
Bessere Versorgung im ländlichen Raum: Was das RVZ im Kreis Cuxhaven leistet
Sind "Regionale Versorgungszentren" (RVZ) eine der Antworten auf den Haus- und Fachärztemangel im Landkreis Cuxhaven? Die ersten Erfahrungen mit dem RVZ in Nordholz sind positiv - und möglicherweise die Grundlage für eine Ausweitung dieses Angebotes.
Wenn Strukturen zusammenbrechen, ist es schwer, sie wieder aufzubauen. So wie bei der medizinischen Versorgung im Cuxland. Immer mehr Hausarztpraxen - gerade auf dem Land - schließen für immer ihre Türen. Zurück bleiben viele ratlose Patienten. Dass es gelingen kann, zumindest in Teilen die Situation zu verbessern, zeigt sich am Beispiel des "Regionalen Versorgungszentrums" (RVZ) im Cuxland: Aus dem Pilotprojekt ist binnen kurzer Zeit ein Erfolgsmodell geworden, das schwarze Zahlen schreibt. So erfolgreich, dass sogar ein zweiter Standort im Gespräch ist.
Nordholz ist eines von aktuell fünf Regionalen Versorgungszentren in Niedersachsen. Das Land, das Mittel in Millionenhöhe für die Anschubfinanzierungen der Standorte ausgab und ausgibt, will mithilfe dieses Angebotes medizinische Versorgungsangebote bündeln und Ärzten, die keine eigene Praxis betreiben, sondern angestellt sein wollen, eine Perspektive bieten. Dies geschieht über das integrierte "Medizinische Versorgungszentrum" (MVZ), das ein wesentlicher Stützpfeiler des gesamten RVZ-Konzeptes ist. Vier Ärzte und Ärztinnen sind dort angestellt; ein weiterer Facharzt für Allgemeinmedizin oder hausärztlicher Internist wird noch gesucht.

Medizinische Vielfalt ist das Ziel
Doch neben der Hausarztpraxis gibt es zusätzliche Angebote, um Patienten zu betreuen. Dabei handelt es sich um selbstständige Mediziner und Fachleute. So ist dort nicht nur eine Psychologische Psychotherapeutin tätig, sondern es sind inzwischen unter anderem auch eine Kinder- und Jugendarztpraxis, Praxen für Implantologie und Oralchirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Physiotherapie, aber auch die DRK-Tagespflege sowie der "Demenzstützpunkt Cuxland" unter einem Dach vereint. Und genau diese Vielfalt ist auch das Ziel, das mit einem RVZ verfolgt wird: eine große Bandbreite an Angeboten für Patienten und ein Anreiz für Ärzte und Dienstleister, keinen Bogen um einen Flächenlandkreis zu machen.

Das Angebot geht mit innovativen Ideen einher, um Abläufe möglichst schlank und effektiv zu gestalten. Vieles läuft in Nordholz in digitaler Form ab. So ist auch bei der Kommunikation via App. Am Montagmorgen in der Praxis Schlange stehen, um einen Termin zu vereinbaren oder ein Rezept zu ordern? Das ist nicht nötig, denn selbst am Wochenende werden derartige Anfragen im "Backoffice" erledigt und kommuniziert.
"Physician Assistant" als Entlastung
Neue Wege geht man im MVZ auch bei der Entlastung der Ärzte. So ist dort vorgesehen, verstärkt mit Absolventen des Studienganges "Physician Assistant" zusammenzuarbeiten; bislang ist eine Werkstudentin engagiert worden. Dabei handelt es sich um "Medizinische Assistenten", die delegierbare Aufgaben vom Arzt übernehmen. Dazu können zum Beispiel eine standardisierte Anamneseerhebung, diagnostische Leistungen, Untersuchungen in einem bestimmten Rahmen, aber auch die Übernahme von administrativen Tätigkeiten wie die Dokumentation eines Behandlungsverlaufes und der Entwurf von Arztbriefen zählen. Diese Tätigkeit soll Freiräume für Ärzte schaffen, damit sie mehr Zeit für ihre Patienten haben.

Geld vom Land für Machbarkeitsstudie
"Wir haben da noch einige Ideen im Kopf", sagt RVZ-Geschäftsführer Dr. Andreas Rühle. Dazu zähle auch das Ziel, ein KI-basiertes Hautkrebsscreening in Nordholz zu ermöglichen. Unter Rühles Leitung ist das RVZ aufgebaut worden und schließlich vor drei Jahren in Betrieb gegangen. Im ersten (verkürzten) Geschäftsjahr gab es noch ein Minus, doch 2023 bereits einen Überschuss. Und 2024? Dazu lässt er sich noch keinen Kommentar entlocken, da er erst einmal die Gremien informieren will. Ganz so schlecht scheint es jedoch nicht zu laufen, denn im Juni überreichte die Landesbeauftragte Karin Beckmann dem Landkreis einen Förderbescheid über 45.000 Euro, um eine sogenannte Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen. Durch diese Studie soll geklärt werden, ob ein weiterer Standort für ein RVZ im Cuxland sinnvoll und machbar wäre.

"Der Standortvorteil ist schon riesig"
Bei Kreis und Kommune (Wurster Nordseeküste), die in einer gGmbH das RVZ mit Unterstützung des Landes auf den Weg gebracht haben, zieht man bislang ein positives Fazit des Projektes. Für Kreisdezernent Friedhelm Ottens ist es ganz offensichtlich, dass die Lebensqualität für die Menschen im Cuxland auch mit der haus- und fachärztlichen Versorgung zusammenhänge. Dass die kommunale Ebene das gebündelte medizinische Angebot unterstütze und bei möglichen Defiziten auch bis zu einem gewissen Umfang einspringe, sieht er als notwendig an: "Auch ein Minus muss man zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung einkalkulieren", so Ottens.
Für den Bürgermeister der Kommune (Wurster Nordseeküste), Jörg-Andreas Sagemühl, überwiegen ebenfalls ganz klar die positiven Aspekte: "Es hat sich viel entwickelt. Der Standortvorteil, den wir jetzt haben, ist schon riesig."
Die Ausstrahlung beschränkt sich übrigens nicht nur auf den Bereich der Wurster Nordseeküste, denn gerade die fachärztlichen Leistungen würden Patienten auch aus weiter entfernten Regionen in Anspruch nehmen. Hinzu kommt ein Lichtblick in der hausärztlichen Versorgung durch das MVZ: "Bei uns kennen wir den Begriff des Aufnahmestopps nicht", unterstreicht Geschäftsführer Rühle.