
Stör-Projekt im Kreis Cuxhaven: "Totfunde sind auf die Elbvertiefung zurückzuführen"
Das Stör-Projekt an Elbe und Oste kämpft mit Herausforderungen, doch die Hoffnung lebt. Trotz Rückschlägen durch die Elbvertiefung gibt es Erfolge bei der Wiederansiedlung. Einblicke in die Arbeit des engagierten Biologen Dr. Jörn Geßner.
Liegt das Projekt Wiederansiedlung des Europäischen Störs in Oste und Elbe nach Scheitern des Zentrums für Wanderfische in Geesthacht auf Eis - oder läuft es weiterhin?
Das Vorhaben hat zwar einen Dämpfer bekommen, als wir die Pläne für das Wanderfischzentrum aufgeben mussten, läuft aber ungeachtet der schwierigen Ausgangssituation weiter. Das eigentliche Problem ist in der Tatsache begründet, dass der Elterntierbestand aus Wildtieren in Frankreich, aus dem wir bis 2014 Nachzuchten auch für den Besatz bekommen haben, in 2014 zusammengebrochen ist. Damit war das Vorhaben auf die Geschlechtsreife der Nachzuchten, die zwischen 2007 und 2014 produziert wurden, angewiesen. Da die Tiere bis zur Geschlechtsreife circa 15 Jahre und mehr benötigen, mussten wir die Besatzaktionen im Elbegebiet bis zur Wiederaufnahme im letzten Jahr erst einmal aussetzen.
Wie müssen wir uns die Arbeit vorstellen?
Die Aufzucht des Elterntierbestandes ist wenig spektakulär. Wir haben am IGB aktuell circa 250 zukünftige Elterntiere in verschiedenen Anlagen und Teichen, die über die erwähnten 15 bis 17 Jahre bis zu einer Mindestgröße von etwa 150 Zentimetern aufgezogen werden müssen, um geschlechtsreif zu werden. Wenn dies gelingt, sollen die Tiere je nach Reifungszustand, der zwischen den Individuen natürlich auch noch variiert, für die kontrollierte Vermehrung herangezogen werden. Diese findet im späten Frühjahr statt. Ist diese erfolgreich, werden die Nachzuchten unter kontrollierten Bedingungen aufgezogen, bis sie eine Größe von circa zehn Zentimetern erreicht haben, sodass sie im September oder Oktober in die Freiheit entlassen werden können. Ein Teil der Tiere verbleibt über Winter in der Aufzucht, sodass im Frühjahr im Mai Tiere bereitstehen, die für Untersuchungen zu der Nutzung des Lebensraums und für Wiederfangversuche markiert werden können, bevor sie freigelassen werden.
Welche Rückmeldungen gibt es über zum Beispiel durch Fischer aufgefundene Tiere?
Die Fischerei hat sich aktiv an dem Projekt beteiligt. Allen voran Familie Zeeck, die auch bei ihren Kollegen für die Mitarbeit geworben hat. Insgesamt wurden 2008 bis 2014 rund 20.000 Jungstöre in der Elbe und ihren Nebenflüssen Mulde, Havel, Stör und Oste ausgewildert. Von diesen Tieren sind fast 300 Fangmeldungen eingegangen. Ein großer Teil dieser Fangmeldungen umfasst Tiere, die in der Unterelbe und im Wattenmeer gefangen wurden, aber auch Fische, die bis in den Englischen Kanal und vor der dänischen und schwedischen Küste gefangen wurden. Die umfasst Fische von bis zu 170 Zentimetern Länge, die nach dem Fang wieder freigelassen wurden. Störe sind in Deutschland streng geschützt und dürfen nicht angelandet werden.
Besonders hat uns, trotz der traurigen Tatsache, dass es sich hier mehrheitlich um Totfunde handelte, die Tatsache gefreut, dass wir seit 2020 jährlich Rückkehrer - insgesamt 20 Individuen - aus dem Besatzprogramm gemeldet bekommen haben, die in der Unterelbe und im Hamburger Hafen aufgefunden wurden.
Denken Sie, bzw. haben Sie möglicherweise Ergebnisse, dass die zurückliegenden Elbvertiefungen sich negativ auf die Wiederansiedlung von Wanderfischen wie den Stör auswirken?
Die Totfunde - 16 von 20 Tieren - in der Unterelbe sind auf die Elbvertiefung zurückzuführen. Sie sind entweder an mechanischen Beschädigungen zum Beispiel durch Kontakte mit Saugbaggern verendet oder im Sauerstoffloch unterhalb des Hamburger Hafens erstickt.
1995 - also vor 30 Jahren - hat das IGB die ersten Voruntersuchungen darüber angestellt, wie man einen Stör-Elternbestand aufbauen kann. Wie sieht die Situation heute aus und wie schätzen Sie die Wiederansiedlungspläne an der Elbe und ihren Nebenflüssen gegenwärtig ein?
Sobald der Elterntierbestand am IGB entsprechende Anzahlen laichreifer Tiere aufweist, ist geplant, die Besatzaktivitäten wieder im vollen Umfang aufzunehmen. Sobald die Individuenzahlen hoch genug sind, um eine solche Option wirtschaftlich praktikabel zu machen, soll die Aufzucht dezentral ins Einzugsgebiet der Elbe ausgelagert werden. Hier sind im Ostseeprojekt die Vorerfahrungen erarbeitet worden, mit mobilen Aufzuchtsystemen die lokale Fischerei und Anglerschaft einzubinden, wo diese an der Zusammenarbeit Interesse und Kapazitäten für eine solche Aufgabe hat. Zudem werden wir zunehmend einen Fokus auf die Wiederherstellung von Lebensräumen im Elbe-Einzugsgebiet legen müssen. Eine Verminderung der Folgen der Unterhaltungsbaggerungen in der Unterelbe, die Schaffung von künstlich angelegten Laichplätzen und die Anbindung von Nebengewässern als Lebensräume und Nahrungsquellen für die Tiere im Fluss stehen hier ganz oben auf der Liste. Hier wird eine Gesamtstrategie mit anderen Wanderfischprojekten und der Wasserstraßenverwaltung von großer Bedeutung sein, da diese als Gewässerbewirtschafter die hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt. Hier laufen aktuell erste Gespräche durch die Naturschutzverbände, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.
Werden Sie weiterhin die Zusammenarbeit mit Anglern und Fischern benötigen?
Definitiv ja! Sowohl in der Aufzucht, als bei der Planung und Durchführung von Besatzmaßnahmen, bei der Sicherung eines effektiven Schutzes der Tiere vor Wilderei, wie auch bei der Erfassung von Stören im Beifang und der Erfassung von Totfunden sind die Fischereiberechtigten unersetzbar!
Zur Person:
Der aus Hamburg stammende Biologe Dr. Jörn Geßner (62), arbeitet beim Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin als Forschungsgruppenleiter am Projekt "Wiedereinbürgerung atlantischer Störe in Deutschland. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Gesellschaft zur Rettung des Störs und seit 2003 Mitbegründer des Weltverbandes. Geßner forciert engagiert die Wiederansiedlung des riesigen Wanderfisches durch gezielte Aussetzaktionen von Jungtieren. Seit 2006 Störe in deutschen Gewässern ausgesetzt. Ziel ist die Wiederansiedelung von zwei verschiedenen Störarten in den deutschen Meeresgebieten: Der Europäische Stör (Acipenser sturio) in der Nordsee und der Baltische Stör (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee. Der Europäische Stör wird seit 2008 im Elbeeinzugsgebiet ausgewildert.
Acipenser Sturio:
Er ist der Dino unter den Wanderfischen Bis zu fünf Metern lang, über 500 Kilo schwer und mehr als 100 Jahre alt werden kann dieser graue Riese. Der Kaviarfisch war bis Ende des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Aber der Mensch wurde ihm und seinem Lebensraum gefährlich. Überfischung, Wasserbauarbeiten und auch Einleitungen an den Flüssen sorgten dafür, dass der Europäische Stör (Acipenser sturio) vom Aussterben bedroht ist. I freier Natur kommt er heute nur noch im Nordostatlantik vor. Mittlerweile laicht der Europäische Stör nur noch in Südwestfrankreich in der Gironde. Früher lebte der Europäische Stör im Atlantik und in der Nord- und Ostsee und laichte in allen Flüssen, die in diese Gewässer münden.