Christoph Ploß: "Cuxhaven kann ein Vorbild für andere deutsche Hafenstädte sein"
Im Interview spricht der Bundespolitiker Dr. Christoph Ploß (CDU) über die nationale Hafenstrategie, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Seehäfen und die wichtige Rolle von Sicherheitspolitik und Infrastruktur für die maritime Wirtschaft.
Im zweiten Teil des Interviews mit Dr. Christoph Ploß, dem Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus geht es unter anderem um Fragen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sicherheitspolitische Herausforderungen sowie um die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen. Die Fragen an Christoph Ploß stellten Tim Larschow und Ulrich Rohde.
Herr Ploß, seit einem Jahr gibt es die nationale Hafenstrategie. Das Thema wird aber schon seit über 20 Jahren diskutiert. Dennoch scheint es bis heute nicht gelungen zu sein, die Warenströme so zu lenken, dass alle deutschen Seehäfen gleichermaßen vom Umschlag profitieren. Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven erreicht nur rund ein Drittel seiner Kapazität, Hamburg tritt beim Containerumschlag seit Jahren auf der Stelle. Wie soll mit der nationalen Hafenstrategie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Seehäfen gesteigert werden?
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig zu stärken, ist das erklärte Ziel von Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und der gesamten Bundesregierung. Das gilt auch und gerade für die maritime Wirtschaft. Der internationale Wettbewerb in der Branche ist enorm. Hier wird es darauf ankommen, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen auf nationaler und, wo nötig, auf europäischer Ebene zu verbessern. Andere Länder wie die Niederlande, wo die maritime Wirtschaft einen sehr hohen Stellenwert hat, können für uns Vorbild sein. Die geplanten Investitionen in die Infrastruktur, wie etwa der Weiterbau der A20, werden die norddeutschen Häfen deutlich stärken. Daneben gilt es, Wettbewerbsnachteile abzubauen. Ein Beispiel: Die Einfuhrumsatzsteuer muss endlich reformiert werden, da sie viel zu bürokratisch und nur mit teuren Steuerberatern zu bearbeiten ist. In Belgien und den Niederlanden wird die Einfuhrumsatzsteuer digital und kostengünstiger abgewickelt.
Wettbewerbsnachteile sollen also abgebaut werden. Wie kann man das machen?
Mit entsprechenden politischen Initiativen. Wir werden dafür Reformen in verschiedenen Bereichen durchführen, beispielsweise beim Planungsrecht. In Deutschland dauern Infrastrukturprojekte, die gerade auch für die Häfen wichtig sind, viel zu lange. Neue Autobahn- und Schienenprojekte benötigen mittlerweile häufig über 25 oder 30 Jahre bis zur Realisierung - das ist inakzeptabel. Deshalb wollen wir als Bundesregierung das Planungsrecht reformieren, unter anderem durch eine sogenannte Stichtagsregelung. Das bedeutet: Ab einem bestimmten Zeitpunkt dürfen keine neuen Gesetze, Klagen oder Einwände mehr in ein laufendes Verfahren eingebracht werden. Außerdem wollen wir das Verbandsklagerecht einschränken und, wo möglich, auf Plangenehmigungen statt aufwendige Planfeststellungsverfahren setzen. Die Macht der Umweltverbände muss gebrochen werden!
Welche Rolle spielen die Reedereien bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit?
Die Bedeutung der Seeschifffahrt und der dazugehörigen Infrastruktur kann für eine Handelsnation wie Deutschland gar nicht hoch genug bewertet werden. Die Versorgung mit Rohstoffen, aber auch mit lebenswichtigen Gütern, funktioniert nur über den Seeweg. Das gilt vor allem im Krisenfall. Insofern müssen wir bei der Sicherheitspolitik nicht nur die Landesverteidigung, sondern auch die Schifffahrt und die Sicherung der Handelswege mitdenken. Auf diese sind wir im Ernstfall dringend angewiesen. Das Ziel der neuen Bundesregierung ist, eine starke Flotte in Deutschland zu halten und sie nach Möglichkeit noch auszubauen. Außerdem ist für die neue Bundesregierung klar: Wir werden an der Tonnagesteuer festhalten. Beides entspricht europäischen und internationalen Standards, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen. Wir planen sogar, diese Steuer auf Offshore-Schiffe auszuweiten. Damit wollen wir auch die mittelständischen Reedereien stärken, von denen es vor allem in Niedersachsen einige gibt, die von der Änderung profitieren werden.
Ist es überhaupt noch zeitgemäß, die Häfen allein in Länderhand zu belassen, wenn es gleichzeitig bei einer nationalen Hafenstrategie bestimmter Prioritäten bedarf? Und wird der Bund sich beim Ausbau der hafenrelevanten Erneuerbare Energien Infrastruktur (Offshore-Terminals, Offshore-Windenergie, grüner Wasserstoff, Batteriespeicherkapazitäten) grundsätzlich engagieren oder bleibt es bei Ausnahmen wie der Beteiligung am Bau der Liegeplätze 5-7 in Cuxhaven?
Gemäß unserer Verfassung sind die Länder für die Häfen zuständig. Die Bundesländer hatten bisher auch kein Interesse, das zu ändern. Aus meiner Sicht ist es dennoch wichtig, dass Hafenpolitik auch als nationale Aufgabe verstanden wird, so wie in den Niederlanden oder Belgien. Dort steht die gesamte Politik hinter den Häfen. Wir wollen als Bundesregierung diesen Grundsatz stärker verankern und haben daher im ersten Koalitionsausschuss vereinbart, die nationale Hafenstrategie zügig umzusetzen. Bund und Länder müssen in der Hafenpolitik grundsätzlich eng zusammenarbeiten.
Ist Cuxhavens Hafen ein Musterbeispiel, wie so etwas bewerkstelligt werden kann?
Ja! Der Bund steuert 100 Millionen Euro für den Umbau des Hafens bei. Cuxhaven baut damit seinen Hafen zu einem Umschlagplatz für Komponenten von Windkraftanlagen aus. Als Folge siedeln sich rund um die Region bereits jetzt neue Unternehmen an, die im Offshore-Bereich tätig sind. Cuxhaven kann ein Vorbild für andere deutsche Hafenstädte sein.
Veränderung und Anpassung sollte ihrer Meinung nach also das Ziel sein?
Die Häfen werden sich in den kommenden Jahren teilweise stark verändern. Die Verantwortlichen in Cuxhaven - vom langjährigen Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann bis hin zu engagierten Kommunalpolitikern - haben das früh erkannt und gezeigt, wie man durch gezielte Investitionen in einen Hafen neue Strukturen in einer ganzen Region aufbauen und Arbeitsplätze schaffen kann.
Welche Rolle spielen grundsätzlich sicherheitspolitische Erwägungen bei der bundesseitigen Stärkung der Häfen? Bisher profitiert lediglich Bremerhaven vom Sondervermögen des Bundes, weil die Stadt Umschlaghafen für Militärgüter ist.
Sie sprechen da einen sehr wichtigen Punkt an; ich werde das Thema Sicherheit auch zum Schwerpunkt der nächsten Nationalen Maritimen Konferenz in Emden im Frühjahr 2026 machen. Denn wir müssen unsere Häfen auch unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten betrachten. Deutschland hat Verpflichtungen innerhalb der Nato und wir müssen auf verschiedene Krisen vorbereitet sein - sei es ein Verteidigungsfall oder andere Notlagen wie die Corona- oder die Energiekrise. Ohne starke Häfen und eine funktionierende Seeschifffahrt hätten wir diese Krisen in der Vergangenheit nicht bewältigen können. Deshalb werden wir die Hafeninfrastruktur auch für militärische Zwecke ertüchtigen. Das betrifft etwa Brücken und Zufahrten, die heute oft nicht dafür ausgelegt sind, dass Panzer oder schweres Gerät darüber transportiert werden können. Die Häfen sind im Ernstfall logistische Drehkreuze, etwa für Truppenverlegungen an eine mögliche Nato-Ostflanke. Deshalb ist es unser Ziel, die Häfen krisenfest zu machen - sowohl für zivile als auch für militärische Herausforderungen. Die Investitionen in die Häfen in Bremerhaven zeigen, dass die schwarz-rote Koalition nicht nur darüber redet, sondern konkret handelt.
Zur Unterhaltung der Bundeswasserstraßen: Wird im Zuge des Desasters beim Bau des Laderaumbaggerschiffs "Osteriff" über einen längerfristigen Strategiewechsel in der Baggerei nachgedacht? Die Planung für das in Cuxhaven entwickelte Pilotprojekt Bagger ohne Laderaum mit Transportschiffen wurde im Haushaltsauschuss mit zwei Millionen Euro Volumen genehmigt. Halten Sie diesen Ansatz für den richtigen Weg zu mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit?
Ja, deswegen habe ich das Pilotprojekt auch nach Kräften zusammen mit dem Cuxhavener Bundestagsabgeordneten Christoph Frauenpreiß unterstützt. Es ist gut, dass unser Engagement sich gelohnt hat und es jetzt endlich losgeht.
Es hängen viele Kommunen an Nord- und Ostsee vom Tourismus existenziell ab, Cuxhaven als Nordseeheilbad insbesondere. Die Investitionen in den Tourismus sind allerdings freiwillige Leistungen. Sie sind nur dann möglich, wenn auch die Haushalte einigermaßen stimmen, damit man überhaupt investieren kann. Wäre es da nicht sinnvoll die touristische Infrastruktur per Gesetz zum Bestandteil der Daseinsvorsorge zu machen oder auf ähnlichem Wege Investitionen zu verstetigen?
Diese Frage müssten Sie bitte an die niedersächsische Landesregierung weitergeben, die das entscheidet. Ich würde das begrüßen. Wir unterstützen aus Berlin heraus auch den Tourismus in Cuxhaven. Der Bund stellt den Ländern 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für Kommunen zur Verfügung, von denen auch die touristische Infrastruktur in Cuxhaven profitieren sollte. Ich appelliere deswegen an die niedersächsische Landesregierung, die Investitionsmittel aus dem Sondervermögen schwerpunktmäßig für Investitionen in die Häfen und die Infrastruktur zu nutzen.