Bund will Verträge mit Notschleppern in Nord- und Ostsee kündigen - und erntet Kritik
CUXHAVEN. Die Nachricht hat die Firmenleitung der größten deutschen Schlepperreederei Fairplay getroffen wie ein Donnerschlag: Der Bund will die Verträge für die drei Notschlepper in Nord- und Ostsee kündigen.
Bei einem Besuch an Bord der "Nordic" bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Enak Ferlemann, die neue Marschrichtung. Berechnungen hätten ergeben, dass der Bund die Aufgabe in Eigenregie kostengünstiger erledigen könne. Daher will der Bund eigene Schiffe bauen lassen und das Geschäft künftig in eigener Regie betreiben. Das soll Steuergelder sparen. Deshalb sei der Weg eingeschlagen worden, der allerdings voraussichtlich erst ab 2028 beschritten werden kann, wenn die geplanten drei Neubauten einsatzbereit seien.
Übergangslösungen bis 2028
Die Zwischenzeit müsse man mit Übergangslösungen überbrücken, so Ferlemann, wobei die Vergabe für die zwei Notschlepper "Nordic" (Vertrag läuft Ende 2022 aus) und "Baltic" (Sommer 2022) nach europaweiter Ausschreibung erfolge.
Kritik von Fairplay
Das Ausschreibungsverfahren, kritisiert die Geschäftsleitung von Fairplay, die die "Nordic" im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz 2010 zusammen mit der Reederei Bugsier als Neubau in Dienst gestellt hatte und seitdem mit einem Team von Bergungsspezialisten betreibt. Was die Konkurrenz Boluda Deutschland, die jüngst den Zuschlag für den Notschlepper in Sassnitz mit der "Bremen Fighter" erhalten hat, nicht leiste, sei eine eigene Ausbildung genau der Spezialisten, die im Falle einer Havarie gebraucht würden.
Fundierte seemännische Ausbildung
Die Reederei lege großen Wert auf eine fundierte und umfangreiche seemännische Ausbildung, die die Grundlage für erfolgreiche Notschleppeinsätze unter extremen Bedingungen sei, machte der Geschäftsführer von Fairplay Towage, Holger Schwesig, bei einem Treffen an Bord der "Nordic" während des Crewwechsels in Cuxhaven deutlich. Neben der normalen Besatzung gehören dazu drei Bereitschaftsteams, die darauf trainiert sind, sich im Ernstfall vom Helikopter auf ein havariertes Schiff abseilen zu lassen, um eine Schleppverbindung herzustellen. Derzeit stelle die Reederei drei so genannte Towage Assistance Teams mit je vier Mann, die in ihrer Freiwache jederzeit einsatzbereit seien, bei jedem Wetter, auf freiwilliger Basis, betonte der nautische Inspektor der Reederei, Bernd Albrecht beim Fachgespräch mit Ferlemann.
Sein Kollege Schwesig bezweifelte, dass der Bund mit seinem künftigen Notschleppkonzept tatsächlich Kosten spare, wenn Personal, Ausbildung und ständige Qualifizierung der Teams berücksichtigt würden.
Eigene Flotte mit 105 Schiffen
Bei Fairplay mit seinen rund 750 Mitarbeitern und speziell auf den Notschleppern lege man größten Wert auf eine fundierte Ausbildung. Schließlich bilde die Reederei aus, um für die eigene Flotte mit 105 Schiffe in allen großen deutschen, niederländischen und polnischen Häfen geeignetes Personal zu rekrutieren. "Schlepperfahren ist ein besonderes Handwerk, das hohes seemännisches Können voraussetzt", unterstrich Andree Hessling. Leiter der Inspektion bei Fairplay.
Immer weniger deutsche Reedereien bilden aus
Die betriebliche Ausbildung sei noch wichtiger geworden, seitdem immer weniger deutsche Reedereien ausbilden. Als unverständlich bezeichnete es Schwesig deshalb, dass der Bund bei der Vergabe der hoheitlichen Aufgabe nicht wenigstens die deutsche Flagge und deutsche Besatzung fordere. Im Vergabeverfahren 2021 für einen Notschlepper in der östlichen Ostsee hat die spanische Reederei Boluda den Zuschlag erhalten, die nicht ausbilde. Boluda setzt den in Cuxhaven gebauten Ankerziehschlepper "Primus" ein, der unter dem Namen "Bremen Fighters" und unter Antiqua-Flagge fährt.