen, abends vor dem Schlafen. In diesen Momenten entscheidet sich vieles: Wie spreche ich mit mir selbst? Was denke ich über mich? Wir nehmen vieles im Leben zu selbstverständlich, dass wir gesund sind, ein Dach über dem Kopf haben, fließendes Wasser, Essen im Kühlschrank. Doch all das ist nicht selbstverständlich. Und wenn wir beginnen, das wirklich zu begreifen, verändert sich unsere Haltung. Dankbarkeit bringt Ruhe. Wer dankbar ist, kann wieder achtsam sein - mit sich selbst, mit seinem Körper, mit seinen Gedanken.
Wenn Sie jungen Menschen, die wenig Perspektive sehen oder sich gesellschaftlich ausgeschlossen fühlen, einen Rat geben könnten, welche Botschaft würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Das ist eine tiefgründige Frage - und meine Antwort kommt aus vollem Herzen: Sei immer du selbst, auch wenn es für andere unangenehm ist. Mein Motto: Lebe nicht nach einem Drehbuch - kreiere dein eigenes. Vergleiche dich nicht, lass dich nicht verunsichern von anderen oder von der Meinung der Gesellschaft. Nur weil andere sich etwas nicht trauen, heißt das nicht, dass du es auch nicht kannst. Wir müssen uns nicht verstellen. Wir wissen tief im Inneren genau, wer wir sind und was wir wollen. Und ja, es ist manchmal unbequem und nicht leicht. Aber wenn wir anfangen, ehrlich zu uns selbst zu stehen, öffnet sich das Leben. Dann kommen Fülle, Liebe und Glück ganz von allein.