Laderaumbaggerschiff "HAM 316" auf der Außenelbe. Es ist eines von vielen Schiffen, die gegenwärtig die Fahrrinne der Elbe und die Hamburger Hafenbecken bearbeiten. Foto: Kramp
Laderaumbaggerschiff "HAM 316" auf der Außenelbe. Es ist eines von vielen Schiffen, die gegenwärtig die Fahrrinne der Elbe und die Hamburger Hafenbecken bearbeiten. Foto: Kramp
Elbvertiefung

Cuxhavener Schifffahrtsexperte empört: "Havarierisiko ist unverantwortlich"

von Ulrich Rohde | 14.10.2022

KREIS CUXHAVEN. Ein Schifffahrtsexperte aus Cuxhaven kritisiert: Unrealistische Vorgaben in der Planfeststellung für die Elbvertiefung führen zu enormen Problemen.

Ist die Elbvertiefung rechtswidrig erfolgt? Das zumindest mutmaßt der Schifffahrtsexperte des NABU Cuxhaven, Klaus Schroh. Er stützt seine Annahme darauf, dass die Antragsteller des Planfeststellungsbeschlusses von 2007 falsche Angaben gemacht hätten, da die Entwicklung der Schiffsgrößen nicht annähernd mit den im Beschluss genannten Daten übereinstimme. Das entspreche wiederum einer "unverantwortlichen Zunahme des Havarierisikos".

Tatsächlich hat die Baggeraktivität auf der Unterelbe anderthalb Jahre nach Beendigung der Baumaßnahmen gewaltig zugenommen. Grund dafür, so Schroh, seien erhebliche Untiefen, die von den großen Containerfrachtern umfahren und mit äußerster Vorsicht und reduzierter Geschwindigkeit passiert werden müssten. Im Nahbereich der Fahrrinnenmitte hätten Peilungen diese Untiefen ausgemacht. Die Solltiefen würden hier um 2,30 bis 3,50 Meter unterschritten. Es werde daher gewarnt, dass Schiffe mit einem Tiefgang von 10,30 bis 11,50 Meter und mehr die gekennzeichneten Untiefenbereiche mit äußerster Vorsicht zu passieren hätten und dass Begegnungen von Schiffen mit mehr als 10,30 Meter Tiefgang im Bereich der Tonne 73 nicht gestattet seien.

Das grundsätzliche Problem sei, so Schroh, dass bei der Planfeststellung für die Elbvertiefung von einem Bemessungsschiff mit einer Größe von 350 Metern Länge, 46 Metern Breite, einem Tiefgang von 14,50 Metern und einem Ladungspotenzial von bis zu 10.000 Standardcontainern (TEU) ausgegangen worden sei. Daran habe sich auch im Nachgang nichts Wesentliches geändert. Es habe jedoch schon damals bekannt sein können, dass mittlerweile Schiffe mit 20.000 TEU und mehr die Unterelbe befahren. Für ein erhöhtes Havarierisiko spreche auch, dass die Fahrrinne ab Glückstadt lediglich von 300 auf rund 350 Meter Breite vergrößert worden sei. Laut internationaler Norm hätten es aber mindestens 400 Meter sein müssen.

"Die jetzigen Schiffsgrößen fallen völlig aus dem Rahmen der Vertiefungsplanung. Es wird ein inakzeptables Havarierisiko während ihrer Passage auf der Elbe in Kauf genommen", sagt Schroh. "Der Planfeststellungsantrag hätte grundsätzlich überarbeitet werden müssen, bevor die Vertiefung in Angriff genommen wurde." Das gleiche Problem bestehe bei der so genannten Begegnungsbox. Hier sollte eine Begegnung von zwei Schiffen mit addierter Breite von 104 Metern erlaubt sein. Heute seien Begegnungen von Schiffen mit deutlich mehr als 104 Meter addierter Breite keine Seltenheit mehr. Diese Begegnungen fänden - wohl auf Weisung der Verkehrszentralen - aber nicht in der Begegnungsbox, sondern im Verlauf der Unter- und Außenelbe nach Absprache mit den Lotsen statt.

Baggermassen außer Kontrolle

Größtes Problem bleiben aber die Baggermassen, deren Anstieg kaum noch unter Kontrolle zu bringen scheint. Der Planfeststellungsbeschluss hatte noch behauptet, dass nach der Vertiefung keine Baggermassen mehr aus dem Hamburger Hafen in die Nordsee verlagert werden müssten. Die Wirklichkeit sei eine völlig andere, so Schroh. "Nie zuvor mussten solche Massen wie derzeit zur Tonne E 3 umgelagert werden."

Die derzeit noch völlig ungeklärten Fragestellungen rund um eine mögliche, höchst umstrittene Verklappung von Sediment aus Hamburger Gebiet bei Scharhörn oder auch vor den ostfriesischen Inseln und perspektivisch womöglich sogar in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) nordwestlich Helgolands widerlegen sämtliche frühere Annahmen hinsichtlich des Verbleibs von Baggergut aus Hamburg. Schroh: "Angesichts einer steilen Böschungsneigung von 1:3 wird das Thema Elbvertiefung auf Grund ständiger Eintreibungen zu einer endlosen, kostenträchtigen Wasserbaustelle führen."

Bislang keine Vorschläge

Der Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Cuxhaven-Stade, der Grünen-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Stefan Wenzel, stellt seinerseits fest: "Ohne Teilrücknahme der Elbvertiefung ist es aussichtslos das Problem der zunehmenden Schlickmengen zu lösen." Er erwarte zudem zügig Vorschläge der im Frühjahr eingesetzten Arbeitsgruppe, gebildet aus Vertretern der Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie des Bundesverkehrsministeriums, für das zukünftige Schlickmanagement in der Unterelbe. Hier seien bereits für den Sommer Lösungen angekündigt worden. Doch bislang liege nicht das Geringste vor.

Verfolge die Hansestadt Hamburg ihren Plan weiter, zum Jahresbeginn 2023 bei Scharhörn Schlick aus ihrem Hafen zu verklappen, sei zudem mit einer Klage Niedersachsens zu rechnen. "Im Moment spielt Hamburg offenbar auf Zeit", vermutet Stefan Wenzel. "Aber auch die Hamburger wissen, dass sie sich über kurz oder lang einer Hafenkooperation nicht mehr verschließen können, wenn ihnen das Schlickproblem nicht über den Kopf wachsen soll."

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Redaktionsleiter
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