
Rettungsdienst wird im Landkreis Cuxhaven komplett umgekrempelt
Am Ende der Sitzung hatte sich der Eindruck verstärkt, dass die Entscheidung über den Rettungsdienst im Kreis Cuxhaven bereits gefallen ist, obwohl der Kreistag erst im Dezember beschließt. Die Wortmeldungen im Ordnungsausschuss waren eindeutig.
Es könnte so kommen, wie die meisten der zahlreich im Kreissaal anwesenden Beschäftigten der drei mit dem Rettungsdienst beauftragten Organisationen DRK Wesermünde, DRK Cuxhaven-Land Hadeln und Falck Notfallrettung und Krankentransport Cuxhaven vermuteten: Zum 1. Januar 2025 steht das Aus der bisherigen Rettungsdienststruktur an und eine neue, vom Landkreis selbst betriebene gemeinnützige GmbH tritt an deren Stelle. Ein Beschlussvorschlag erfolgte im Ausschuss zwar nicht, aber die von einer Projektgruppe in der Kreisverwaltung vorgelegte Ausarbeitung zum Strategiewechsel stieß auf allgemeine Zustimmung.
"Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Rettungsdienst dringend einer Überarbeitung bedarf", sagte der zuständige Kreis-Dezernent Michael Take. "Die Beschlussvorlage ist ein erster Schritt in diese Richtung." Nachdem er jahrelang stiefmütterlich behandelt worden sei, gelte es nun, ihn für die Einwohner des Landkreises aber auch für die Beschäftigten im Rettungsdienst wieder attraktiv zu machen.
Dr. Pellnitz: "Gute, eingespielte Strukturen werden geopfert"
Der Neuenkirchener Notfallmediziner Dr. Klaus Pellnitz dankte der Verwaltung in der Bürgerfragestunde, dass sie den Rettungsdienst wieder ernst nehmen. "Das war jahrelang nicht der Fall." Doch das Ergebnis der Analyse sei, so Pellnitz, "erschreckend". Gute, eingespielte Strukturen würden geopfert, ohne genau zu wissen, was danach kommt. Es sei zudem unverständlich, warum die drei Dienste nicht in die Vorberatungen einbezogen worden seien.
Die beauftragten Dienste hätten in der Vergangenheit - auch unter schwierigen Bedingungen - immer professionell gearbeitet. Doch der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes habe den Auftrag, die Versorgung sicherzustellen und müsse dazu ein größeres Bild betrachten, sagte Michael Take.
Auf Seiten des Landkreises habe es in der Vergangenheit im Umgang mit dem Rettungsdienst an Professionalität gefehlt, meinte Frank Berghorn (CDU). Das vorliegende Gutachten mit der Analyse des Ist-Zustandes und Lösungsvorschlägen sei überfällig gewesen.
Henrik Rehm (SPD) aus Wanna machte deutlich, dass seine Fraktion mit den Inhalten des vorgelegten Papiers übereinstimme. "Wir wollen die gemeinnützige Gesellschaft nicht, weil wir mit der bisherigen Arbeit der Beauftragten unzufrieden sind", so Rehm. Doch die Herausforderungen, vor denen der Landkreis bei der Reorganisation des Rettungsdienstes stehe, seien nur in einer vereinheitlichten Struktur zu bewältigen. Nur so könne man möglichst schnell zu Verbesserungen gelangen.
Ehrgeiziges Programm mit hohen Investitionen
Das Programm, das sich der Landkreis vornehmen will, hat es in sich: Neubau und teilweise Verlegung von Rettungswachen, Beschaffung weiterer Rettungstransportwagen (RTW), Einführung neuer Notfallkrankenwagen (N-KTW), die in der Grauzone zwischen Krankentransport und akutem Notfalleinsatz für Entlastung sorgen sollen und einiges mehr. Die Zielsetzung lautet: Die vorgeschriebene Hilfsfrist von 15 Minuten muss flächendeckend eingehalten werden können. Das ist aktuell nicht der Fall, vor allem weil Rettungstransportwagen mit Notfallsanitätern auch bei weniger kritischen Einsätzen ausrücken. Notarzt Dr. Pellnitz hatte es als Praktiker zuvor auf den Punkt gebracht: "Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst ist eine Katastrophe und die Fehlalarme bei unzureichender medizinischer Indikation ein großes Problem." Die Zahl der rettungsdienstlichen Einsätze insgesamt ist stark angestiegen, die Anzahl der tatsächlichen Notfalleinsätze hingegen nur unwesentlich.
Dass trotz des für die Reorganisation erforderlichen ehrgeizigen Investitionsprogramms Unbehagen bei den Beschäftigten des Rettungsdienstes herrsche, ist für Hendrik Rehm verständlich. "Wir wollen den Weg gern mit Ihnen gemeinsam beschreiten", sagte er den Anwesenden zu. "Wir möchten ein stabiles Fundament mit besten Rahmenbedingungen schaffen."
Der FDP-Kreistagsabgeordnete Lukas Lübken sagte: "Wir sind fraktionsübergreifend einig, dass das, was bisher vor allem beim Landkreis selbst im Argen lag, angegangen werden muss. Dazu ist es erforderlich, den Flickenteppich zu vereinheitlichen, uns aber auch mit der Stadt Cuxhaven und Bremerhaven ins Benehmen über die dortigen Einsätze zu setzen."
Vernünftige Verhältnisse in den Rettungswachen herstellen
"Wir wollen Geld in die Hand nehmen, um vernünftige Verhältnisse gerade in den Rettungswachen herzustellen und alle Anstrengungen für eine Ertüchtigung unternehmen, was in den vergangenen Jahren nicht der Fall gewesen ist", meinte Dezernent Take. Das werde im Übrigen auch für die Arbeitsbedingungen und die Vergütung der Beschäftigten unter neuer Führung gelten. Niemand solle schlechter gestellt werden.
Ganz überzeugt schienen die Anwesenden am Ende der Sitzung nicht zu sein. So meinte DRK-Geschäftsführer Henning Dageförde aus Wesermünde: "Wir haben jahrelang um jeden Cent betteln müssen. Wo sollen denn jetzt mitten in der Legislaturperiode die Mittel dafür herkommen?" Und sein Kollege vom DRK Cuxhaven-Land Hadeln, Volker Kamps sagte: "Für mich gibt es immer noch eine ganze Menge unbeantworteter Fragen."