Vor ihrem Auftritt in den Seelandhallen drehten die Ausrufer, angeführt von Jürgen Schwanemann (rechts), Hinrich Janßen (Mitte) und Frans van den Bos (links), noch eine Runde am Otterndorfer See. Foto: Mangels
Vor ihrem Auftritt in den Seelandhallen drehten die Ausrufer, angeführt von Jürgen Schwanemann (rechts), Hinrich Janßen (Mitte) und Frans van den Bos (links), noch eine Runde am Otterndorfer See. Foto: Mangels
Bimmelmänner

Starke Stimmen und gellende Glocken: So bunt war das Ausrufertreffen in Otterndorf

von Christian Mangels | 13.08.2023

Was für ein Gebimmel, was für eine Farbenpracht: Beim Treffen der Ausrufergilde in Otterndorf ließen am Wochenende 13 Ausrufer aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden aufhorchen. Sie warben lautstark für die Schönheiten ihrer Heimatregionen.

"Beeeeekannt­machung!", ruft Hinrich Janßen in die Menge und das Volk spitzt die Ohren. Im schneidigen rotblauen Gehrock mit güldenem Besatz, mit Dreispitz auf dem Kopf und schwerer Glocke in der Hand ist der Klingelmann aus Neustadtgödens (Landkreis Friesland), Präsident der der 2010 gegründeten Deutschen Ausrufergilde und gleichzeitig amtierender Deutscher Meister, eine imposante Erscheinung. Zusammen mit zwölf befreundeten "Amtskollegen" aus ganz Deutschland und den Nachbarländern Belgien und Niederlande bimmelt Janßen in den Seelandhallen um Aufmerksamkeit - und ruft aus.

In kurzen Reden werben die schmuck gekleideten Männer, darunter auch der Präsident der niederländischen Ausrufergilde, Frans van den Bos, für die Schönheiten und Spezialitäten ihrer Heimatregionen und sorgen mit ihren launigen und lautstarken Beiträgen für Belustigung. Sie wollen damit an die einst weit verbreitete Tradition der Ausrufer erinnern, die früher in vielen Städten mit Glockenschlägen die Neuigkeiten für die Einwohner verkündeten.

Rund 20 Ausrufer gibt es in Deutschland noch, schätzt Hinrich Janßen. In ihren Heimatorten sind die Glockenschwinger als historische Stadtführer aktiv oder kündigen Veranstaltungen an. So zum Beispiel Bernd Kronfeld. Er kommt aus Burgdorf bei Hannover und zieht alljährlich während des Burgdorfer Volks- und Schützenfestes in den frühen Morgenstunden mit den Stadtsoldaten durch die Straßen, um die Bevölkerung zu wecken und zum Königsschießen einzuladen.

Aus Leer ist Hinrich Behrens angereist. Er ist Ausrufer der Herolde des Gallimarktes  - ein Volksfest das seit 1508 in Ostfriesland abgehalten wird. Mit dem Ausruf "Radeau, Radeau, raditjes doe, de Stadt, de hört de König toe" macht er in der Tennishalle stimmgewaltig auf sich aufmerksam.

Nur eine kurze Anreise haben Günter und Frauke Kruggel aus Cuxhaven. Sie stellen die beiden Originale Albert Hermann und Mine Möhlmann dar: Hermann war zur Jahrhundertwende Buchdrucker, Ausrufer und Zettelankleber und insbesondere bei den Feriengästen sehr beliebt. Mine Möhlmann zog früher mit einem Kinderwagen voll frischem Fisch von Haustür zu Haustür.

André Pauwels ruft im flämischen Dialekt seiner Heimat aus

Die weiteste Anreise mit rund 650 Kilometern hat André Pauwels. Er ist mit Sicherheit einer der lautesten Ausrufer, doch das Publikum versteht nur die Hälfte: Der Mann in der schneidigen Uniform kommt aus der belgischen Gemeinde Ledegem in der Region Flandern - und natürlich ruft er im flämischen Dialekt seiner Heimat aus. Dass das wohl die schönste Region im Lande sein muss, das kann man trotzdem heraushören.

Nach dem Empfang im historischen Rathaus posierten die Ausrufer auf der Rathaustreppe. Die weiteste Anreise hatte der Belgier André Pauwels (Mitte). Rechts von ihm: "Isolde", Tochter des Senior-Ausrufers Werner Wülffcken aus Ebstorf. Foto: Mangels

Organisator und Moderator des Ausrufer-Treffens in der Medemstadt ist Utröper Jürgen Schwanemann. Seit mittlerweile fünf Jahren schlüpft der pensionierte BBS-Lehrer in die Rolle des Otterndorfer Ausrufers. Im Vergleich zu seinen bunt gewandeten Kollegen wirkt er eher schmucklos. "Aber schlicht und einfach, so sind wir Hadler nun einmal", sagt der Otterndorfer. In zwei Wochen reist er in die holländische Hansestadt Kampen zu seinem Ausruferkollegen Bertus Krabbe, wo ein internationaler Ausrufer-Wettbewerb über die Bühne geht.

Die Ausrufer waren bereits am Freitag in Otterndorf eingetroffen und wurden von Bürgermeister Claus Johannßen im historischen Rathaus empfangen. Der Tisch im Ratssaal reichte kaum aus, so viele Geschenke hatten die Stadtschreier und Klingelmänner mitgebracht - Bücher, Getränke, Kunsthandwerk und süße Spezialitäten aus den jeweiligen Regionen. Nach der Begrüßung und Vorstellung trugen sich die Gäste ins Goldene Buch der Stadt ein.

An dem Empfang nahm auch der frühere Bürgermeister Hermann Gerken teil, der einen großen Anteil am Erfolg des Otterndorfer Utröpers hat. Das 1985 errichtete Ausrufer-Denkmal am Kirchplatz, geschaffen von dem Bildhauer Frijo Müller-Belecke, geht auf Gerkens Anregung zurück. "Optisches Vorbild war der frühere Ausrufer Helmut von Borstel", berichtete der 92-jährige Ehrenbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Otterndorf. Der damalige Altstadtfestclub hatte die Bronzefigur, heute eine der meistfotografierten Attraktionen Otterndorfs, mitfinanziert. 

Der "Künniger" Antonius Recker kommt aus der Gemeinde Glandorf im Südwesten des Landkreises Osnabrück. In der Tennishalle stellte er seine Redegewandtheit unter Beweis. Foto: Mangels
Die bunt bekleideten Ausrufer und ihre "Assistentinnen" machten beim Otterndorfer "Kulturstrand" lautstark auf sich aufmerksam und warben für ihre jeweilige Heimatregion. Foto: Mangels

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Christian Mangels

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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