Ein Foto am Morgen zeugt von dem, was in den Stunden zuvor passiert ist. Der eineinhalb Jahre alte Hengst liegt tot auf seiner rechten Seite. Die Details des Fotos sind von der Redaktion unkenntlich gemacht. Foto: Steffens
Ein Foto am Morgen zeugt von dem, was in den Stunden zuvor passiert ist. Der eineinhalb Jahre alte Hengst liegt tot auf seiner rechten Seite. Die Details des Fotos sind von der Redaktion unkenntlich gemacht. Foto: Steffens
Hannoveranerherde in Börde Lamstedt

"Es ist schlimm": Hengst in Stinstedt gerissen - alles deutet auf den Wolf hin

von Joscha Kuczorra | 12.09.2024

Blutiger Vorfall in Stinstedt (Samtgemeinde Börde Lamstedt / Landkreis Cuxhaven): Ein junger Hengst ist gerissen worden. Bürgermeister Klaus Steffens ist entsetzt. Wie geht es nun weiter für die Pferdeherde?

"Es ist schlimm", sagt Stinstedts Bürgermeister Klaus Steffens über das, was in der Nacht zu Donnerstag (12. September 2024) auf seiner Weide passiert ist. Ein Hengst ist gerissen worden. Alles deutet auf den Wolf hin.

Seit 47 Jahren ist Klaus Steffens in der Pferdezucht aktiv. Seit 15 Jahren hat er eine Hengst-Herde auf seiner Weide, der zuletzt 19 Tiere angehörten - allesamt Jährlinge und Zweijährige. Nun ist das passiert, wovor der 71-Jährige seit mehreren Jahren Sorge hatte.

Am Donnerstagmorgen gegen 6.45 Uhr erhielt Steffens eine Sprachnachricht seines Nachbarn: Eines der Pferde "liegt da so komisch". Als er die 150 Meter von seinem Hof im Eichhofsberger Weg zur Weide lief, sah er schon aus größerer Entfernung, dass es sich um einen Riss handeln musste. "Er war total zerfleddert und weist einen Kehlbiss auf", beschreibt Steffens den Anblick. Die Fotos, die das Bild am Donnerstagmorgen dokumentieren, zeigen eine verwundete Kehle und einen aufgerissenen Bauchraum, aus dem Teile des Darms herausgerissen wurden und meterweit entfernt liegen. Auch der Wolfsberater vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) habe bestätigt, dass ein Riss durch den Wolf naheliegt. Ob es einer oder mehrere Angreifer gewesen sind, könne noch nicht gesagt werden.

Die Spuren sind nach der tödlichen Attacke am Donnerstagmorgen deutlich zu sehen. Foto: Steffens

"Ich bin täglich auf der Weide. Aber das nützt nichts, wenn der Wolf kommt", betont Steffens. Er ist verwundert, dass die rund 100 Rinder mit ihren Kälbern auf der Nachbarweide unversehrt geblieben sind. In Stinstedt seien schon öfter Nutztiere gerissen worden. Für den Bürgermeister ist es das erste Mal, dass er direkt mit einem Riss in Verbindung geraten ist.

Getöteter Hengst gehört Thomas Berger aus Celle

Bei dem toten Hengst handelt es sich um einen eineinhalbjährigen Hannoveraner. Steffens schätzt, dass das Tier etwa 400 Kilogramm schwer war und ein Stockmaß von etwa 1,60 Metern hatte. Der getötete Hengst gehörte dem Celler Thomas Berger, Spross einer bekannten Pferdehändlerdynastie. Steffens selbst hat auf der Weide zwei Hengste stehen. Die anderen Tiere der Herde gehören Menschen, die Steffens mit der Aufzucht beauftragt haben. Auch der frühere "Spiegel"-Chefredakteur und heutige "Welt"-Herausgeber Stefan Aust besitzt Tiere in der Herde. Einen Namen hatte das getötete Pferd bis jetzt nicht getragen. "Das kommt meistens erst, wenn sie volljährig, also drei Jahre alt, sind", erklärt Steffens.

Der gerissene Hengst liegt am Donnerstagmorgen tot auf der Weide. Einen Namen trug er noch nicht. Foto: Steffens

Er versucht, nach dem Angriff das Positive zu sehen. "Das Gute ist, dass die Herde auf der Weide geblieben ist. Die Tiere sind herumgaloppiert, aber der Elektrozaun mit Hausstrom hat gehalten." Steffens will sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die Pferde auf die Straße galoppiert wären. Die übrigen 18 Hannoveraner Hengste aus der Herde seien unverletzt geblieben.

Nach Riss Pferdehalter holen ihre Hengste aus Stinstedt ab

Steffens hat die Besitzer umgehend über den Riss informiert. "Jeder muss selbst entscheiden, was er jetzt machen möchte." Die ersten Pferdehalter hätten ihre Tiere noch am Donnerstag abgeholt. Mehrere Besitzer hätten aber schon mitgeteilt, dass sie die Pferde in Stinstedt lassen, weil sie nicht wüssten, wohin sie die Hengste bringen können. Auch der 71-Jährige selbst behält seine beiden Hannoveraner zunächst in der Nähe des Hofes. "Wie es weitergeht, wissen wir nicht. Kommt der Wolf wieder?", fragt Steffens. "Solch ein Szenario will man nicht erleben. Ich muss überlegen, ob ich es weitermache."

Stinstedts Bürgermeister ärgert sich über abfällige Kommentare über Risse durch Wölfe - "weil es von vielen verharmlost wird, die sich nicht in die Situation hineindenken können". Wolfsabweisend ist der Zaun, der die Koppel eingrenzt, nicht. "Das wäre für Pferde lebensgefährlich", erklärt Steffens. "Es ist so viel Platz auf der Weide, aber wenn sie sich wälzen, dann machen sie das oft am Zaun." Mit den langen Beinen könnten sie dann in den Draht hineingeraten. "Dann schneiden sie sich die Sprunggelenke auf." Für ein Pferd könne ein Schnitt das Todesurteil bedeuten.

Deshalb bräuchte es einen weiteren Zaun, um die Pferde vom wolfsabweisenden Zaun abzuhalten. "Sowas einzuzäunen, wäre gar nicht möglich: Ich habe 30 bis 40 Hektar Fläche. Das kann man gar nicht instand halten", gibt Steffens zu bedenken, dass der Zaun bei zu viel Bewuchs keinen Strom mehr hätte. In Falle der tödlichen Attacke verhinderte der Strom womöglich ein größeres Unglück.

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Joscha Kuczorra

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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